Caritas: Hilfe für die Ukraine wird ein Marathon, kein Sprint
Österreichs Caritas-Präsident Michael Landau lobt im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine die Solidarität und Hilfsbereitschaft. Diese werde jedoch einen „langen Atem“ benötigen.
Von Nikolaus Paumgartten
Innsbruck – Meetings via Zoom – daran hat man sich in Zeiten der Pandemie gewöhnt. Nicht aber, dass die Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung in einem Luftschutzbunker sitzt. Michael Landau, Caritas-Präsident von Österreich und Europa, steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Amtskollegin in der Ukraine, Tetiana Stawnychy. „1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas Ukraine sowie Tausende Freiwillige sind weiterhin vor Ort im Einsatz“, berichtete Landau gestern bei einem Besuch in Tirol. „Sie gehen in den Gefechtspausen aus den Bunkern und Kellern, um zu helfen“, beschreibt er die Lage. „Der Krieg in der Ukraine ist eine Niederlage für die Menschheit und die Menschlichkeit.“
Und dennoch – oder gerade deshalb: Mehr als 140.000 Menschen in der Ukraine haben seit Kriegsausbruch über das Caritas-Netzwerk Hilfe erhalten, 10.000 werden täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgt, 2000 konnten in sicheren Unterkünften außerhalb der umkämpften Städte untergebracht werden. Die Caritas in Europa hat bisher rund 18 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. „Wir bleiben bei den Menschen und fokussieren uns auf die Hilfe“, sagt Landau und erinnert an den Caritas-Leitspruch „Not sehen und helfen“.
Doch nicht nur in der Ukraine, auch in Österreich und Tirol ist die Caritas bei der Versorgung von vertriebenen Menschen engagiert. Der Caritas-Präsident lobt dabei die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie dem Roten Kreuz und der Diakonie sowie dem Innenministerium und das Engagement der Bevölkerung hierzulande. „Die humanitäre Hilfe ist in vollem Gange. Wir haben in Österreich einen hohen Grundwasserspiegel der Solidarität und Hilfsbereitschaft“, sagt Landau. „Die Hilfe wird aber einen langen Atem brauchen. Es ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Ein Hilfs-Marathon“, meint er. 70 Prozent der derzeit in Österreich registrierten Flüchtlinge sind weiblich, 35 Prozent unter 18 Jahre alt. Es werde massive Anstrengungen im Bereich der Kinderbetreuung, bei der Integration in den Arbeitsmarkt sowie bei der psychosozialen Betreuung brauchen. Landau betont jedoch auch, dass dabei nicht auf die Menschen in Not in Österreich vergessen werden dürfe. „1,2 Millionen sind armutsgefährdet, davon 291.000 Kinder und Jugendliche. Es braucht daher eine grundsätzliche Reform der Sozialhilfe, die sich an den realen Kosten orientiert“, fordert der Caritas-Präsident.
Ins selbe Horn stößt auch Tirols Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb: „Die militärische Aufrüstung darf nicht zur Abrüstung im sozialen Bereich führen.“ Angesichts der jüngsten Teuerungswelle sieht auch sie hier dringenden Handlungsbedarf, die Sozial- und Familienleistungen entsprechend anzupassen. Die Caritas Tirol widmet 100.000 Euro der gerade laufenden Haussammlung der Ukraine-Nothilfe und unterstützt zudem ihre Partnerdiözese Satu Mare in Rumänien, die durch ihre Nähe zur ukrainischen Grenze aktuell eine große Zahl an Vertriebenen betreut.
Wie sehr vor allem Kinder unter dem Krieg leiden, zeigen jüngste Zahlen des UN-Kinderhilfswerks Unicef: Mehr als die Hälfte aller Kinder in der Ukraine sind demnach seit dem Beginn der russischen Invasion vertrieben worden. Unicef schätzt rund 4,3 Millionen Vertriebene unter den 7,5 Millionen Kindern des Landes. Davon seien mehr als 1,8 Millionen als junge Flüchtlinge in Nachbarländern, während 2,5 Millionen in der Ukraine geblieben seien. Das UN-Menschenrechtsbüro hat seit Kriegsbeginn gesicherte Informationen zu 81 getöteten und 108 verletzten Kindern gesammelt. Die tatsächliche Zahl dürfte viel höher sein.