Mehr Ausstieg als Auszeit: Neue Komödie im Innsbrucker Kellertheater
Manfred Schilds Komödie „Auszeit“ am Innsbrucker Kellertheater paart große Fragen mit feinem Sprachwitz.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck – Für gestresste Männer empfiehlt das Internet die „Männer-Auszeit“ als Ausfahrt vom Hamsterrad des Alltags. Rein in den Wald, raus mit der Angel. Und: Beute. Braten. Bier. Einfach weil es an der Zeit ist, sich wieder richtig zu spüren, diesen Bear Grylls in dir, der von Arbeit, E-Mail-Flut und Familienstress normalerweise schön klein gehalten wird. Dass sich eine solche Wildnis-Unternehmung ganz schnell zur Hölle entwickeln kann, zeigte vor Kurzem eine deutsche Netflix-Produktion. In „Prey“ erlegten die Junggesellen keine Beute, sondern wurden selbst zu einer. Niedergestreckt von einer ziemlich präzise schießenden Jägerin.
Keine Angst, ganz so schlimm wird’s bei Manfred Schilds „Auszeit“ im Innsbrucker Kellertheater nicht. In dieser Komödie, die am Samstag Premiere hatte, bleiben Frauen komplett außen vor. Die Männer schießen sich selbst ins Abseits. Die Ausgangssituation jedenfalls wirkt vertraut: Drei Arbeitstiere grasen auf einer Lichtung, stolz darauf, vom atemlosen Streben nach Mehr endlich wieder durchschnaufen zu können. Das haben der verständnisvolle Dermatologe Athur (Johann Nikolussi), der beizeiten wirre Felix (Hans Danner) – ein genialer Agenturkopf, dem die Werbeclaims aus dem Gedächtnis schießen – sowie der erfinderische Unternehmer Leo (Stephan Lewetz) bitter nötig. Sie sind beste Freunde – und müssen das auch immer wieder betonen. Auch um sich zu erinnern: In Freundschaft muss man investieren, vor allem Zeit. Richtig Bock, sich Zeit zu nehmen, haben sie nicht – weder Arthur noch Leo, der eh mit seinem Handy verwachsen und seiner Arbeit verheiratet ist. Allein Felix meint es ernst mit dem Cowboy-Sein. Deshalb bleibt er auch am Fluss, als die anderen abreisen. Nur noch ein bisschen.
Aus dem Bisschen werden Tage. Und aus Felix zu schnell ein schwurbelnder Ökofuzzi in künstlicher Natur (Bühne: Luis Graninger), der Tauschhandel betreibt und im Heck seines Porsches Salatköpfe zieht. Die Auszeit ist ein Ausstieg, so scheint es. Für Athur und Leo inakzeptabel. Je verwilderter Felix, desto wilder werden sie. Haben sie ihren Freund endgültig verloren?
Ganz so einfach ist es nicht, macht „Auszeit“ bald klar. Wohin das Stück will, checkt man dennoch erst viel später. Der Aha-Effekt ist dann aber doch nicht ganz so groß. Nichtsdestotrotz ist die Reise dorthin eine spannende, für die Kellertheater-Chef Manfred Schild sich wieder einmal hinter die Tastatur geklemmt hat. In der amüsanten Achterbahnfahrt ist nix fix, weder wann der Höhepunkt kommt, noch wie sich die Dynamik zwischen den dreien entwickelt.
Irgendwie doch fix ist, dass es beim Ausstieg eigentlich um viel größere Fragen geht. Um das allen irgendwann bevorstehende Ende, um unser aller Zukunft genauso wie um das Fortbestehen des Planeten. So viel Tiefe hätte man dem albernen Trio nicht zugetraut, ging es anfänglich doch eher um „Schwein oder nicht Schwein?“ – das ist hier die Wienerschnitzelfrage.
Die Längen, die sich trotz all der Loopings doch bilden, überdeckt Schild geschickt mit Sprachwitz. Ein Schmunzler lässt sich bei den „emissionsarmen“ (weil besonders effizienten) Eichhörnchen oder beim „Gedächtnis-Rock ‘n‘ Roll“ von Felix kaum verkneifen. Auch Slapstick kann das Trio. Sie sind aufeinander eingespielt, das haben sie 2016 bei Yasmina Rezas „Kunst“ oder 2018 in Gabriel Baryllis „Butterbrot“ bewiesen. Man kann zudem verschmerzen, dass das Stück auf die Pandemie gar nicht verzichten kann. Viel Platz braucht sie aber nicht. „Auszeit“ ist also fürs Premierenpublikum auch die erhoffte Auszeit vom Alltag. Eine kurze wenigstens. Eine passende für Männer und Frauen.
Mehr Info
Auszeit. Bis 11. März im Kellertheater Innsbruck, nächster Termin: 2. Februar. www.kellertheater.at