G7-Staaten wollen Ukraine notfalls jahrelang Waffen liefern
Die G7-Staaten fordern von der Regierung in Moskau ein sofortiges Ende des Kriegs in der Ukraine und wollen Russland andernfalls wirtschaftlich und politisch weiter isolieren. Das geht aus der Abschlusserklärung des dreitägigen Treffens der G7-Außenminister in Weißenhaus hervor, das am Samstag zu Ende ging. Darin fordern die sieben reichsten westlichen Industriestaaten zudem, den von Russland blockierten Export von Getreide aus der Ukraine wieder in Gang zu bringen.
Die Nahrungsmittel würden dringend gebraucht, um Hungersnöte zu verhindern. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warf Russland vor, auch einen "Korn-Krieg" zu führen. Russland versuche bewusst, den Ukraine-Krieg in der Welt, insbesondere in Afrika, auszuweiten, sagte Baerbock. Dass Russland die Häfen in der Ukraine blockiere und deshalb kein Getreide exportiert werden könne, sei kein Kollateralschaden des Krieges. "Wir dürfen nicht naiv sein", warnte Baerbock. Vielmehr bereite Russland damit den Nährboden, um den internationalen Zusammenhalt bewusst zu schwächen. "Durch Russlands Handeln fallen Lieferungen aus, steigen Preise nicht nur bei uns, sondern weltweit ins Unermessliche, und es droht brutaler Hunger." Bis zu 50 Millionen Menschen in Afrika und dem Nahen Osten seien dadurch zusätzlich von Hunger bedroht.
Begleitet werde dies von einer massiven Strategie der Desinformation, "die mit absurden Behauptungen versucht, Täter und Opfer umzukehren", sagte Baerbock mit Blick darauf, dass in vielen Ländern Afrikas der Westen für die Nahrungsmittel-Knappheit verantwortlich gemacht wird. Aber das sei nicht richtig. Es gebe keine Sanktionen gegen Getreide, "sondern die Sanktionen richten sich an das Machtzentrum des russischen Regimes, damit dieser völkerrechtswidrige Krieg unterbunden wird". Es müsse jetzt alles dafür getan werden, das Getreide in den ukrainischen Häfen zu exportieren. Dafür prüfe die G7 den Transport über den Landweg etwa mit Zügen über Rumänien oder eine Verschiffung über Häfen im Baltikum.
Russland wies die Verantwortung für die hohen Lebensmittelpreise und die Gefahr einer Hungerkrise umgehend zurück. Die Preise stiegen wegen der westlichen Sanktionen, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal. "Wenn man das nicht versteht, ist das entweder ein Zeichen von Dummheit oder für die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit", wandte sie sich an Baerbock.
Ein weiterer Grund für die globale Nahrungsmittelkrise liege zudem in dem Zerfall der Staatlichkeit der Ukraine - und auch dies habe der Westen zu verantworten. "Daran sind unter anderem die Vorgänger von Frau Baerbock schuld, die sich nicht nur in die Situation im Land eingemischt haben, sondern die Innen- und Außenpolitik der Ukraine per Hand gestaltet haben", behauptete Sacharowa.
Baerbock sah eine Lösung, diese sei aber technisch und politisch sehr anspruchsvoll, wie sie sagte. Dass Indien nun ein Ausfuhrverbot für Weizen verhängt habe, zeige "wie tief wir bereits in dieser Krise sind". Deswegen sei es so wichtig, dass die Weltgemeinschaft gemeinsam handele. Die G7 habe hier eine besondere Verantwortung und die besten Möglichkeiten, etwas zu erreichen. Die indische Regierung begründete ihren Schritt damit, Preissteigerungen im eigenen Land verhindern zu wollen. Indien ist weltweit der zweitgrößte Weizenproduzent.
Den G7 gehören Deutschland, die USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien und Japan an. Deutschland hält in diesem Jahr die G7-Präsidentschaft, weshalb Baerbock ihre Kollegen nach Schloss Weißenhaus an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins einlud. Hauptthema war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Freitag nahm auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba an den Beratungen teil. Dabei bekräftigte er seinen Appell an die G7, dass die Ukraine auch weiterhin vor allem schwere Waffen brauche, um sich gegen den russischen Angriff zu stemmen. Die G7 haben grundsätzlich ihre Solidarität und Unterstützung der Ukraine bekräftigt.
Nach Abschluss des G7-Treffens kommen die NATO-Außenminister am Samstagnachmittag und Sonntag zu Gesprächen in Berlin zusammen. Daran soll auch US-Außenminister Antony Blinken teilnehmen, der sich in Weißenhaus wegen einer Corona-Infektion noch hatte vertreten lassen. An den NATO-Beratungen nehmen auch die Außenminister Finnlands und Schwedens teil, die dem Bündnis nicht angehören. Finnland hatte am Donnerstag aber angekündigt, sich für eine Aufnahme in das Bündnis zu bewerben. Auch von Schweden wird ein solcher Schritt erwartet. Die NATO hat bereits erklärt, eine Aufnahme beider Länder stehe nichts im Wege.
Die Türkei hat allerdings Bedenken. Die Aufnahme neuer Mitglieder muss von den 30 NATO-Staaten einstimmig beschlossen werden. Baerbock betonte wie auch Kanadas Außenministerin Melanie Joly, jedes demokratische Land habe das Recht, seine Bündniszugehörigkeit selbst zu entscheiden. Die deutsche Regierung unterstütze einen NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens. Die schwedische Außenministerin Ann Linde sagte in Stockholm, eine Mitgliedschaft ihres Landes würde die Schwelle für militärische Konflikte erhöhen und damit eine konfliktverhindernde Wirkung in Nordeuropa haben. Es wird erwartet, dass Schweden am Montag einen Antrag stellt und damit Finnland folgt.