Eishockey

ÖEHV-Team mit historischem Erfolg bei WM gegen Tschechien

Zum ersten Mal konnten die Österreicher gegen die Tschechen gewinnen. Der Ausgleich 37 Sekunden vor Schluss leitete den Sieg im Penaltyschießen ein.
© IMAGO/Michal Kamaryt

Die Österreicher gewannen nach Penaltyschießen mit 2:1. Den Ausgleich zum 1:1 schaffte das ÖEHV-Team erst 37 Sekunden vor Schluss. Kapitän Raffl wurde im Spiel geschont, am Mittwoch steht Norwegen auf dem Programm.

Tampere, Helsinki – Zwei Tage nach dem sensationellen Punktgewinn gegen die USA hat Österreichs Eishockey-Nationalteam bei der WM in Tampere eine noch größere Überraschung geliefert. Das ÖEHV-Team besiegte am Dienstag den sechsfachen Weltmeister Tschechien mit 2:1 nach Penaltyschießen (0:1,0:0,1:0,0:0,1:0) und feierte damit das erste Erfolgserlebnis gegen Tschechien überhaupt.

"Die Defensive war sehr gut, das Boxplay (Anm.: Unterzahl) Weltklasse. Die Tschechen hatten es trotz vielen guten Spielern schwer, bei uns vorbei zu kommen. Das war schon exzellent, wie wir das gespielt haben", freute sich Teamchef Roger Bader.

Ausgleich 37 Sekunden vor Schluss

Der sichere Torhüter Bernhard Starkbaum musste sich nur bei einem Schuss von Kapitän Roman Cervenka (18.) geschlagen geben. 37 Sekunden vor Schluss erzielte Brian Lebler den Ausgleich. Im Penaltyschießen wehrte Starkbaum drei tschechische Versuche ab, Peter Schneider verwertete als einziger Spieler seinen Versuch. Es war erst der zweite Sieg gegen eine Top-Sechs-Nation seit 75 Jahren nach dem 3:0 am 6. Mai 2001 gegen die USA bei der WM in Köln.

Nach drei Spielen gegen Medaillenanwärter hält Österreich damit sensationell bei drei Punkten, der Kampf um den Klassenerhalt beginnt aber erst jetzt so richtig. Am Mittwoch (15.20 Uhr/ORF1) wartet Norwegen, es ist das erste von zwei direkten Duellen gegen den Abstieg. Ein Erfolg gegen die seit 2006 permanent in der A-Gruppe spielenden Skandinavier würde wohl schon das Ticket für die A-WM 2023 bedeuten.

Der Erfolg muss also schnell abgehakt werden. "Die Mannschaft hat Grund, sich zu freuen, muss aber auf den Boden kommen, weil morgen ist eine schwere Partie", forderte Bader. "Norwegen hatte heute spielfrei und wir haben viel Kraft gebraucht. Norwegen ist seit 15 Jahren in der A-Gruppe, das wird eine harte Partie. Die Mannschaft ist so fokussiert, so aufnahmefähig, hat einen so guten Charakter, dass es uns gelingen wird, uns auf den nächsten Schritt zu konzentrieren", ist der Schweizer überzeugt.

Stark umgestelltes Team

Er schonte gegen Tschechien seinen ältesten Feldspieler, der 35-jährige Kapitän Thomas Raffl durfte Kraft sparen. Da auch Benjamin Baumgartner nach seiner gegen die USA erlittenen Verletzung für den Rest des Turniers ausfällt, stellte Bader kräftig um. Stürmer Simeon Schwinger kam zu seinem WM-Debüt, Verteidiger Clemens Unterweger nach überstandener Verletzung zu seinem ersten Einsatz in Tampere, dafür rückte Nico Brunner in den Angriff. Paul Huber ersetzte Raffl in der zweiten Sturmlinie, Ali Wukovits übernahm statt Baumgartner die Center-Position der dritten Linie. Im Tor kam wieder Starkbaum zum Einsatz, der gegen die USA so starke David Kickert erhielt im Hinblick auf Mittwoch eine Auszeit.

Die Österreicher zeigten dieselben Tugenden wie schon gegen Schweden (1:3) und USA (2:3 n.V.) und wurden im 20. Duell mit Tschechien mit dem ersten Sieg belohnt. Die Bader-Truppe arbeitete defensiv stark und ließ dem mit sieben NHL-Spielern angetretenen Favorit nicht all zu viele Chancen. Ein Gegentreffer in der Anfangsphase wurde wegen Torhüterbehinderung nach Video-Überprüfung annulliert (8.), Starkbaum und Co. überstanden danach vier Minuten Unterzahlspiel. In der 18. Minute schlugen die Tschechen aber durch Cervenka zu.

Nach torlosem Mitteldrittel kämpften die Österreicher um die Chance auf den historischen Erfolg und wurden belohnt. "In der zweiten Pause habe ich gesagt: keine ehrenvolle Niederlage, wir wollen das Spiel noch drehen und gewinnen. Die Mannschaft hat ein gewisses Selbstvertrauen aufgebaut, es wäre falsch gewesen, beim Stand von 0:1 zu sagen, wir schonen uns für morgen", erklärte Bader.

