Überraschung, Triumphe und eine Ohrfeige: Das waren die Oscars 2022
Drei Preise für die Tragikomödie "Coda", einige Favoritensiege: Das war die Oscar-Gala 2022. Vor allem einer dürfte mit seinem Auftritt in Erinnerung bleiben: Will Smith, der gleich zweimal auf die Bühne kam. Erst ohrfeigte er Chris Rock, dann nahm er einen Oscar entgegen.
Los Angeles – Die Gehörlosen-Tragikomödie "CODA" wurde bei der 94. Oscar-Verleihung als bester Film geehrt. Das Remake der französischen Vorlage "Verstehen Sie die Beliérs?" durch Regisseurin Siân Heder ist damit der erste Film eines Streamingdienstes, der die Königskategorie für sich entscheiden konnte, läuft das Werk doch bei Apple TV+. Es erzählt von einem hörenden Mädchen, das in einer gehörlosen Fischerfamilie aufwächst.
Regisseurin Heder hat alle gehörlosen Figuren mit gehörlosen Schauspielern besetzt. So etwa Troy Kotsur, der den Oscar für den besten Nebendarsteller gewann. In der Tragikomödie spielt er den Vater der 17-jährigen Ruby, die als einziges Mitglied der vierköpfigen Fischerfamilie hören kann und von einer Karriere als Sängerin träumt. Kotsur ist gehörlos und hielt seine bewegende Dankesrede in Gebärdensprache.
Der Western "The Power of the Dog" von Jane Campion, der mit zwölf Nominierungen als Favorit ins Rennen gegangen war, gewann letztlich nur eine Auszeichnung für die beste Regie.
Eine Watsche von Will Smith
Doch das alles geriet über den Ausbrüchen von Will Smith eher in den Hintergrund. Der Grund? Nachdem der Komiker Chris Rock während der Verleihung einen Witz über Smiths Frau Jada Pinkett gemacht hatte, lief Smith auf die Bühne, gab Rock eine Ohrfeige und kehrte an seinen Platz zurück. Zweimal rief er anschließend in Rocks Richtung: "Lass den Namen meiner Frau aus Deinem verdammten Mund!" Abgesprochen oder spontan? Das blieb erstmal unklar.
📽️ Video | Will Smith ohrfeigt Chris Rock nach "Scherz "auf der Bühne
Rock hatte sich zuvor an Jada Pinkett Smith gewandt und gewitzelt: "G.I. Jane 2 – ich kann es nicht abwarten, das zu sehen." – eine Anspielung auf den Film "G.I. Jane", in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasierte. Jada Pinkett Smith hatte in der Vergangenheit offen über ihren Haarausfall gesprochen.
Als Will Smith schließlich den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in "King Richard" gewann, schien er sich in seiner Dankesrede für die vorherige Situation zu rechtfertigen. "Richard Williams war ein erbitterter Verteidiger seiner Familie", sagte er. Smith spielt im Film von Reinaldo Marcus Green den Vater der legendären Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams. Durch hartes Training und Beharrlichkeit ermöglichte er seinen talentierten Töchtern Sportkarrieren.
Er wolle sich bei der Filmakademie und den anderen Nominierten entschuldigen, sagte der 53-jährige Smith unter Tränen. "Kunst imitiert das Leben, und ich wirke wie der verrückte Vater (...) aber Liebe lässt einen verrückte Dinge machen." Er hoffe, dass die Filmakademie ihn wieder einlade.
Jessica Chastain wurde als beste Hauptdarstellerin für "The Eyes of Tammy Faye" ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede schlug sie ernste Töne an. "Wir sind mit Diskriminierung und einer bigotten Gesetzgebung konfrontiert, die über unser Land mit dem Ziel hinwegfegt, uns noch mehr zu spalten", sagte sie unter anderem in Hinblick auf die LGBTQ-Gemeinschaft. "Es gibt Gewalt und Hassverbrechen, ausgeübt an unschuldigen Bürgern überall in der Welt." In Zeiten wie diesen denke sie an Tammy und ihre radikale Liebe.
"The Eyes of Tammy Faye" ist eine Filmbiografie über die christliche TV-Predigerin Tamara Faye Messner, die in den 1970er und 1980er Jahren in den USA für Aufsehen sorgte. Wegen ihrer Toleranz und auch ihres Äußeren war sie für viele Nicht-Heterosexuelle eine Ikone.
Sechs Oscars für "Dune"
Die meisten Auszeichnungen des Abends konnte Denis Villeneuves zehnfach nominiertes Sci-Fi-Abenteuer "Dune" für sich reklamieren. Vor allem in den technischen Kategorien Sound, Kamera, Schnitt, Production Design und Visuelle Effekte sowie Filmmusik (Altmeister Hans Zimmer) war man erfolgreich und konnte sechs Trophäen mit nach Hause nehmen.
