Hansi und sein „potschertes Leben“
Europameister, Chartstürmer, Kultfigur: Kein anderer Boxer hat die Österreicher so begeistert wie Hans Orsolics. Seinem frühen Aufstieg folgte der tiefe Fall. Heute feiert er im kleinen Kreis seinen 75. Geburtstag.
Wien – „I hob valuan, wie nur ana valieren ko, der a Herz statt an Hirn hat. Aber i genier mi ned, i hob euch alles gebm.“ Die Liedzeile aus dem Gassenhauer „Mei potschertes Leben“ (1986) wirft ein Schlaglicht auf den ereignisreichen Lebenswandel, gespickt mit Tiefschlägen, von Box-Legende Hansi Orsolics. Heute hingegen gibt es für ihn Grund zum Feiern: Der gebürtige Burgenländer aus Neuberg wird 75 Jahre alt und wundert sich nach eigener Aussage darüber, „wie ich so alt werden konnte“.
Beim Anblick des 1,70 Meter großen, fragilen Mannes würde heute niemand ahnen, dass er einmal zwischen den Seilen Furcht und Schrecken verbreitet hat. Sein bewegtes Leben hat Hans Orsolics gezeichnet. Auch mit den Diagnosen Parkinson und Alzheimer-Demenz muss er seit einiger Zeit leben. Das Sprechen fällt dem echten Kämpfer schwer, die Mobilität lässt nach. Rund um die Jahrtausendwende war Orsolics als Ehrengast bei einer von Rainer Salzburger organisierten Boxnacht in der Innsbrucker Olympiahalle eingeladen. „Ein außerordentlich netter Kerl, der leider falsch beraten worden ist und dann auch fallengelassen wurde“, erinnert sich der Kramsacher, der früher auch Orsolics’ Sparringpartner war. Als Ex-ORF-Sportjournalist Sigi Bergmann im März starb, verlor er einen Lebensmenschen. „Der Tod vom Sigi hat ihn wirklich getroffen“, sagte eine Bekannte.
Nur wenige haben die heimische Sportgeschichte mit der gleichen Schlagkraft wie Orsolics geprägt. Von 53 Kämpfen hat er 42 gewonnen, davon 28 durch K. o. Zweimal war der Rechtsausleger Europameister, das erste Mal 1967 als bis dahin jüngster Boxer. Eine Zeit lang hielt Orsolics Platz eins der Weltergewicht-Weltrangliste, und die Massen liebten den in kargen Verhältnissen in Wien aufgewachsenen Rauchfangkehrer-Gesellen. Mehrmals füllte „Hansi“ die Stadthalle bis auf den letzten Platz. Auch Künstler wie Helmut Qualtinger und André Heller zog er wie magisch an.
Die (Lebens-)Wende kam im September 1970 mit einer niederschmetternden K.-o.-Niederlage gegen den US-Amerikaner Eddie Perkins. Ein unnötiger Kampf, in den ihn sein Management gehetzt hatte, um für ein mögliches WM-Duell Werbung zu machen. Nach einigen weiteren Niederlagen war schließlich 1974 das Ende der Boxkarriere da. Danach ließ ihn das Schicksal in eine Abwärtsspirale taumeln: ein missglückter Ausflug in die Gastronomie, Schulden, die Scheidung von seiner ersten Frau, ein überbordendes Alkoholproblem, das zu Schlägereien, Messerstechereien und ins Gefängnis führte. Episoden wie aus einem Hollywood-Drama.
Also sang Hansi im Schlager „Mei potschertes Leben“ mehr schlecht als recht, aber ungemein authentisch. Die Single stieß sogar Falcos „Jeanny“ von der Spitze der österreichischen Hitparade. Ein Album und Live-Auftritte halfen dabei, einen großen Teil seiner Schulden zu begleichen. 2009 wurde bei dem jahrelangen Raucher Lungenkrebs diagnostiziert und ein Tumor am rechten Lungenflügel entfernt. Seine zweite Ehefrau Roswitha war die wichtige Stütze, „ihr kann ich alles verdanken!“, sagte er. Ein rauschendes Fest wie früher lässt die Gesundheit heute nicht mehr zu. (ben, APA)