Nationalrat

Keine Schonung für die Neuen: Opposition übte Kritik im Nationalrat

Nehammer im Nationalrat: „Wir haben zusammengeführt, was aus unserer Sicht zusammengehört.“
© APA/Schlager

Kanzler und Vizekanzler präsentieren die ÖVP-Newcomer im türkis-grünen Team. Oppositionelle beklagen ständigen Personalwechsel, orten „Konkurs“ der Regierung.

Von Karin Leitner

Wien – Alle sind vor Ort, Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre. Zwei andere, die schon da sein sollten, sind es noch nicht. Die Regierungserklärungen von Kanzler und Vizekanzler stehen an.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka versucht, die Wartezeit zu überbrücken; er begrüßt Schüler auf der Besuchergalerie. Nun betreten der Türkise Karl Nehammer und der Grüne Werner Kogler den Plenarsaal. Nehammer ist sofort am Wort. Dank an und Lob für die bisherige Wirtschafts- und die bisherige Agrarministerin gibt es; Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger sind ja vergangene Woche, kurz vor dem ÖVP-Parteitag, zurückgetreten. Die neuen in seiner Riege – Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sowie die Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky – preist Nehammer an. Sie seien Profis auf den nun zu verantwortenden Gebieten.

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„Haben zusammengeführt was zusammengehört"

Die Veränderungen bei Ressortzuständigkeiten – vor allem die Bündelung von Arbeit und Wirtschaft – wird kritisiert. Nehammer kontert: „Wir haben zusammengeführt, was aus unserer Sicht zusammengehört.“

Auch Kogler dankt Köstinger und Schramböck. Sie hätten „in herausfordernden Zeiten“ für eine Regierung gewirkt. „Respekt vor der Ausübung der Ämter“ mahnt er ein. Rasch habe die ÖVP nach dem Abgang der beiden gehandelt: „Das Staatsschiff ist nicht geschlittert.“ Wie der deutsche SPD-Kanzler Olaf Scholz diagnostiziert Kogler eine „Zeitenwende. Darum muss auch die Politik eine andere sein.“ Dieser Ansicht sind die Oppositionellen ebenfalls. Wenngleich in anderem Sinne, als Kogler das meint. Schluss müsse sein mit der türkis-grünen Koalition, befindet SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried; einen Wahlantrag bringt er ein.

Leitfried ortet „politischen Konkurs"

„Diese Regierung ist mit sich selbst beschäftigt, bringt nichts mehr zustande“, konstatiert Leichtfried: „Sie müssen jetzt entscheiden, ob Sie weiter aneinander, an der Macht kleben oder Ihre Verantwortung für die Republik wahrnehmen.“ Auf die bisher drei Kanzler, drei Gesundheitsminister und 14 Regierungsumbildungen verweisend, sagt er: „Ein Unternehmen, das ständig nur mit der Umstrukturierung seines Vorstandes beschäftigt ist, wäre längst im Konkurs. Was Sie machen, ist vorsätzlicher politischer Konkurs.“

Kickl wird nicht „ausgeliefert“

Wien – FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wird vom Nationalrat nicht „ausgeliefert“. Das ist gestern im Immunitätsausschuss des Parlaments einstimmig beschlossen worden.

Der Magistrat Wien wollte gegen den freiheitlichen Fraktionschef nach einer Empfehlung für ein Medikament zur Behandlung von Corona, für das Entwurmungsmittel Ivermectin, vorgehen.

Die Parlamentarier sehen aber einen Zusammenhang mit Kickls Tätigkeit als Mandatar, haben deshalb die „Verfolgung“ nicht ermöglicht.

Die Behörde wollte, dass gegen Kickl wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt wird – nach dem Paragrafen, wonach keine Laienwerbung für rezeptpflichtige Medikamente erlaubt ist.

Die Nachfrage nach dem Medikament war stark gestiegen, nachdem Kickl dazu geraten hatte. Dass es nicht gegen Corona wirkt, ist wissenschaftlich bestätigt. Es wird bei vielen Tierarten eingesetzt, um Parasiten zu bekämpfen. (TT)

Die Blauen unterstützen, was die Roten beantragt haben, also vor dem regulären Termin, 2024, wählen zu lassen. Mangels Mehrheit geht das nicht durch. So auch nicht der Misstrauensantrag der Freiheitlichen gegen Minister und Staatssekretäre. Wie gewohnt verbal scharf ist FPÖ-Klubchef Herbert Kickl. „Selbstbeschäftigung, Selbstgefälligkeit und Selbstbeweihräucherung ist Ihr Arbeitsprogramm“, ruft er in Richtung Nehammer und Kogler. „Ein Flohzirkus, das reinste Durchhaus“ sei die Regierung. Der nächste Wahltag werde „der Tag der großen Abrechnung. Das prophezeie ich Ihnen heute.“

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Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer repliziert: „Es ist gut, dass Sie nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen.“ Und es sei „mutig“, wenn just Kickl Missbrauch von Institutionen und – „als doppelter Studienabbrecher“ – mangelnde Qualifikation Regierender orte. „Sie nehmen den Mund sehr voll dafür, was Sie in diesem Land alles schon verbrochen haben.“

NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger formuliert nicht deftig. Den Koalitionären sagt sie: „Sie müssen endlich liefern. Begreifen Sie die Ernsthaftigkeit der Lage.“

📽️​ Video | NEOS-Chefin Meinl-Reisinger im Interview:

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