Porsche Taycan: Elektro-Sportler im Wanderkleid
Der Porsche Taycan – Porsches erster Elektro-Sportwagen – hat mit dem Cross Tourismo einen praktischen Bruder mit großem Laderaum bekommen. Außerdem segelt er etwas höher über den Asphalt.
Von Lukas Letzner
Axams – Dass in der Autowelt auf die Limousine immer der Kombi folgt, ist so sicher wie das Amen im Gebet. Hier macht auch Porsche keine Ausnahme und so bekamen wir kürzlich die Gelegenheit, den Porsche Taycan 4S Cross Tourismo unter unsere Fittiche zu nehmen. Hinter dem Namen versteckt sich in Wahrheit die Shooting-Brake-Version von Porsches erstem Elektro-Sportwagen.
Im Vordergrund steht also definitiv der Laderaum, der mit 446 Litern (mit aufrechten Rücksitzen) für einen Kombi zwar nicht besonders groß ausfällt, dank der dreiteiligen Rücksitzlehne aber äußerst variabel ist und maximal 1212 Liter freigibt. Ein Skiausflug zu viert ist also, dank Durchlademöglichkeit, problemlos machbar.
Und was bedeutet der Namenszusatz „Cross“? Er signalisiert den Interessenten, dass der sportliche Lademeister im Fall auch klettern kann. Und tatsächlich: Sobald man im mittleren Konsolenbildschirm das Gravel-Touchfeld betätigt, spürt man, wie das Luftfahrwerk seine Kammern füllt und den 2,3 Tonnen schweren Sportler in die Höhe drückt. So schwebt der Unterboden des Taycan bis zu 16 Zentimeter über dem Boden. Zudem minimiert das Getriebe die Drehzahlunterschiede zwischen den Achsen und legt die Drehmomentsteuerung auf bestmögliche Traktion aus. Sicher ist: Der Taycan wäre im Gelände weiter gekommen, als wir uns das trauten.
Die Technik
Motor: zwei Elektromotoren
Batteriekapazität netto: 83,7 kWh
Drehmoment: 650 Nm ab 0 U/min
Leistung: 360 kW/490 PS
L/B/H: 4974/1967/1409 mm
Gewicht: 2320/2885 kg
Kofferraumvolumen: 446–1212 l
Laden CCS: max. 270 kW
Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
0–100 km/h: 4,1 Sekunden
Testverbrauch: 25,8 kWh/100 Kilometer
Kraftübertragung: Allradantrieb
Preis: 144.606 Euro
CO2-Emission: 0 g/km
Doch einen Porsche kauft man sich ja eigentlich nicht, um auf die Pirsch zu gehen, sondern um recht schnell und auf gediegene Art und Weise von A nach B zu kommen. Und das kann der Porsche hervorragend.
In puncto Schnelligkeit sei gesagt, dass man in knappen vier Sekunden auf Tempo 100 sprintet, die Tachonadel neun Sekunden später die 200-km/h-Marke passiert und der Taycan den Vorwärtsdrang erst bei 240 Sachen elektronisch beendet. In der Praxis findet man die enorme Beschleunigung aber nur ein- bis zweimal ganz lustig, danach wird einem eher schlecht.
Viel mehr Spaß macht es, den Taycan über die Landstraße und durch Kurven unterschiedlichster Radien fliegen zu lassen. Die Lenkung gehört unserer Meinung nach immer noch zu den besten der Klasse, und das Fahrwerk ist sportlich straff und komfortabel zugleich. Wer den Sport-Kombi aber zu ambitioniert in die Kurve wirft, merkt schnell, dass der Elektriker kein Leichtgewicht ist. Besser also, man nimmt vor der Kurve etwas mehr Tempo raus, um dafür den Ausgang sportlich quer zu verlassen. Spätestens hier muss dann auch jeder Verbrenner die weiße Fahne schwenken.
Klar ist, dass man bei einer derartigen Fahrweise die maximale Reichweite von 448 Kilometern sicher nicht erreicht. Wir schafften im Alltag und während der kalten Jahreszeit um die 340 Kilometer, wobei wir auf die gelegentlichen Zwischensprints nicht verzichten konnten. Laden ließe sich der Zuffenhausener – dank 270 kW Ladeleistung – in etwas mehr als 20 Minuten (von 5 % auf 80 %). Bei unseren 20-kW-Ladern mussten wir fünfeinhalb Stunden einplanen (0 auf 100 %). Eines sollte man noch wissen: 144.606 Euro hätte unser Testwagen gekostet.
Mercedes träumt von 1000 km Reichweite
EQS setzte Mercedes-Benz im Vorjahr Maßstäbe und erzielte mit der Luxuslimousine WLTP-Reichweiten von mehr als 700 Kilometern – und das mit nur einer Akkuladung. Dabei wollen es die Schwaben unter der Führung von Ola Källenius nicht bewenden lassen: Die Sternmarke enthüllte in dieser Woche den Vision EQXX, eine coupéförmig gezeichnete Limousine mit einem erstaunlich niedrigen Luftwiderstandsbeiwert von lediglich 0,17.
Noch erstaunlicher: Nach Schätzungen (digitale Berechnungen) kommt der EQXX im „realen Straßenverkehr“ auf eine Reichweite von mehr als 1000 Kilometern mit einer Akkuladung. Die Forscher und Entwickler haben laut Angaben des Herstellers das Leistungspaket des EQS noch einmal verbessert und schaffen einen Energieverbrauch von weniger als 10 Kilowattstunden je 100 Kilometer. Zur Verfügung steht ein Akku mit einer Kapazität von rund 100 Kilowattstunden, dazu kommt, dass dieser Speicher 50 Prozent weniger Volumen hat als beim EQS – und darüber hinaus 30 Prozent weniger wiegt.
Källenius gibt sich angesichts des Prototypen zuversichtlich: „Wir werden die begehrenswertesten Elektroautos der Welt bauen.“ Die Ansicht dürften Mercedes-Ingenieure teilen – die Konkurrenz rund um Tesla, BMW und andere wohl weniger. Die künftige Kundschaft jedenfalls darf sich auf Reichweitenzuwächse für E-Autos freuen. (hösch)