Osterfestival Tirol

„All the Good“ im Innsbrucker Congress: Reigen um Tränen aus Glas

Ein hier noch bekleideter Elik Niv im ausgelassenen Tanz mit Romy Louise Lauwers, dem Lover von Jan Lauwers ausgeflippter Tochter.
© Vicor Malyshev

Von Edith Schlocker

Innsbruck – Passend zum Karfreitag war es schwere Kost, die im Rahmen des Osterfestivals Tirol im Innsbrucker Congress serviert wurde. Geht es bei „All the Good“ des belgischen Theatermachers Jan Lauwers und seiner Needcompany doch um so ziemlich alles. Um Liebe und Sex in Zeiten von Krieg und Terror genauso wie um Hoffnung unter den Vorzeichen des Verlusts, um Kunst und Brot.

Zelebriert auf einer riesigen, chaotisch möblierten Bühne, auf der es knapp zwei Stunden lang sehr viel zu sehen, hören und lesen gibt. Was es einigermaßen anstrengend macht, dem Geschehen zu folgen, wird hier doch Hebräisch genauso wie Flämisch, Französisch, Englisch und sogar ein paar Brocken Deutsch gesprochen. So viel, dass das so manchem vielleicht zu viel war, auch in der Drastik, in der die elf Akteurinnen und Akteure hier zugange sind. Und so ziemlich alles mit allem verknüpft wird, auch das, was auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander zu tun zu haben scheint.

Doch Künstler müssten alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass ihre Poetik eine kraftvolle Antwort auf die alles verschlingende politische Erstickung ist, in der wir uns befinden, sagt Jan Lauwers, der Mastermind hinter „All the Good“, der seine Frau, seine ausgeflippte Tochter, seinen aufmüpfigen Sohn und dessen Muse in der Produktion sich selbst spielen lässt, während er seine eigene Rolle an einen Schauspieler delegiert, der rein äußerlich so gar nichts mit ihm gemein hat. Komplettiert durch Musiker, die nebenbei auch als Fuchs, Ratte oder Krähe gute Figur machen.

Fiktion und Realität verschmelzen in „All the Good“ zu einer rasanten Abfolge oft absurd überzeichneter und auf diese Weise bisweilen ins Komische abdriftender Bilder, wodurch die Dramatik der Themen, um die es geht, noch eindrücklicher daherkommt. Etwa die Rolle von Elik Niv, ein ehemaliger israelischer Elitesoldat, der sich selbst spielt. Und davon erzählt, jedem der palästinensischen Gegner, den er getötet hat, ein Ohr abgeschnitten zu haben. Um sich, nachdem seine eigenen Beine zerschossen wurden, zum Balletttänzer ausbilden zu lassen.

Dass nicht nur Lauwers’ Tochter diesen Elik sexy findet, können jedenfalls die weiblichen Zuschauer des Abends nach dessen Performance im Adamskostüm bestätigen. Aber auch Ikonen der Kunstgeschichte wie Courbets „Ursprung der Welt“, Picassos „Guernica“ und Rogier van der Weydens „Kreuzabnahme“ spielen in „All the Good“ eine zentrale Rolle, indem hier ganz genau hingeschaut, so manche klassische Deutung zur Disposition gestellt wird. Haben nach Lauwers’ Meinung Kunstwerke doch die Potenz, sichtbar zu machen, „was alle Lebenden und Toten übersehen haben, als sie zu schnell schauten“.

Schnell schauen war an diesem Abend allerdings dringend angesagt. So rasch drehte sich dieser oft bizarr zelebrierte Reigen rund um eine fragile, aus 800 Glasobjekten bestehende Installation, die genauso aus Christbaumkugeln wie dem islamischen Sinnbild für Tränen gepuzzelt sein könnte.

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