Türkis-Grün stellt Paket vor: Parteifinanzen werden transparenter
Bei begründetem Verdacht erhält der Rechnungshof künftig die Möglichkeit, Einsicht in die Belege zu erhalten. Auch Spenden sollen transparenter gemeldet werden. Die Koalition hofft auf Zustimmung aus der Opposition.
Wien – Die Koalition ist sich bei der Reform der Parteifinanzen einig. Wie Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer und der VP-Abgeordnete Andreas Ottenschläger bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilten, wird der Rechnungshof künftig bei begründetem Verdacht die Möglichkeit zur Einsicht in die Belege erhalten. Im Streitfall entscheidet der VfGH. Ein eigener Bericht über Wahlkampfaufwendungen muss innerhalb von einem halben Jahr vorgelegt werden.
📽️ Video | Präsentation durch Maurer (Grüne) und Ottenschläger (ÖVP)
Transparenter werden soll das Spenden-Meldesystem. Namen (und Summen) der Geber genannt werden ab Zuwendungen von 500 Euro. Als Bagatellgrenze wird eine Zuwendung von maximal 150 Euro eingezogen. Zwischen 150 und 500 Euro werden Namen und Summen zwar dem Rechnungshof gemeldet, die Angaben werden aber nicht veröffentlicht.
Maurer nannte es als Ziel, dass das Gesetz mit möglichst breiter Mehrheit beschlossen wird. Daher soll es auch mit der Opposition Verhandlungen geben. Deren Vertreter waren schon heute Vormittag über den Gesetzesentwurf informiert worden. Ottenschläger betonte, man sei für Vorschläge der anderen Parteien offen.
Die Reform braucht eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und damit die Stimmen von SPÖ oder FPÖ.
Die Reform der Parteienfinanzierung im Überblick:
▶️ PRÜFRECHTE in den Parteien selbst hat der Rechnungshof derzeit nicht. Sollte er Unregelmäßigkeiten in der Parteibilanz ("Rechenschaftsbericht") vermuten, kann er nur Wirtschaftsprüfer mit der Nachschau betrauen. Künftig soll der Rechnungshof laut dem Entwurf, der der APA vorliegt, einem "begründeten Verdacht" auf Verletzung des Parteiengesetzes selbst nachgehen dürfen. Allerdings muss er der Partei vorher Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Im Zweifelsfall soll der Verfassungsgerichtshof entscheiden, ob der Rechnungshof wirklich prüfen darf. Der Rechnungshof selbst hatte deutlich weiter reichende Prüfrechte vorgeschlagen (nämlich die Prüfung der Verwendung der Parteienförderung). Dem sind ÖVP und Grüne soweit bisher bekannt nicht gefolgt.
▶️ VERMÖGEN und SCHULDEN sollen die Parteien künftig offenlegen. Dazu sollen sie im Rechenschaftsbericht sowohl ihre Aktiva auflisten (also Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Finanzanlagen und Guthaben oder Forderungen) als auch ihre Passiva (also Schulden und Rückstellungen). Die Landesorganisationen müssen deutlich weniger melden (nämlich nur Immobilien und Schulden über 50.000 Euro). Nicht offenlegen sollen die Parteien, bei wem sie ihre Schulden haben. Dies soll nur der Rechnungshof erfahren.
▶️ EINNAHMEN und AUSGABEN werden künftig ebenfalls detaillierter veröffentlicht – nämlich bis hinunter auf die Bezirks- und Gemeindeorganisationen.
▶️ WAHLKAMPFKOSTEN sollen die Parteien künftig spätestens sechs Monate nach der Wahl veröffentlichen – und zwar über einen eigenen "Wahlwerbungsbericht". Darin sollen die Parteien nicht nur auflisten, ob sie die Wahlkampfkostengrenze (derzeit 7,2 Mio. Euro) eingehalten haben. Anders als bisher sollen sie auch ihre Wahlkampfausgaben aufschlüsseln – also die Ausgaben für Werbung und Inserate, Agenturen inklusive Meinungsforschung, zusätzliches Personal und Wahlveranstaltungen. Erfasst werden sollen auch alle Teil- und Vorfeldorganisationen sowie Personenkomitees. Auch die Sozialpartner sollen über den laufenden Betrieb hinausgehende Wahlwerbungsausgaben offenlegen.
