Italien

EU-Parlamentspräsident David Sassoli nach Krankheit gestorben

David-Maria Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, ist tot.
© M. Popow via www.imago-images.de

Im Alter von 65 Jahren ist der Präsident des Europaparlaments Dienstagfrüh in einem Krankenhaus in Italien verstorben. Als Todesgrund wurden "schwerwiegende Komplikationen aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems" angegeben.

Rom – Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, ist tot. Er starb Dienstag früh im Alter von 65 Jahren in einem Onkologie-Zentrum in der Gemeinde Aviano in der Region Friaul-Julisch Venetien, sagte Sprecher Roberto Cuillo. Am Montag hatte ein Sprecher des EU-Parlaments mitgeteilt, dass Sassoli in einem Spital in seiner Heimat Italien behandelt werde. Der Aufenthalt war "wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems" erforderlich.

Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. Der Parlamentspräsident befand sich nach Angaben des EU-Parlaments bereits seit 26. Dezember in Behandlung. Alle seine Termine wurden abgesagt.

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Der ehemalige Journalist aus Florenz war seit 2019 Präsident des EU-Parlaments. Seine Amtszeit wäre Ende des Monats planmäßig ausgelaufen, weil sich die Sozialdemokraten und die konservativen Parteienfamilie EVP die fünfjährige Legislaturperiode beim Vorsitz teilen. Es wird erwartet, dass ab kommenden Monat dann die Malteserin Roberta Metsola von der EVP den Vorsitz in dem Parlament mit seinen 705 Abgeordneten übernimmt. Der Parlamentspräsident hat vor allem eine formale Aufgabe, spricht aber etwa auf den EU-Gipfeln der 27 Staats- und Regierungschefs. In seiner Antrittsrede hatte Sassoli zum Kampf gegen Nationalismus aufgerufen und eine Reform der EU-Regeln für Migration und Asyl gefordert.

Sassolis Aufenthalt im Krankenhaus war zuvor nicht bekanntgegeben worden. Im Oktober verpasste Sassoli bereits eine Tagung des Parlaments, weil er Fieber hatte. Zuvor wurde er wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt. Von der mehrwöchigen Behandlung erholte er sich nie wieder vollständig. Krankheitsbedingt hatte er schon in den vergangenen Wochen die Plenarsitzungen in Straßburg nicht leiten können und auch die jährliche Veranstaltung der EU-Kommission zur Lage der Europäischen Union im September verpasst.

Sassolis Sprecher Cuillo erklärte auf Twitter, Zeit und Ort der Beerdigung würden in den kommenden Stunden bekanntgegeben. Sassoli hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder.

Im römischen Rathaus wird am Donnerstag Sassolis Sarg aufgebahrt. Der italienische Premierminister Mario Draghi plant am Dienstagnachmittag in der Abgeordnetenkammer und im Senat eine Gedenkansprache zu Sassolis Ehre, teilte das Büro des Ministerpräsidenten mit. Enrico Letta, Chef der Demokratischen Partei (PD - Partito Democratico) wird am kommenden Montag bei einer Plenarsitzung des EU-Parlaments eine Gedenkansprache zu Ehren des Verstorbenen halten.

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Von der Leyen: "Tod eines großen Europäers"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kondolierte der Familie des verstorbenen Italieners. "Ich bin sehr traurig über den Tod eines großen Europäers und Italieners. David Sassoli war ein leidenschaftlicher Journalist, ein außergewöhnlicher Präsident des Europäischen Parlaments und vor allem ein lieber Freund", so von der Leyen in einem Tweet auf Italienisch. "Meine Gedanken sind bei seiner Familie", fügte sie hinzu.

Ratspräsident Charles Michel würdigte Sassoli, als "aufrichtigen und leidenschaftlichen Europäer". Seine menschliche Wärme, seine Großzügigkeit, seine Herzlichkeit und sein Lächeln würden bereits vermisst, schrieb Michel am Dienstag auf Twitter. Er fühle sich traurig und bewegt. Auch Michel drückte Sassolis Familie und seinen Angehörigen sein Beileid aus.

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EU-Wettbewerbskommissar Paolo Gentiloni schrieb in einem Tweet: "David Sassoli hat uns verlassen. Schreckliche Nachrichten für uns alle in Italien und Europa. Wir werden ihn als einen demokratischen und pro-europäischen Politiker in Erinnerung behalten. Du warst ein klarer, großzügiger, fröhlicher und beliebter Mann. Ruhe in Frieden."

"Seine Herzlichkeit war eine Inspiration für alle, die ihn kannten. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Lieben", twitterte EU-Klimakommissar Frans Timmermans. "Mir fehlen die Worte."

"Ich bin sehr schockiert und traurig über die Nachricht vom Tod des Präsidenten des EU-Parlaments David Sassoli. Mein tiefes Beileid an seine Familie, seine Freunde und seine Kollegen im Europäischen Parlament", kondolierte der Präsident der Eurogruppe Pascal Donohoe.

