Ukraine-Konflikt

Russland startet Manöver, Johnson warnt vor Krieg in Ukraine

Gemeinsame Militärübungen Von Russland und Belarus.
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In Belarus findet eine große Militärübung der Russen statt. Der britische Premier Boris Johnson sprach bei der NATO von der "größten Sicherheitskrise für Europa seit Jahrzehnten"

Kiew, Moskau, Minsk – Inmitten schwerer Spannungen im Ukraine-Konflikt haben Russland und Belarus am Donnerstag gemeinsame Militärmanöver begonnen. Bei der Übung solle etwa "die Abwehr äußerer Aggression" trainiert werden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Im Westen wird befürchtet, dass Russland im Zuge des Manövers einen Einmarsch in die Ukraine vorbereitet. Der britische Premierminister Boris Johnson warnte Donnerstag bei einem NATO-Besuch vor einem "Krieg" in der Ukraine.

"Ein Krieg wäre katastrophal und auch sinnlos, tragisch und würde sehr schnell wirtschaftlich teuer für Russland", sagte Johnson bei einem Termin mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Das müsse auch der Kreml einsehen. Stoltenberg sprach von einem "gefährlichen Moment für die europäische Sicherheit".

"Größte Sicherheitskrise für Europa seit Jahrzehnten"

Johnson sprach von der "größten Sicherheitskrise für Europa seit Jahrzehnten". Noch sei aber Gelegenheit, die Spannungen abzubauen und zum Dialog zurückzukehren. Stoltenberg rief Russland erneut auf, das Gesprächsforum des NATO-Russland-Rats zu nutzen. Das habe er am Donnerstag auch in einem Brief an den russischen Außenminister Sergej Lawrow deutlich gemacht, sagte er. Ab dem kommenden Mittwoch wollen die NATO-Verteidigungsminister in Brüssel nach seinen Angaben über eine Verstärkung der sogenannten Battle Groups in südöstlichen Mitgliedsländern beraten.

Im Anschluss wollte Johnson nach Warschau weiterreisen. Dort war ein Treffen mit Regierungschef Mateusz Morawiecki geplant. Die britische Regierung hatte zuvor angekündigt, weitere 350 Soldaten in die polnische Grenzregion mit Belarus zu entsenden. Bisher sind dort rund hundert britische Militärangehörige im Einsatz. Mit diesen wollte Johnson dem Vernehmen nach ebenfalls zusammentreffen.

Die britische Außenministerin Liz Truss warf Moskau eine "Kalter-Krieg-Rhetorik" vor und rief zu ernsthaften Verhandlungen auf. "Frieden und Stabilität" in Europa seien gefährdet, warnte Truss in Moskau bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow. "Noch ist Zeit für Russland, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden und den Pfad der Diplomatie einzuschlagen." Lawrow zeigte sich sichtlich verärgert von dem Auftreten seiner Kollegin. So kritisierte er etwa die britische Forderung, Russland solle Truppen von seinem eigenen Gebiet an der Grenze zur Ukraine abziehen.

EU-Staaten schicken Russland gemeinsame Antwort

Kiew, Moskau, Brüssel – Die Europäische Union hat mit einem gemeinsamen Brief im Namen der Außenminister aller 27 Mitgliedstaaten auf russische Sicherheitsvorschläge im Zuge der Ukraine-Krise reagiert. Dies teilte am Donnerstag ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel mit. Diplomaten zufolge hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow EU-Mitgliedstaaten einzeln angeschrieben. Dies sei als Versuch gewertet worden, die Staatengemeinschaft zu spalten.

Daher habe man sich auf eine gemeinsame Antwort verständigt. Lawrow erklärt in Moskau, eine kollektive EU-Reaktion auf seine Vorschläge werde zu einem Scheitern der Gespräche führen. Die EU-Botschaft Russlands bestätigt den Eingang des Schreibens. Zum Inhalt der EU-Antwort machte keine Seite Angaben. Laut Diplomaten geht es um Russlands Bedenken hinsichtlich der Sicherheit an seinen westlichen Grenzen und um die EU-Bemühungen, die Spannungen durch Diplomatie beizulegen. (APA/Reuters)

Russland plant "nukleare Übung"

Russland plant nach Angaben des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace in Kürze eine "nukleare strategische Übung". Details nannte er am Freitag nicht, ergänzte aber im Radiosender BBC unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse, dass Russland neben Cyberangriffen und anderen destabilisierenden Aktivitäten auch Täuschungsmanöver plane, um einen Vorwand für eine Invasion der Ukraine zu schaffen.

Sechs russische Kriegsschiffe sind Medienberichten zufolge unterdessen in der Nähe der Halbinsel Krim eingetroffen. Vorgesehen seien Militärübungen im Schwarzen Meer, meldete am Freitag die russische Nachrichtenagentur Interfax.