▶️ SANKTIONEN bei Verstößen werden verschärft. Gibt eine Parlamentspartei ihren Wahlkampfbericht oder den Rechenschaftsbericht nicht ab, soll sie bis zu 50.000 Euro bezahlen. In weiterer Folge könnte (wie schon bisher möglich) auch die Parteienförderung einbehalten werden. Überschreitungen der Wahlkampfkostengrenze sollen deutlich teurer werden (bis zum zweifachen der überhöhten Ausgaben). Parteien, die weder im Nationalrat, noch in Landtagen oder im EU-Parlament vertreten sind, trifft die Rechenschaftspflicht aber nicht mehr.
▶️ PARTEISPENDEN werden nach der Reform 2019 noch einmal neu geregelt: Die namentliche Nennung der Spender ist schon ab 500 Euro vorgesehen (bisher 2.573 Euro) – und zwar vierteljährlich. Anonyme Spenden sind nur noch bis 150 Euro zulässig (bisher 515 Euro). Im Gegenzug werden Spenden bis zu dieser Bagatellgrenze von 150 Euro nicht in die Obergrenze von maximal 772.000 Euro pro Jahr und Partei einberechnet. Bisher waren nur Zuwendungen bis 100 Euro bei "lokalpolitisch üblichen Veranstaltungen" ausgenommen. Einzelspenden über 7.720 Euro bleiben generell verboten.
Etwas verschärft werden die Regeln für die Veröffentlichung von Mitgliedsbeiträgen (ab 5.000 statt bisher 7.500) sowie Sponsorings (ab 7.500 statt bisher 12.350).
▶️ PARTEIENFÖRDERUNG wird von der Kann- zur Muss-Bestimmung. Damit wird per Verfassungsbestimmung fixiert, dass Bund und Länder die Parteien finanziell unterstützen müssen. Die Gemeinden dürfen das freiwillig tun. Auf Bundesebene wurden zuletzt knapp fünf Euro pro Wahlberechtigtem ausgeschüttet, in den Ländern teils deutlich mehr.
▶️ GESETZESLÜCKEN werden teilweise geschlossen. So konnten Vorfeldorganisationen der Parteien die Transparenzregeln teilweise umschiffen, wenn sie sich formal von der Partei trennten. Dazu hat beispielsweise die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) einen zusätzlichen Verein zwischen sich und die SPÖ geschalten. Dies wollen ÖVP und Grüne nun erschweren, indem sie den Begriff der parteinahen Organisation weiter fassen. Auch ein Schlupfloch für die Spendentransparenz in Parteizeitungen wird geschlossen. Diese gilt bisher nur, wenn die Partei selbst ein Medium herausgibt. Künftig gilt die Offenlegung von Inseraten über 2.500 Euro auch, wenn das Medium von einer parteinahen Organisation, einem Abgeordneten oder einem Kandidaten herausgegeben wird. (TT.com, APA)
Rechnungshof begrüßt Reform
Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker begrüßt die von den Koalitionsparteien vorgelegte Reform der Parteienfinanzierung. In einer schriftlichen Stellungnahme sprach sie von einem "wichtigen Schritt für mehr Transparenz und Kontrolle". Gleichzeitig äußerte sie die Hoffnung, dass auch die Oppositionsparteien diese Reform mittragen.
"Die Einigung der Regierungsparteien zur Reform des Parteiengesetzes ist ein wichtiger Schritt für mehr Transparenz und Kontrolle", teilte Kraker mit. "Der Rechnungshof soll unter anderem echte Prüf- und Einsichtsrechte in die Parteifinanzen erhalten. Darauf habe ich nachhaltig gedrängt", erinnerte die Präsidentin, die im vergangenen Herbst selbst einen Gesetzesentwurf ausarbeiten hatte lassen. Sie zeigte sich überzeugt davon, "dass es im demokratischen Wettbewerb klare Spielregeln geben muss. Und, dass die Einhaltung dieser Spielregeln vom Rechnungshof wirksam kontrolliert werden muss."
