Krieg in Ukraine

Kreml und Kiew: Wie sich die Inszenierungen von Selenskyj und Putin unterscheiden

Hemdsärmelig und mit T-Shirt: So präsentiert sich Wolodymyr Selenskyj, seitdem Russland in seinem Land einen Krieg angefangen hat.
© IMAGO/Ukraine Presidency/Ukraine Presi

Die Bilder aus den Schaltzentralen der beiden Staatschefs könnten nicht unterschiedlicher sein. Während sich Putin – der seine Armee den Nachbarstaat attackieren ließ, kühl und distanziert gibt – erscheint Selenskyj volksnah und emotional. Beide wollen damit ihre Botschaften untermauern.

Kiew – Russlands Präsident Wladimir Putin im Anzug am elendslangen Tisch, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Kiews Straßen im Militäroutfit: Diese Bilder gehen seit Beginn des Ukraine-Krieges um die Welt. Obwohl man meinen könnte, die Inszenierungen könnten unterschiedlicher nicht sein, wird dasselbe Ziel verfolgt: "Die einheitliche durchgehende Vermittlung von Botschaften", sagte die Expertin für Medien und Politische Kommunikation, Natascha Zeitel-Bank.

Beide Staatschefs wollen mit ihren Auftritten in den unterschiedlichen Kommunikationskanälen Führungsstärke, Männlichkeit und nicht zuletzt die Nähe zur Bevölkerung demonstrieren. Dabei setzen sie auf zum Teil auf dieselben Instrumentarien, wie das Benützen von sogenannten "Powerwords" oder einer starken Bildsprache, erklärte Zeitel-Bank von der Universität Innsbruck.

In der Umsetzung konnte die Innsbrucker Wissenschafterin jedoch deutliche Unterschiede ausmachen: Während Putin mit nahezu unveränderter Mimik recht kühl agiert, spielt Selenskyj u.a. mit dem Erzählen von Schicksalen stark mit Emotionen.

Der russische Präsident inszeniert sich als kühler Staatsmann.
© IMAGO/Mikhail Klimentyev

Putin will Erinnerungen an "gute alte Zeiten" wecken

Putin ist in seinen Auftritten als Staatsmann "mal sportlich, mal elegant" unterwegs oder stellt die Unterstützung seiner Politik durch sein Volk etwa mit Sprechchören für den Staatschef zur Schau. Eine große Rolle spielen die gut kontrollierten staatlichen Medien, vor allem das Fernsehen. "Die staatlichen Medien erinnern an gute alte Zeiten, als Russlands Grenzen noch über den sogenannten Ostblock legitimiert wurden", beobachtete Zeitel-Bank. Die Propaganda landet laut der Wissenschafterin über das Bewegtbild direkt in den Wohnzimmern der Russen. Dabei werde der Hass gegenüber inneren und äußeren Feinden geschürt. Dies beeinflusse vor allem das Denken und Handeln der Landbevölkerung in dem dünn besiedelten, riesigen Flächenstaat.

Selenskyj ist dagegen in Sozialen Netzwerken umtriebiger. Zeitel-Bank attestierte ihm hier eine "starke Medienpräsenz", er sei "in der modernen Art der Einsetzung von Social Media wesentlich geschmeidiger unterwegs", beschrieb sie die Medienpolitik des 44-Jährigen. Zudem sei er von "Profis im Beraterstab" umgeben. Der Staatschef inszeniert sich - ganz anders als sein Kontrahent - im einfachen militär-olivgrünen T-Shirt, mit Drei-Tages-Bart und spricht vor einem kargen Hintergrund. Er will beweisen, dass er noch immer in Kiew ist, indem er mit dem eigenen Handy verwackelte Aufnahmen von seinen Amtsräumlichkeiten macht. Der ukrainische Präsident erreiche somit eine wesentlich jüngere Zielgruppe als Putin. Durch seine Auftritte versucht er zudem, westliche Entscheidungsträger zum Handeln zu bewegen.

Inmitten des Angriffskrieges ließ sich Putin in einem prall gefüllten Stadion feiern.
© IMAGO/Alexander Vilf

Für westliche Medien werden diese Inszenierungen jedoch zur Herausforderung. Vor allem die Flut der Bilder in Sozialen Medien erschweren es Journalistinnen und Journalisten zunehmend, zwischen manipulierten und authentischen Bildern und Videos zu unterscheiden. Social Bots - das Versenden von automatisierten Informationen - oder Deep Fake - bearbeitete Videos durch Lippensynchronisation, wobei Protagonisten andere Worte in den Mund gelegt werden - tun das ihre dazu.

Die Situation in Kriegsgebieten sei gefährlich, unübersichtlich und biete viele Raum für Fake News. "Es ist schwer, die Drahtzieher, die Wahrheit der Bilder sowie die tatsächlichen Geschehnisse vor Ort zu identifizieren", verdeutlichte die ehemalige Journalistin die Problematik. (APA)

Sichtlich gezeichnet: Der ukrainische Staatschef.
© imago/Ukrainian President Office