Auch Österreichs Regierungsspitze kondoliert

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich Dienstagfrüh auf Twitter tief betroffen: "Er war ein überzeugter Europäer." Nehammer drückte Sassolis Familie und Freunden "in diesen schweren Stunden" sein Mitgefühl aus. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bezeichnete Sassoli als "glühenden Europäer, der sich für den Dialog eingesetzt hat und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt hat". Sie habe den Italiener stets als verbindlichen und verbindenden Politiker wahrgenommen.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich ebenfalls tief erschüttert über den Tod des EU-Parlamentspräsidenten. Sassoli sei ein großer Europäer gewesen: "Mit ihm verliert Europa einen sehr wichtigen Mitstreiter im Kampf gegen den Antisemitismus." Erst vor kurzem habe sich Sobotka mit Sassoli über die Kampagne zum Holocaust-Gedenktag (#WeRemember) ausgetauscht. In diesem Jahr sollen sich alle europäischen Parlamente daran beteiligen – dank Sassolis Bemühungen.

Für Caritas-Präsident Michael Landau stand Sassoli für Nächstenliebe und Solidarität. "Ein großer Europäer, tief verwurzelt in den Werten, mit einem wachen Herzen für das Soziale, einem weiten Blick über die Grenzen Europas hinaus und einer besonderen Aufmerksamkeit für die Kleinen und all jene Menschen, denen es nicht so gut geht", beschrieb Landau den Verstorbenen auf Twitter.

Symbol für Ausgewogenheit, Menschlichkeit und Großzügigkeit

Auch in Sassolis Heimat wurde seinem Engagement gedacht. "Als Mann der Institutionen, als überzeugter Pro-Europäer, als leidenschaftlicher Journalist war Sassoli ein Symbol für Ausgewogenheit, Menschlichkeit und Großzügigkeit", sagte der italienische Ministerpräsident Mario Draghi. "Diese Eigenschaften wurden von allen seinen Kollegen aus allen politischen Richtungen und allen europäischen Ländern stets als Beweis für seine außerordentliche Leidenschaft, seine Fähigkeit zuzuhören und sein ständiges Engagement im Dienste der Bürger anerkannt", fügte der Premier hinzu.

Italiens Präsident Sergio Mattarella zeigte sich zutiefst betrübt über das unerwartete Ableben: "Sein Tod ist ein Grund zu tiefer Trauer für das italienische und europäische Volk." Sassolis klares, beständiges und leidenschaftliches Engagement habe dazu beigetragen, das EU-Parlament zu einem Protagonisten der politischen Debatte in einer sehr heiklen Phase zu machen. Er habe den Erwartungen der europäischen Bürger eine Stimme gegeben. "Als Mann des Dialogs machte er Dialog zum Markenzeichen seiner Beziehungen zu seinen Gesprächspartnern, um das Gemeinwohl zu erreichen. Diese Eigenschaften kamen auch in seiner Arbeit als Journalist zum Ausdruck", so Mattarella.

"Mit Sassoli verlieren wir einen wertvollen Politiker, aber vor allem einen Freund, einen Mann, der sein Leben in den Dienst der Menschen gestellt hat, zunächst im Journalismus und dann in den Institutionen als Präsident des Europäischen Parlaments. Ruhe in Frieden, lieber Freund", so Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für auswärtige Angelegenheiten auf Twitter.

Auch Italiens Demokratische Partei (PD), der Sassoli angehörte, trauert um den EU-Parlamentspräsidenten. "Sassoli war ein Bruder, ein Freund, eine sehr wichtige und grundlegende Person für uns. In diesem Moment drängen sich so viele Erinnerungen in meinem Kopf zusammen. David hat die Geschichte der europäischen Demokratie und unseres Kontinents verändert und hinterlässt unauslöschliche Spuren in der europäischen Geschichte und in der Geschichte der italienischen und europäischen Demokraten, die heute um ihn trauern", so PD-Chef Enrico Letta.

Flaggen am deutschen Bundestag auf Halbmast

Am deutschen Bundestag wurden nach dem Ableben Sassolis die Flaggen auf halbmast gesetzt, wie die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auf Twitter schrieb. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ordnete wegen Sassolis Tod an seinen Amtssitzen in Berlin und Bonn ebenfalls Trauerbeflaggung an.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm die Todesnachricht mit Bestürzung auf. "Europa verliert einen engagierten Parlamentspräsidenten, Italien einen klugen Politiker und Deutschland einen guten Freund", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter mit. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich sehr traurig. Es sei Sassoli immer wieder gelungen, "Gräben zu überwinden und so das Parlament als Ganzes zu stärken", schrieb sie auf Twitter. Sein überzeugter Einsatz für den menschlichen Umgang mit Geflüchteten werde nicht vergessen werden.

Sassoli rief in Antrittsrede zu Kampf gegen Nationalismus auf

In seiner Antrittsrede 2019 hatte der aus Florenz stammende Sassoli zum Kampf gegen Nationalismus aufgerufen und eine Reform der EU-Regeln für Migration und Asyl gefordert. Wegen einer Erkrankung hatte er in den vergangenen Wochen die Plenarsitzungen in Straßburg nicht leiten können und auch die jährliche Veranstaltung der EU-Kommission zur Lage der Europäischen Union im September verpasst. Seine Amtszeit in der überwiegend repräsentativen Funktion als EU-Parlamentspräsident wäre in diesem Monat ausgelaufen. (APA/dpa/TT.com)

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