Lawrow: Drohungen des Westens "führen zu nichts"

Kiew/Moskau – Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat den Westen vor Drohungen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt gewarnt. "Ideologische Ansätze, Ultimaten, Drohungen führen zu nichts", sagte Lawrow am Donnerstag zu Beginn seines Treffens mit der britischen Außenministerin Liz Truss in Moskau. Viele seiner westlichen Kollegen hätten aber "eine Leidenschaft" für diese Form der Kommunikation.

Truss hatte vor ihrem Treffen mit Lawrow gesagt, sie wolle Russland dazu drängen, "den Weg der Diplomatie zu wählen". Eine russischer Einmarsch in die Ukraine hätte "massive Konsequenzen" für Moskau, warnte sie.

Soldaten und militärische Ausrüstung müssten von der ukrainischen Grenze "woanders hin verlegt werden, da sie sich derzeit in einer sehr bedrohlichen Stellung befinden", forderte die britische Außenministerin Truss bei der Pressekonferenz mit Lawrow.

Truss war am Mittwoch zu einer zweitägigen Reise nach Moskau aufgebrochen. Es handelte sich um den ersten Besuch einer britischen Außenministerin in Russland seit mehr als vier Jahren. Lawrow hatte das Treffen mit Truss im Vorfeld als "beispiellos" bezeichnet. Falls Großbritannien seine Beziehungen zu Moskau verbessern wolle, "werden wir das natürlich erwidern", erklärte er. Die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien sind insbesondere seit der Vergiftung des früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter in England 2018 extrem angespannt.

Westliche Staaten haben auf der Suche nach einer Lösung im Ukraine-Konflikt ihre diplomatischen Bemühungen zuletzt verstärkt. Der britische Premierminister Boris Johnson reiste am Donnerstag zu politischen Gesprächen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Brüssel. Im Anschluss sollte er nach Polen weiterreisen, um sich mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki zu beraten.

Am Freitag reist zudem der britische Verteidigungsminister Ben Wallace für ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Schoigu nach Moskau. Wallace erklärte am Donnerstag, London setze bei der Suche nach einer Lösung in der Ukraine-Krise auf den Dialog. Die Nato werde jedoch im Fall eines Scheiterns des diplomatischen Wegs nicht zögern zu handeln.

"Wir wollen einen Dialog, wir wollen einen Ausweg finden, aber Russland setzt auch die Hälfte seiner Kampftruppen an den Grenzen zur Ukraine und in Belarus ein, und wir werden das nicht ohne eine Reaktion der NATO zur Verteidigung ihrer Mitglieder zulassen", sagte Wallace dem Sender BBC.

Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland.

Russland weist jegliche Angriffspläne zurück. Zugleich führt der Kreml ins Feld, sich von der NATO bedroht zu fühlen. Von dem Militärbündnis sowie von den USA fordert Staatschef Wladimir Putin umfassende Sicherheitsgarantien. (APA/AFP)

Militärmanöver in Belarus

Ungeachtet der Kritik des Westens hat in Belarus ein groß angelegtes Militärmanöver mit Russland inmitten schwerer Spannungen im Ukraine-Konflikt begonnen. Das teilten die Verteidigungsministerien beider Länder am Donnerstag mit. Als Reaktion auf die russischen Militärübungen in Belarus will das ukrainische Militär diesen Donnerstag mit einem eigenen zehntägigen Manöver beginnen.

Die russische Übung im Süden der Ex-Sowjetrepublik unweit zur Ukraine und im Westen an der EU-Außengrenze soll zehn Tage dauern. Auf fünf Truppenübungsplätzen solle etwa "die Unterdrückung und Abwehr äußerer Aggression" trainiert werden, teilte das Ministerium in Moskau mit.

📽️ Video | Analyse: Militärübung an Grenze zu Ukraine

Erste US-Panzer in Rumänien angekommen

Kiew, Moskau, Washington – In Rumänien sind die ersten Konvois der US-Armee mit Militärtechnik angekommen. Das teilte das rumänische Verteidigungsministerium am Donnerstag per Twitter mit. Bilder des Ministeriums zeigten Radschützenpanzer vom Typ Stryker am rumänisch-ungarischen Grenzübergang Nadlac. Die Militärtechnik wurde angesichts der Spannungen rund um den Ukraine-Konflikts verlegt. Rumänien ist ein Nachbarland der Ukraine.

Die Transporte sollen Freitagfrüh den US-Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu am Schwarzen Meer erreichen. Von dort aus würden die Geräte an mehrere Militäreinheiten in Rumänien verteilt und bei Übungen eingesetzt, sagte Verteidigungsminister Vasile Dincu.

