Klimawandel

Grüne Parteien in Europa profitieren von Wetterextremen

Mit dem Umweltbewusstsein in der Bevölkerung steigt auch die Tendenz grüne Parteien zu wählen.
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Mit dem fortschreitenden Klimawandel steigt auch das Umweltbewusstsein der Europäer. Das hat Auswirkungen auf die Wahlentscheidung. Ein zusätzlicher ungewöhnlich warmer Tag in jedem Monat eines Jahres lässt den Stimmenanteil grüner Parteien bei Europawahlen um 0,8 Prozentpunkte steigen.

Wien – Grüne Parteien in Europa profieren von Wetterextremen. Zumindest bei Europawahlen. Das zeigt eine im Fachjournal "Nature Climate Change" veröffentlichte Studie von Demographen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien. Während Extremwetterereignisse das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung steigern, erhalten grüne Parteien durch das geschärfte Umweltbewusstsein mehr Stimmen bei Wahlen. So lässt ein zusätzlicher ungewöhnlich warmer Tag in jedem Monat eines Jahres den Stimmenanteil grüner Parteien bei den Europawahlen um 0,8 Prozentpunkte steigen.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist das Bewusstsein für Fragen des Klimawandels in Europa gestiegen. Auch der Stimmenanteil der grünen Parteien im Europäischen Parlament hat zugenommen. Während in der Eurobarometer-Umfrage 2002 weniger als fünf Prozent der Europäer der Meinung waren, dass Umweltfragen für ihr Land Priorität haben sollten, hat sich dieser Anteil 2019 mehr als verdreifacht. Zwischen 2004 und 2019 stieg der Anteil der Sitze grüner Parteien im Europaparlament von 5,7 auf 9,9 Prozent. Bisher mangelte es aber an Belegen dafür, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Ergebnissen und persönlichen Erfahrungen mit Auswirkungen des Klimawandels besteht.

Für ihre Studie hatte das Forscherteam um Roman Hoffmann Wetterdaten zu Temperatur und Dürre mit kleinräumigen Daten zu Umwelteinstellungen und Wahlverhalten verknüpft. Dafür wurden 42 Eurobarometer-Umfragen zwischen 2002 und 2019 für 34 europäische Länder sowie die sechs Europawahlen von 1994 bis 2019 für 28 Länder ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigten eine "signifikante und erhebliche Auswirkung von Temperaturanomalien, Hitze- und Trockenperioden auf das Umweltbewusstsein und die Stimmabgabe für grüne Parteien", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Das durch die unmittelbare Erfahrung von Wetterextremen gestärkte Umweltbewusstsein "trägt dazu bei, dass mehr Menschen grüne Parteien wählen", so Hoffmann.

Und das in beträchtlichem Ausmaß: "Wenn jeder Monat eines Jahres einen zusätzlichen ungewöhnlich warmen Tag hat, dann schätzen wir auf Basis der historischen Daten über das gesamte Mittel von Europa, dass bei Wahlen zum Europaparlament die Zustimmung zu grünen Parteien um 0,8 Prozentpunkte steigt", erklärte Hoffmann. Angesichts der erheblichen Wetterextreme, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, könne dies kommende Wahlergebnisse zunehmend beeinflussen.

Dabei variiert die Sorge um den Klimawandel und andere Umweltprobleme stark zwischen den europäischen Regionen: Vor allem in West- und Nordeuropa ist das Umweltbewusstsein in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. In Süd- und Osteuropa war dieser Anstieg deutlich weniger ausgeprägt. Regional unterschiedlich wirken sich Wetterextreme auch auf das Wahlverhalten aus: In südeuropäischen und damit wärmeren Regionen beeinflussen ungewöhnlich hohe Temperaturen den Urnengang weniger stark als in Gebieten mit einem moderaten Klima. Dies dürfe auf die bessere Anpassung der Menschen in diesen Regionen an ein warmes, trockenes Klima, etwa im Bereich der Landwirtschaft, zurückzuführen sein.

Zudem nimmt die Unterstützung für Klimamaßnahmen infolge persönlicher Erfahrung nur in Regionen mit einem höheren Einkommensniveau zu. Dies gilt auch für Regionen mit mehr Landwirtschaft, einer besser gebildeten Bevölkerung und einem höheren Anteil junger Menschen. (APA)

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