E-Autofahrer bekommen Geld von Ölmultis
Ölkonzerne wollen in Deutschland ihre CO2-Bilanz mit jährlichen Prämien an Fahrer von E-Autos aufhübschen. Kritiker nennen es Freikaufen.
Berlin –„Geld verdienen mit dem Elektroauto.“ In Deutschland bietet die Ölindustrie Besitzern eines Elektrofahrzeuges eine Prämie von über 300 Euro im Jahr. Schnell und unbürokratisch soll das Geld fließen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Man muss nur ein Auto mit reinem Batterieantrieb oder einen größeren Elektroroller besitzen und einen Führerschein haben. Das Programm kommt so gut an, dass sich beim deutschen Umweltbundesamt, wo das Ganze abgewickelt wird, ein Stau an Prämienanträgen gebildet hat.
Was hat es mit diesen THG-Prämien – THG steht für Treibhausgas – auf sich? Die THG-Quote verpflichtet auch die Mineralölfirmen dazu, ihren CO2-Ausstoß von Jahr zu Jahr zu senken. Wenn sie das nicht aus eigener Kraft schaffen, müssen sie zahlen. Österreich beispielsweise muss seine Treibhausgas-(THG)-Emissionen bis 2030 um 55 % gegenüber dem Stand von 1990 reduzieren.
Um die Quote zu erfüllen, haben die Konzerne bisher vor allem Biokraftstoff aus Getreide oder anderen Pflanzen dem Sprit beigemischt – beim Benzin bis zu zehn Prozent (E10), beim Diesel bis zu sieben Prozent (B7).
Doch mit jährlich steigenden Minderungsquoten fällt es Konzernen wie Aral oder Shell immer schwerer, nur mit dem Biosprit um Strafzahlungen herumzukommen. Ein Ausweg: Sie können Verschmutzungsrechte von sauberen Akteuren einkaufen, um die gesetzlichen Vorgaben zumindest auf dem Papier zu erfüllen. Die reichen die Kosten weiter: Bezahlen müssen am Ende diejenigen, die noch immer mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sind.
Der Handel mit CO2-Zertifikaten war bisher Unternehmen vorbehalten. In Deutschland dürfen seit Jahresbeginn auch Private bei diesem Geschäft mitmischen. Damit sich das deutsche Umweltbundesamt nicht mit unzähligen Einzelanträgen herumschlagen muss, kommen Zwischenhändler ins Spiel, die die Formulare zur CO2-Minderung bündeln und diese dann im Paket prüfen lassen, um sie auf dem Markt anzubieten. Trotzdem gibt es bei der Behörde einen Antragsstau, so dass sich die Halter der Fahrzeuge gedulden müssen. Neben den klassischen Stromversorgern und Mobilitätsanbietern sammeln rund 40 Start-up-Unternehmen wie Emobia, Klima-Quote.de oder Fairnergy die THG-Quoten ein und überweisen an die Halter eines E-Autos jeweils bis zu 350 Euro im Jahr pro Fahrzeug. Nur Plug-in-Hybride sind ausgeschlossen, weil sie auch mit fossilem Kraftstoff betankt werden können.
Der deutsche Autofahrerclub ADAC begrüßt diese Regelung. Differenzierter sieht man die THG-Quote für Elektroautos bei Umweltverbänden. „Sie ist nicht schädlich, aber bringt den Klimaschutz leider viel zu wenig voran“, sagt Greenpeace-Experte Tobias Austrup. „Rund 300 Euro sind ein zu mickriger Anreiz, um auf Elektromobilität umzusteigen.“ Die staatliche Kaufprämie in Deutschland sei 20-mal so groß. „Ich müsste dieses E-Auto also 20 Jahre lang fahren, um eine vergleichbare Förderung zu erhalten. Das bringt also nicht wahnsinnig viel.“
Für einen schnellen Umbau der Mobilität fordert Greenpeace andere Instrumente. „Eine Neuzulassungssteuer für Autos mit hohem Spritverbrauch würde einen deutlichen Fortschritt bringen. Das zeigen etwa Erfahrungen aus den Niederlanden, wo gleich beim Kauf oder bei der Erstanmeldung eines besonders klimaschädlichen Verbrenners auch mal 20.000 Euro oder mehr fällig werden.“ Das habe die Autoflotte klimafreundlicher gemacht.
Mit der Regelung sollten eigentlich die Ölkonzerne motiviert werden, sich zu wandeln, sagt Austrup. „Mit der THG-Quote müssen sie aber ihr Geschäftsmodell nicht grundsätzlich ändern. Die THG-Quote erzeugt diesen Transformationsdruck nicht. Es handelt sich eher um ein klassisches Freikaufen.“
Stellvertretend für die THG-Skeptiker steht auch der populäre Youtuber Oliver Krüger, der in seiner Firma drei Elektroautos einsetzt. Krüger ist überzeugt , dass die THG-Prämie für einen Elektroauto-Besitzer keinen Effekt in Sachen Klimawandel hat. „Wer sich ein E-Auto kauft, macht das nicht wegen 300 Euro oder etwas mehr, die man hier kurzfristig kassieren kann.“.
Letztlich diene das System nur dazu, die Ölindustrie in einem grünen Gewand erscheinen zu lassen, meint Krüger. „Die Konzerne können rein rechnerisch ihren CO2-Fußabdruck verringern, ohne tatsächlich was für den Stopp des Klimawandels unternommen zu haben.“ (dpa)