Schweden und Schweiz bei WM mit jeweils dritten Siegen

Schweden hat sich in der Österreich-Gruppe der Eishockey-WM nach einem 6:0 gegen Großbritannien vorerst an die Spitze gesetzt. Die Skandinavier lagen in Tampere am Dienstag schon nach dem ersten Drittel 5:0 voran. Anton Bengtsson und Verteidiger Rasmus Dahlin verbuchten am Ende jeweils drei Scorerpunkte. Auch die Schweiz wahrte in Helsinki ihre weiße Weste. Nach Siegen gegen Italien und Dänemark siegten die Schweizer in der Gruppe A mit 3:2 auch gegen Kasachstan

Lebler mit dem Ausgleich

Er nahm im Finish Starkbaum für einen sechsten Feldspieler vom Eis und Lebler stocherte die Scheibe 37 Sekunden vor Schluss über die Linie. Der Treffer zählte nach Videoüberprüfung. "Es war schon Verzweiflung, wir haben alles nach vor geworfen, der Puck ist gekommen, es war dann ein Kampf um den Puck und auch ein bisschen Glück", beschrieb Lebler die Szene. Der Torjäger, der gegen die USA den entscheidenden Scheibenverlust produziert hatte, erschien in kurzen Haaren. "Nach dem Turnover gegen USA musste ich was ändern", begründete er seinen Friseurbesuch.

Auch die Overtime überstanden die Österreicher ohne große Probleme. In der Entscheidung agierte Schneider bei seinem Versuch trickreich und verwertete als Einziger der zehn Schützen. "Ich habe beim Penalty drei Optionen gehabt. Mit dem Goalie habe ich zusammen in Brünn gespielt, daher wollte ich nichts machen, was ich vorher schon gemacht habe", erzählte Schneider, der in seiner Jugend in Tschechien in der Schule und im Eishockey ausgebildet worden ist. "Es ist ein Wahnsinn. Ich bin super stolz auf die Jungs und glücklich, weil wir uns das wirklich verdient haben. Wir haben uns endlich belohnt", sagte Schneider.

Zweiter Matchwinner im Penaltyschießen war Starkbaum, der drei tschechische Versuche parierte. "Bei den Penaltys konzentriere ich mich darauf, den Spieler den ersten Move machen zu lassen und darauf zu reagieren. Zum Glück ist das gelungen", sagte er. "Das ist ein riesengroßer Mannschaftserfolg, wir können echt stolz sein. Jetzt geht es aber erst richtig weiter. Wir müssen uns schnell regenerieren, müssen fokussiert sein, das ist ein Schlüsselspiel", forderte der Torhüter.

Bei den Tschechen gab es im Vorfeld interne Probleme. Nach einer Rauferei zwischen Dominik Simon und Filip Hronek wurde Simon nach Hause geschickt. (APA)

Die größten ÖEHV-Überraschungen der WM-Geschichte

2:1 gegen Schweden (23.2.1947 in Prag): Bei der ersten Nachkriegs-WM in der Tschechoslowakei gewannen die Österreicher dank des 2:1 gegen Schweden im letzten Spiel die zweite WM-Bronzemedaille nach 1931 und machten die Gastgeber zu Weltmeistern. Den Schweden hatte ihr König schon zuvor in einem Telegramm zum Titel gratuliert - voreilig, wie sich herausstellen sollte.

3.5.1994 (Italien): Mit einem 10:0-Sieg über Großbritannien in Bozen warf Österreich unter Ken Tyler Deutschland aus dem Bewerb und stieg zwei Jahre nach dem Aufstieg und zum bisher einzigen Mal in der Neuzeit ins Viertelfinale auf.

3:3 gegen Finnland (2.5.2000 in St. Petersburg): Dank eines Treffers von Christoph Brandner in der Schlussminute gelang dem Team von Ron Kennedy die Sensation gegen den Vize-Weltmeister. Es war das erste Erfolgserlebnis gegen eine große Nation seit dem Aufstieg 1992.

3:0 gegen USA (6.5.2001 in Köln): Erstmals seit 54 Jahren gelang bei der WM ein Sieg über einen der "Großen Sechs". Reinhard Divis feierte ein "shutout", die Tore für die Kennedy-Truppe erzielten Verteidiger Peter Kasper in Unterzahl (45.), Dieter Kalt jun. (58.) und Günther Lanzinger (59.).

2:2 gegen Kanada (25.4.2004 in Prag): Divis, Vanek und Co. brachten Weltmeister Kanada an den Rand einer Niederlage. Nach 2:0-Führung kassierte die Mannschaft von Teamchef Herbert Pöck zwei späte Gegentreffer (51., 56.), durfte sich aber über den bisher einzigen Punktgewinn gegen den Rekordweltmeister in einem Pflichtspiel freuen.

2:1 n.P. gegen Tschechien (17.5.2022 in Tampere): Zwei Tage nach dem überraschenden Punktegewinn gegen die USA feierte die Mannschaft von Roger Bader einen historischen Erfolg gegen Tschechien. Brian Lebler erzielte 37 Sekunden vor Schluss den Ausgleich, Peter Schneider verwertete als einziger seinen Penalty, Torhüter Bernhard Starkbaum parierte drei Versuche der mit sieben NHL-Spielern angetretenen Tschechen.

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