„Tennessee Blend“ in Innsbruck: Großer Bahnhof
Staatstheater und Feinripp Ensemble machen mit „Tennessee Blend“ Wildwest-Theater, das sich wie großes Kino anfühlt.
Innsbruck – „Tennessee Blend“ ist ein Theaterereignis. Kein bierernstes, versteht sich. Ein pralles, derbes, bisweilen saublödes und doch hochdramatisches Ereignis. Eines also, das es auch aushält, ernst genommen zu werden. Schon der Spielort für das Westernstück, das am Samstagabend uraufgeführt wurde, verspricht Spektakel: Die Remise des Innsbrucker Hauptbahnhofs ist seit 1902 in Vollbetrieb. Das riecht man. Manchmal hört man es auch. Theater wurde hier noch nie gespielt. Und eine Produktion, die fürs Publikum mit einer mehrminütigen Zugfahrt zum Schauspiel beginnt, gab es in Innsbruck auch noch nie. Das alles ist schon bemerkenswert. Aber es würde nicht reichen, wenn das, was in der Remise gegeben wird, nicht hält, was der große Bahnhof verspricht.
Doch weiß man sich bei „Tennessee Blend“ sofort in besten Händen: Ein Bürgerkriegsveteran (Thomas Gassner) fordert mehr Differenzierung in identitätspolitischen Debatten und schießt – alter, weißer Mann bleibt alter, weißer Mann – eine Sexarbeiterin (Bernhard Wolf) über den Haufen. Der Western ist ein grausames Genre, zynisch, sexistisch und rassistisch. Wer heute Western spielt, muss das mitdenken. „Tennessee Blend“ macht sich da keine Illusionen. Thomas Gassner, Bernhard Wolf und Markus Oberrauch vom Feinripp Ensemble haben das Stück geschrieben, zusammengebastelt aus tausendundeinem Film, mit Schenkelklopfern angereichert und in ein von dunklen Vorahnungen und irrwitzigen Rückblenden gut getaktetes Korsett mit Twist und Doppeltwist gesteckt.
Für die Illusionen sind Regisseur Gerald Votava und Staatstheater-Ausstatterin Esther Fromann zuständig. „Tennessee Blend“ fühlt sich wie Film an, wie großes Kino: mit fettem Soundtrack, Nebel, schönstem Technicolor-Rot, dazu Colts, Kautabak und kunstvoll abgetragene Kostüme. Das schönste trägt Carmen Gratl, die eine bigotte Betschwester mit Präzisionsgewehr spielt. Mit ihrer eher am Diesseitigen interessierten Schwester (Ute Heidorn) ist sie Teil einer Truppe versehrter Tunichtgute. Sie werden von einem rätselhaftes Rehäuglein (Daniela Bjelobradić) und ihrem Kompagnon (Markus Oberrauch) für einen Überfall angeheuert. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Genau genommen sogar nur die Hälfte der Hälfte.
Gespielt ist „Tennessee Blend“ hervorragend: manchmal parodistisch breit, dann wieder mit feinem Fokus auf die ganz großen Erschütterungen, die nur kleine Gesten brauchen. Kurzum: ein Spektakel. (jole)
Tennessee Blend. Bis 25. Mai. Nächste Vorstellung: heute, 19.30 Uhr, Bahnsteig 1, Hauptbahnhof Innsbruck. www.staatstheater.at