Bei den Animationsfilmen setzte sich wie erwartet das Disney-Musical "Encanto" durch, während Superstar Billie Eilish nach ihrer Performance in der Show auch den Oscar für den besten Song mit ihrem Bond-Credit "No Time to Die" einheimste. Zur Riege der Favoritensiege zählte auch jener des japanischen Kandidaten "Drive My Car" von Ryusuke Hamaguchi, der die Trophäe in der Sparte des Auslandsoscars holte. Der österreichische Beitrag, Sebastian Meises "Große Freiheit", hatte es hier nicht auf die Shortlist der letzten Fünf geschafft.
Immer wieder spielten die Rechte von Minderheiten bei der Oscar-Verleihung eine Rolle. Etwa in der Dankesrede von Ariana DeBose, die den Oscar als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle im Musical "West Side Story" bekam. Sie sagte zum Publikum: "Sie sehen hier eine offen queere, nicht-weiße Frau, eine Afro-Latina, die ihre Kraft und ihr Leben durch die Kunst gefunden hat."
Und auch die drei Moderatorinnen machten zum Thema, dass die Oscars jahrzehntelang Menschen, die nicht weiße Amerikaner sind, ignorierten. In einem vorgedrehten Video tourte etwa Gastgeberin Wanda Sykes durch das Academy Museum of Motion Pictures. Unter den Exponaten, die sie sich dort ansah, war auch ein Kasten ohne Inhalt, der der Schauspielerin Hattie McDaniel gewidmet sein sollte – die erste afroamerikanische Schauspielerin, die in der Kategorie als beste Nebendarstellerin gewann. Der leere Kasten erinnere auch an alle Oscars, die von schwarzen Regisseuren gewonnen wurden, scherzte sie.
Doch trotz politischer Untertöne blieb der aktuell größte Konflikt nur am Rande erwähnt. Stars wie Sean Penn oder die Moderatorin Amy Schumer hatten vor der Verleihung gefordert, dass der ukrainische Präsident Selenskyj zugeschaltet werden sollte. Doch daraus wurde nichts. Das Kriegsgeschehen spielte nur am Rande, etwa bei den Accessoires einiger Stars, eine Rolle. Selbst Mila Kunis, die in der Ukraine geboren wurde und zuletzt Millionensummen für Menschen in dem Land sammelte, sprach nur etwas allgemein von "jüngsten Geschehnissen". Für einen kurzen Schweigemoment wurde eine Solidaritätsbekundung mit der Ukraine eingeblendet. Es sei Realität, dass Millionen Familien in der Ukraine Essen, Medizin, sauberes Wasser und Notfallversorgung bräuchten. "Und wir – gemeinsam als globale Gemeinschaft – können mehr tun." (dpa, APA, TT.com)
🏆 Die Gewinner der 94. Oscar-Verleihung
🎬 Bester Film: "Coda" von Siân Heder
🎬 Regie: Jane Campion für "The Power of the Dog"
🎬 Hauptdarsteller: Will Smith in "King Richard"
🎬 Hauptdarstellerin: Jessica Chastain in "The Eyes Of Tammy Faye"
🎬 Nebendarstellerin: Ariana DeBose in "West Side Story"
🎬 Nebendarsteller: Troy Kotsur in "Coda"
🎬 Internationaler Film: "Drive My Car" von Ryusuke Hamaguchi
🎬 Kamera: Greig Fraser für "Dune"
🎬 Original-Drehbuch: Kenneth Branagh für "Belfast"
🎬 Adaptiertes Drehbuch: Siân Heder für "Coda"
🎬 Schnitt: Joe Walker für "Dune"
🎬 Filmmusik: Hans Zimmer für "Dune"
🎬 Filmsong: "No Time To Die" von Billie Eilish and Finneas O'Connell
🎬 Produktionsdesign: Patrice Vermette, Zsuzsanna Sipos für "Dune"
🎬 Ton: Mac Ruth, Mark Mangini, Theo Green, Goug Hemphill, Ron Bartlett für "Dune"
🎬 Visuelle Effekte: Paul Lambert, Tristan Myles, Brian Connor, Gerd Nefzer für "Dune"
🎬 Animationsfilm: "Encanto" von Byron Howard, Jared Bush
🎬 Animations-Kurzfilm: "The Windshield Wiper" von Alberto Mielgo und Leo Sanchez
🎬 Dokumentarfilm: "Summer of Soul (...Or, When the Revolution Could Not Be Televised)" von Ahmir "Questlove" Thompson, Joseph Patel, Robert Fyvolent and David Dinerstein
🎬 Dokumentar-Kurzfilm: "The Queen of Basketball" von Ben Proudfoot
🎬 Make-up/Frisur: Linda Dowds, Stephanie Ingram, Justin Raleigh für "The Eyes of Tammy Faye"
🎬 Kostümdesign: Jenny Beavan für "Cruella"
🎬 Kurzfilm: "The Long Goodbye" von Aneil Karia und Riz Ahmed