Insgesamt erwartet Rumänien 1000 US-Soldaten, die aus dem bayerischen Vilseck entsandt werden sollen. Davon sind die ersten 100 vor wenigen Tagen zur Vorbereitung eingetroffen. In Rumänien sind außerdem seit Jahren ständig 900 US-Soldaten stationiert, unter anderem an der US-Raketenabwehrbasis im südrumänischen Deveselu. Auch Frankreich hat die Entsendung von Soldaten nach Rumänien versprochen. Hierzu gebe es aber noch keine konkreten Pläne, sagte Verteidigungsminister Dincu. (APA/dpa)

Seitens der Ukraine soll unter anderem der Umgang mit Drohnen geprobt werden sowie mit Raketen und Panzerabwehrwaffen, die von ausländischen Partnern geliefert wurden, wie Verteidigungsminister Oleksij Resnikow vor wenigen Tagen mitteilte. Wie viele Soldaten beteiligt sind, ist nicht bekannt. Die aktive Phase von russischen Militärübungen ist bis zum 20. Februar angesetzt.

Die US-Regierung kritisierte diese Übungen nördlich der Ukraine am Mittwoch als "eskalierende Aktion". Die Regierung in Kiew und der Westen sehen einen Zusammenhang mit dem massiven russischen Truppenaufmarsch in der Nähe der Ostgrenze der Ukraine. Sie befürchten, dass Russland eine Invasion der Ukraine vorbereiten könnte. Moskau dementiert solche Absichten und fordert im Gegenzug Sicherheitsgarantien. Dabei geht es unter anderem um die Zusage, dass die Ukraine nicht dem westlichen Militärbündnis beitreten darf. Dies lehnt die NATO ab. Der Konflikt hat sich in den vergangenen Wochen erheblich zugespitzt, weshalb derzeit diplomatische Bemühungen um eine Entschärfung auf Hochtouren laufen.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian bezeichnete die "extrem massiven" Manöver inmitten der Ukraine-Krise bei dem Sender France Inter als "Geste großer Gewalt", die die französische Regierung beunruhige. "Jedes Land hat natürlich das Recht, Militärmanöver zu organisieren, aber hier gibt es eine sehr bedeutende Anhäufung von Übungen an der Grenze zur Ukraine", sagte der Minister.

In Berlin sollten am Nachmittag die Vermittlungsbemühungen fortgesetzt werden. Die politischen Berater Russlands und der Ukraine wollten sich zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs wieder an einen Tisch setzen.

Zudem wollte Kanzler Olaf Scholz am Abend den litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda, die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas und den lettischen Ministerpräsidenten Krišjānis Kariņš empfangen. Kallas hatte sich vor dem Treffen dafür ausgesprochen, die Ukraine mit Waffen zur Verteidigung gegen Russland zu versorgen. Berlin hat mehrfach Waffenlieferungen an Kiew zurückgewiesen.(APA/AFP/Reuters/dpa)

Litauen kündigt Raketenlieferungen an Kiew an

Kiew, Moskau, Vilnius – Litauen kündigt Raketenlieferungen in die Ukraine an. "Wir erhöhen die Zahl der Militärausbilder im Land und statten die Ukraine mit zusätzlichen Waffen und Ausrüstung aus", kündigt Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte bei einem Besuch in Kiew an. "Stinger-Flugabwehrraketen aus Litauen werden die Ukraine in den kommenden Tagen erreichen. Ich hoffe und wünsche mir aufrichtig, dass die Ukraine sie niemals einsetzen muss."

Die NATO drängt Russland unterdessen zu weiteren Gesprächen im NATO-Russland-Rat. Er habe einen Brief an den russischen Außenminister Sergej Lawrow geschickt und die Einladung zur Fortsetzung des Dialogs wiederholt, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Boris Johnson in Brüssel. Es gehe darum, auf dem diplomatischen Weg voranzukommen.

Die aktuelle Lage mit dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine beschrieb Stoltenberg erneut mit düsteren Worten. "Dies ist ein gefährlicher Moment für die europäische Sicherheit", sagte er. "Die Zahl der russischen Soldaten steigt, die Vorwarnzeit für einen möglichen Angriff wird kürzer."

Angesichts eines Aufmarschs von mehr als 100.000 Soldaten an der russischen Grenze zur Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in sein Nachbarland in Erwägung zieht. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die NATO-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Moskau will die NATO dazu bringen, eine weitere Ostererweiterung und insbesondere eine Aufnahme der Ukraine auszuschließen. Zudem verlangt Russland einen Rückzug von NATO-Truppen aus östlichen Bündnisstaaten. Einmarschpläne für die Ukraine werden hingegen regelmäßig dementiert.

Der NATO-Russland-Rat ist das wichtigste Forum für Gespräche zwischen Moskau und dem Militärbündnis. Bei der ersten Tagung seit rund zweieinhalb Jahren hatten sich beide Seiten im Jänner rund vier Stunden über den Ukraine-Konflikt und andere aktuelle Streitthemen ausgetauscht. Auf eine Einladung Stoltenbergs zu einer Reihe von weiteren Treffen hat Moskau bisher allerdings noch nicht reagiert. (APA/Reuters/dpa)