Koalition

Nehammer baut Team um: Tiroler Totschnig und Tursky neu in Regierung

Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Dienstag die Neuaufstellung im ÖVP-Regierungsteam präsentiert.
© ROLAND SCHLAGER

Nach den Rücktritten der Ministerinnen Schramböck (Wirtschaft) und Köstinger (Landwirtschaft) hat Kanzler Nehammer die neuen Köpfe im ÖVP-Regierungsteam vorgestellt. Der Osttiroler Norbert Totschnig wird neuer Landwirtschaftsminister, Platter-Kabinettschef Florian Tursky wird Staatssekretär für Digitalisierung.

Wien, Innsbruck – Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hat am Dienstag nach den Rücktritten der Ministerinnen Margarete Schramböck (Wirtschaft) und Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft) die neuen Mitglieder im ÖVP-Regierungsteam vorgestellt. Mit dabei sind auch zwei Tiroler.

Auch die Zuständigkeiten der Ministerien werden neu geordnet. Ein Ministerposten wird eingespart: Das Wirtschaftsressort wandert zu Arbeitsminister Martin Kocher. dafür gibt es zwei neue Staatssekretäre.

📽️ Video | Nehammer zur Umbildung der Bundesregierung

Tristacher Totschnig wird Köstinger-Nachfolger

Wie vorab berichtet wird der aus Tristach stammende 47-jährige Norbert Totschnig (bisher Direktor des österreichischen Bauernbundes) neuer Landwirtschaftsminister. Das wurde in der Nacht zwischen Nehammer, Tirols Landeshauptmann Günther Platter und dem Bauernbund so vereinbart.

Totschnig war in Zusammenhang mit der Reform der EU-Agrarpolitik in den vergangenen Monaten wichtiger Ansprechpartner für Tirol. Nach Andrä Rupprechter, der bis 2017 das Agrar-Ressort geführt hat, kommt jetzt damit erneut ein Tiroler im Landwirtschaftsministerium zum Zug.

Der gebürtige Lienzer Norbert Totschnig wird neuer Landwirtschaftsminister.
© Tiroler Bauernbund

Tursky wird Staatssekretär, Kocher wird "Super-Minister"

Und ein weiterer Tiroler wechselt nach Wien: Florian Tursky, bisheriger Kabinettschef von Landeshauptmann Platter, wird Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband im Finanzministerium. Diese Agenden waren bisher im Wirtschaftsministerium.

Neu geordnet wird auch der Bereich Wirtschaft. Arbeitsminister Martin Kocher bekommt die Wirtschaftskompetenzen dazu und wird damit neuer "Super-Minister".

Auch die Tourismusagenden werden vom Landwirtschafts- in das neue große Arbeits- und Wirtschaftsministerium übertragen. Dort wird dafür als neue Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, bisher Obfrau des Fachverbandes Hotellerie, zuständig sein.

Mehr Arbeit bekommt die schon mit Nehammers Antritt im Kanzleramt installierte Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm: Sie wird sich künftig auch um die Zivildienstagenden kümmern.

Martin Kocher wird "befördert" und ist künftig Arbeits- und Wirtschaftsminister.
© APA

Platter freut sich über Tiroler in Regierung

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) freute sich in einer Stellungnahme nach der Ankündigung Nehammers darüber, dass "Tirol künftig doppelt in der Bundesregierung vertreten sein wird". Beide seien "aufgrund ihrer Expertise und Erfahrung hervorragend für diese Funktionen geeignet", betonte Platter.

Angesichts der "aktuellen Lage in der Ukraine und der dramatischen Teuerung" sei es wichtig, dass die Personalentscheidungen innerhalb der Bundesregierung "rasch getroffen wurden und die Regierungsarbeit fortgesetzt wird", hielt der ÖVP-Landeshauptmann fest.

Nehammer-Lob für Totschnig und Co.

