Corona-Krise

Kanadischer Truckerprotest findet Nachahmer

Kanadische Impfgegner blockieren in Windsor (Ontario) eine Zufahrtsstraße zur Grenzbrücke in die US-Autoindustrie-Metropole Detroit.
© AFP/Robins

In den kanadischen Blockaden drückt sich laut Sozialwissenschafterin Gugganig auch Unmut rechter Kreise über den liberalen Premier aus. Inzwischen gibt es rund um den Globus Konvois.

Ottawa – Als vergangenen Monat ein Lkw-Konvoi aus dem Westen Kanadas in Richtung der Hauptstadt Ottawa am anderen Ende des Landes aufbrach, wollten die Trucker zunächst nur gegen eine neue Impfpflicht für ihren Berufszweig demonstrieren. Nun aber blockieren Hunderte Lastwagen seit zwei Wochen das politische Zentrum des Landes. Die Demonstrationen weiteten sich zur Generalabrechnung mit den Corona-Maßnahmen der Regierung von Premier Justin Trudeau aus – und inspirieren seither ähnliche Proteste von oftmals rechten Gruppen weltweit.

Sie lassen die rot-weiße Landesflagge mit dem Ahornblatt wehen, auf einem Schild steht „Trudeaus neues Zuhause“ – darunter sind Gitterstäbe eines Gefängnisses gemalt. Allgegenwärtig ist dieser Tage auch das Wort „Freiheit“ in Ottawa und anderen Städten des Landes, in denen sich ähnliche Demonstrationen gegen eine gefühlte „Corona-Diktatur“ formierten.

Paradoxe Auswirkungen

Mit durchaus paradoxen Auswirkungen, wie die österreichische Sozialwissenschafterin Mascha Gugganig von der University of Ottawa berichtet. So hätten viele Geschäfte in der Innenstadt von Ottawa wegen der Proteste nicht aufsperren können, obwohl sie das nach dem Lockdown im Bundesstaat Ontario nun wieder dürften. „Die Menschen in Downtown sind einfach schon extrem fertig. Es stehen überall Lkw und Campervans, und die Trucker haben die ganze Zeit über ihre Hupen betätigt.“ Seit als Gegenmaßnahme ein zehntägiges Hupverbot für ganz Ontario verhängt worden sei, würden die Trucker den Lärm mittels Anstarten der Motoren erzeugen. Die Lärmbelastung sei aber nur eine Seite des Problems, sagt Gugganig, denn die Blockierer verhielten sich oft aggressiv gegenüber Passanten, etwa weil diese Masken tragen.

Viele der Demonstranten werden dem rechten Spektrum zugeordnet. Medien wie die US-Nachrichtenagentur Associated Press berichteten, vereinzelt seien auch Hakenkreuz-Flaggen zu sehen gewesen. Laut Gugganig liegen die Wurzeln der Proteste auch im Unmut konservativer Wähler gegen den Wiederwahl-Coup des liberalen Premiers Justin Trudeau. Es gebe Berichte, wonach die Proteste schon im Oktober vergangenen Jahres geplant gewesen seien. Seither habe dieser Protest offenbar eine neue Dynamik und Zulauf aus unterschiedlichsten Lagern bekommen, nicht zuletzt dank einer Unterstützerkampagne, die bisher rund 10 Millionen kanadische Dollar (6,89 Mio. Euro) eingebracht habe. Es gebe offenbar auch „einen großen Push von der US-Seite“. Viele Trucker bezögen sich auf ihren Transparenten auf Ex-US-Präsident Donald Trump. Es gibt aber auch jene, die nach zwei Jahren Restriktionen einfach genug haben.

Doch Kanadas Regierungschef Trudeau denkt bisher nicht daran, mit den Demonstranten zu verhandeln. Zuletzt machte der liberale Premier seinem Ärger über die Proteste deutlich Luft: Auch wenn er das Recht auf freie Meinungsäußerung und Kritik an der Regierung „immer verteidigen“ werde – „Sie haben nicht das Recht, unsere Wirtschaft zu blockieren, oder unsere Demokratie oder das tägliche Leben unserer Mitbürger. Es muss aufhören.“

Weite Teile der Bevölkerung trugen Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs mit. Die Maßnahmen machten den von früheren Popularitätswerten weit entfernten Politiker laut Umfragen sogar wieder beliebt. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Trendwende ab. Auch Anhänger des 50-Jährigen nehmen der grassierenden Omikron-Variante geschuldete Maßnahmen als übertrieben wahr. Vereinzelt bekommt Trudeau selbst aus seiner eigenen Partei Gegenwind.

Dabei sind die allermeisten seiner Landsleute den Impfstoffen gegenüber aufgeschlossen: Vier von fünf der 38 Millionen Einwohner Kanadas sind vollständig geimpft, ein Großteil befürwortet eine Impfpflicht und Einschränkungen für jene, die sich keine Spritze setzen lassen wollen. Im Jänner trat dann eine entsprechende Pflicht für Lkw-Fahrer in Kraft, die mit ihren Lastwagen die Landgrenze von den USA nach Kanada überqueren wollen.

Konvois auch in anderen Ländern

An dieser neuen Regelung entzündete sich der Protest der Trucker, der nun aus Ottawa in die Welt schwappt: An die kanadischen Demonstrationen angelehnte Konvois gibt es inzwischen auch in Australien und Neuseeland. In den USA berichteten Medien von einer Warnung des US-Heimatschutzministeriums, wonach sich ein Konvoi bereits am Sonntag aus Kalifornien ins Tausende Kilometer entfernte Washington in Bewegung setzen könnte.

Und in Paris und Brüssel haben die Behörden gestern Lkw-Demonstrationen verboten, die sich bereits auf den Weg in die Hauptstädte gemacht haben. (TT, dpa, APA)

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