Kraker wünscht sich nun "zügige Beratungen" des Parlaments, um diesen Gesetzesvorschlag in die Tat umzusetzen. Und: "Ich hoffe sehr, dass auch die Oppositionsparteien diesen Reformschritt mittragen können. Wir brauchen eine neue Transparenzkultur in Österreich", betonte die RH-Präsidentin.
Die Regierungsparteien waren mit der Reform derartig in Verzug gewesen, dass sich Kraker vergangenen Herbst zu dem ungewöhnlichen Schritt veranlasst sah, einen eigenen, vom RH ausgearbeiteten Entwurf zu präsentieren. Dieser ging über das Regierungsprogramm hinaus: So schlug der RH etwa eine Zweckwidmung der Parteienförderung vor, die unter anderem das Bezahlen von Strafen daraus ausschließen sollte, sowie die Prüfung der zweckgemäßen Verwendung der Parteienförderung durch den Rechnungshof. Dem sind ÖVP und Grüne bisher nicht gefolgt.
Opposition verhandlungsbereit
Grundsätzlich positiv haben sich die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS am Montag zu den Reformplänen der türkis-grünen Koalition für die Parteienfinanzierung geäußert. Der Vorschlag war ihnen präsentiert worden, bevor ÖVP und Grüne damit am Montag an die Öffentlichkeit gingen. Bei aller Verbindlichkeit gab es aber auch Kritik, vor allem vonseiten der FPÖ.
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried unterstrich nach dem Fraktionengespräch, dass seine Partei für Transparenz stehe. Es sei die Sozialdemokratie gewesen, die eine Obergrenze in der Parteienfinanzierung geschaffen habe. Nun stehe der nächste Schritt an, und man werde sich konstruktiv an dieser Diskussion beteiligen.
Befremdet zeigte sich Leichtfried allerdings davon, dass der Rechenschaftsbericht der ÖVP für 2019 noch nicht vorliege, gehe es im Regierungsvorhaben doch sehr intensiv um genau diese Berichte. "Das erscheint mir schon recht scheinheilig", meinte er, es müsse da wohl irgendwelche Probleme geben. Von ÖVP-Seite betonte Mandatar Andreas Ottenschläger umgehend, dass der Bericht dem Rechnungshof bereits vorliege, aber noch nicht veröffentlicht sei.
Für die FPÖ kritisierte Generalsekretär Michael Schnedlitz, dass Transparenz sogar zurückgefahren werde. Derzeit seien etwa unter gewissen Voraussetzungen Sofortmeldungen von Spenden vorgesehen, dass solle hinkünftig entfallen. So könne etwa in Wahlkampfphasen die Spendentransparenz völlig zur Seite geschoben werden, meinte er.
Auch Umgehungsmöglichkeiten etwa für Personenkomitees, bei Inseraten von Ministerien oder bei Mitarbeitern in Ressorts sah er nicht konsequent angegangen. Und: "Dass die Bundespräsidentenwahl ausgenommen wurde, ist für uns absolut unverständlich", sagte Schnedlitz.
NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak äußerte sich positiver. Transparenz bei Parteifinanzen sei besonders wichtig, und was nun vorgeschlagen werde, sei jedenfalls eine Verbesserung gegenüber dem Status quo. Man werde den Vorschlag im Detail prüfen. Strengere Strafen seien wichtig. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich manche sonst nicht an die Regeln halten würden, sagte er.
Die Wiener Grünen haben unterdessen ähnliche Schritte auch für die Bundeshauptstadt gefordert. "Die Grünen haben sich immer für gläserne Parteikassen eingesetzt. Vorarlberg ging vor zwei Wochen voran, heute folgte ein Vorstoß auf Bundesebene, bei dem die Grünen viele Verbesserungen erreichen konnten. Jetzt muss auch Wien nachziehen", forderte Parteichef Peter Kraus. Verlangt werden unter anderem hohe Strafen bei der Überschreitung von Wahlkampfkosten. Auch Einschaurechte des Stadtrechnungshofs in Sachen Parteifinanzen sollen umgesetzt werden. Ein entsprechender Vorstoß wurde für die nächste Sitzung des Gemeinderats am Mittwoch angekündigt.