Kultur Österreich

Belarus und der Ukraine-Krieg: "Opium" im Wiener Werk X

"Opium" kam im Werk X zur Deutschsprachigen Erstaufführung
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Bei der gestrigen Premiere des Stückes "Opium" von Witalij Korolew im Werk X in Wien-Meidling konnte man staunen: Der Ukraine-Krieg schon jetzt auf der Theaterbühne? Wie geht denn das? Ganz einfach. Man vergisst nämlich, dass im Donbass eigentlich schon seit Jahren Krieg herrscht. So hat Regisseur Harald Posch den 2015 veröffentlichten Theatertext nur mit einigen Österreich-spezifischen Zusatz-Infos angereichert und lässt das Stück 80 Minuten lang seine Wirkung tun.

"Opium" (der Titel spielt nicht auf die Droge, sondern auf das gleichnamige Parfum von Yves Saint Laurent an) spielt nicht in der Ukraine, sondern in Belarus. In einer Kleinstadt am Dnjepr lebt eine Mutter mit ihren beiden Söhnen. Diktator Lukaschenkow ist auf den Fernsehschirmen in der Wohnung allgegenwärtig, seine Politik hat unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Familie: Die verordneten Normen erzeugen Druck, die Inflation ist enorm, die Löhne sind niedrig. Während Andrej, der in Minsk Geschichte studieren will, für die Aufnahmeprüfung an der Universität lernt und auf einen studiengebührenfreien Studienplatz hofft, verliert der um ein paar Jahre ältere Bruder Kolja seine Arbeit. In Belarus findet er nur als Totengräber einen Job. Doch in der Ukraine soll es im Hinterland der Front gut bezahlte Arbeit geben, bei Schanz- und Befestigungsarbeiten. Die Mutter (Sylvia Haider) ist entsetzt und will Kolja (Sören Kneidl) nicht in den Krieg gehen lassen. Er geht dennoch.

Man ahnt, dass das im Rahmen einer Werkstatt für junge Dramatiker geschriebene und nun im Auftrag des Werk X übersetzte Stück für belarussische Verhältnisse ungewöhnlich offene Worte findet. Witalij Korolew, geboren 1983 in Minsk, hat aber ausgerechnet für eine ganz private Situation den treffendsten Ausdruck gefunden: Wenn Josephine Bloéb als Freundin von Andrej (Niklas Doddo) diesem eröffnet, dass sie ihn nicht liebt, ist das zu Herzen gehend - mehr als das brisante politische Drumherum, das in einer langen finalen und fatalen Auseinandersetzung Andrejs mit seinem Freund Stas (Luka Vlatković) und in aktuellen Einschüben über die Verstrickung österreichischer Politiker in das Putin-nahe Herrschafts- und Wirtschafts-System Russlands, die von der russischstämmigen Sängerin Victoria Nikolaevskaja zwischen Lied-Einlagen zum Besten gegeben werden, eingebaut wird.

Ausstatter Daniel Sommergruber setzt auf drei Spielebenen auf Realismus, zwischen dem ersten und zweiten Stock wird über eine Küchenleiter gewechselt. In den Laubengängen des ersten Stocks sitzen Streicher Maxim Franke und Schlagzeuger Fritz Rainer, geben den Ton vor und bewachen den "Gashaupthahn". Das Stück ist weniger ein Beitrag zur aktuellen Lage als eine Erklärung ihrer Vorgeschichte, die Darstellung einer deprimierenden Ausweglosigkeit, die durch die Ereignisse der vergangenen Wochen noch deprimierender und auswegloser wurde. Die österreichische Botschaft in Moskau hat dem noch eine Facette hinzugefügt. Nach dem langen Schlussapplaus verlas Regisseur und Theaterleiter Harald Posch einen bornierten Brief, mit dem die heimische Auslandsvertretung dem Autor ein Visum für die Teilnahme an seiner Premiere verweigerte.

Heute Vormittag wird von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) die Nachfolge von Harald Posch und Ali Abdullah als Leiter des Werk X bekanntgegeben. Man kann nur hoffen, dass im ehemaligen Kabelwerk auch künftig engagiertes, zeitgemäßes und politisches Theater den Ton angeben werden. Mit dieser Linie ist man nämlich in Meidling in den vergangenen Jahren nicht schlecht gefahren.

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