Auch Nehammer war voll des Lobs für seine neuen bzw. inhaltlich aufgewerteten Teammitglieder. Totschnig sei ein "großer leidenschaftlicher Kämpfer für die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern", aber auch "persönlich ein Freund", Tursky ein "guter Vertrauter", Experte und bewährter Krisenmanager, Kocher ein "absolut erfahrener Experte".

Plakolm habe in Fragen der Jugend schon bisher einen wesentlichen Beitrag geleistet und erhalte mit dem Zivildienst nun eine positive thematische Abrundung. Kraus-Winkler sei eine, die die Ängste, Nöte und Zukunftshoffnungen der Tourismusbranche aufnehmen könne.

Angelobung am Mittwoch um 8.30 Uhr

Bereits am Nachmittag führte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Gespräche mit den designierten Ministern und Staatssekretären, sagte der ÖVP-Chef. Die Angelobung erfolgt bereits am Mittwoch um 8.30 Uhr.

Am Dienstagabend tritt auch der ÖVP-Vorstand zusammen, wiewohl er die Personalauswahl bereits per Umlaufbeschluss akzeptiert hat - eigentlich wäre dies gar nicht notwendig gewesen, denn seit Sebastian Kurz' Statutenreform hat der ÖVP-Chef hier große Freiheiten.

Nötig für die Kompetenzverschiebungen ist eine Änderung des Bundesministeriengesetzes - also die Zustimmung des Grünen Regierungspartners. Mit diesen sei man in einer "wirklich guten, vertrauensvollen Zusammenarbeit", so Nehammer. Der Koalitionspartner sei daher vollinhaltlich informiert gewesen.

Kogler: "Brauchen handlungsfähiges Team"

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wollte sich auch gleich gar nicht "mit personalpolitischen Einzeldebatten aufhalten", hieß es in einer Stellungnahme. "Dafür sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu groß." Man brauche jetzt ein handlungsfähiges Team um Nehammer. "Wir sind daher froh, dass die Entscheidungen von der ÖVP rasch getroffen wurden und wir jetzt zügig weiterarbeiten können." Es stünden etwa der schrittweise Ausstieg aus russischem Gas, das rasche Vorantreiben der Energiewende, die Pflegereform und das nächste Maßnahmenpaket zur Abfederung der Teuerung "vor allem für jene, die es besonders brauchen" an.

Bei der Ressortzusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit geht Kogler davon aus, dass Kocher "sein neues Ressort gewissenhaft und mit der nötigen Sensibilität führen wird". "Als Grüne werden wir ganz genau darauf achten, dass gerade auch die Interessen der arbeitenden Menschen berücksichtigt werden."

📽️ Video | Opposition: Neubesetzungen sorgen für Kritik

Die kolportierten neuen Gesichter nach den Rücktritten von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) stoßen bei den Oppositionsparteien gar nicht auf Begeisterung. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos warf Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) schlechte Besetzungen von Ministerposten vor. Die SPÖ wird in der nächsten Nationalratssitzung einen Antrag auf Neuwahlen einbringen.

"Nach diesen beiden Rücktritten ist endgültig Game-Over. Die Regierung Nehammer ist gescheitert", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Für diese Regierung sei es an der Zeit, zur Seite zu treten. Die Zusammenlegung von Arbeit und Wirtschaft lasse nichts Gutes erwarten, glaubt SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kritisierte die türkisen Rochaden - in der derzeitigen Situation "wäre eine stabile Bundesregierung notwendig".

Auch die Freiheitlichen pochen auf Neuwahlen. FPÖ-Obmann Herbert Kickl ortete am Dienstag in einer Aussendung einen "ÖVP-Regierungsbasar", notwendig sei "ein Aufwachen des Bundespräsidenten", findet der FPÖ-Chef. Alexander Van der Bellen müsse "jetzt endlich seine staatspolitische Verantwortung leben und nicht wieder in den unreflektierten Angelobungstrott verfallen. Er muss diesem jämmerlichen ÖVP-Schauspiel ein Ende setzen", forderte Kickl. (TT.com)