Immer mehr Länder von Affenpocken betroffen, bisher kein Fall in Österrreich
Zuletzt häuften sich Infektionen mit Affenpocken bei Menschen. Immer mehr Länder melden erste Nachweise, Österreich bislang aber nicht. Was über den Erreger bekannt ist – und wie Experten die Situation einschätzen.
New York – Fälle der eigentlich seltenen Affenpocken treten mittlerweile in immer mehr Ländern in Europa auf. In Österreich wurde bisher noch kein Fall nachgewiesen, gab das Gesundheitsministerium am Donnerstag bekannt. Allerdings befindet sich Österreich dazu „in einem intensiven internationalen Austausch und evaluiert die Lage weiterhin laufend", wie aus dem Ministerium verlautet. Derzeit wird die Umsetzung der Meldepflicht der Affenpocken geprüft.
WHO: Auf ungewöhnliche Hautausschläge achten
Nach dem Auftauchen der Viruserkrankung hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte der Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen, teilte die WHO am Mittwochabend mit. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
„Trotz des relativ geringen Risikos" ruft die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ebenso internationale Gesundheitsorganisationen Ärztinnen und Ärzte dazu auf, Affenpocken „bei entsprechenden Symptomen als Differentialdiagnose zu bedenken", gab sie bekannt. Wer selbst entsprechende Symptome hat, sollte sich von Spezialisten für Infektionskrankheiten untersuchen lassen, besonders Männer, die mit wechselndem Partner Sex mit Männern haben, sollten aufmerksam sein. Verdachtsfälle sollten isoliert, getestet und schnellstmöglich benachrichtigt sowie eine Kontaktverfolgung in beide Richtungen durchgeführt werden.
Ausbrüche von Affenpocken in Großbritannien, Portugal, Spanien, Italien, Schweden und den USA sorgten für Alarm. Nach Großbritannien meldeten die Gesundheitsbehörden in Spanien am Donnerstag die ersten sieben Fälle. Es gebe zudem 22 Verdachtsfälle, alle in der Region Madrid. „Es ist möglich, dass wir in den kommenden Tagen weitere Fälle haben werden", sagte der Leiter des Gesundheitswesens der Hauptstadtregion, Antonio Zapatero, dem Radiosender Onda Cero. In Italien wurde ebenfalls der erste Fall einer Affenpockeninfektion im Spallanzani-Krankenhaus in Rom festgestellt. Nach Angaben der Klinik befindet sich die Person, die von einem Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln zurückkam, in Isolation. Zwei weitere Verdachtsfälle würden noch geprüft. In Schweden gab es im Großraum Stockholm einen ersten Fall.
In Portugal stieg die Zahl der Infektionen um neun auf insgesamt 14 Fälle. Die neun Patienten in Portugal seien gesundheitlich stabil und würden engmaschig überwacht, hieß es von der portugiesischen Gesundheitsbehörde DSG. Die meisten Fälle wurden in und um die Hauptstadt Lissabon gemeldet. Experten versuchen nun, Infektionsketten und mögliche neue Fälle zu identifizieren. Personen mit „verdächtigen Symptomen" wie Hautausschlägen wurden aufgefordert, direkten Körperkontakt mit anderen zu vermeiden.
In den USA war eine Person aus dem Bundesstaat Massachusetts im Nordosten des Landes betroffen, teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC am Mittwoch mit. In Kanada untersuchen Gesundheitsbehörden laut örtlichen Medien rund ein Dutzend Verdachtsfälle. Ergebnisse würden in den kommenden Tagen erwartet. Über einen bestätigten Fall in der Provinz Quebec seien die Behörden informiert worden, berichtete der kanadische Rundfunksender CBC am Mittwochabend (Ortszeit) unter Berufung auf das dortige Gesundheitsministerium. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.
Verbindungen zwischen Betroffenen nur teilweise bekannt
Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bisher vor allem aus einigen Regionen Afrikas bekannt. Bereits angesichts der ersten bekannt gewordenen Fälle in Großbritannien, wo das Virus Anfang Mai nachgewiesen wurde, hatte auch das Robert Koch-Institut (RKI) Ärzte in Deutschland für die Virusinfektion sensibilisiert. In einem vom RKI veröffentlichten Beitrag heißt es, Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien.
In Großbritannien hatte die Zahl erfasster Fälle nach Angaben der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) am Montag bei neun gelegen. Verbindungen zwischen Betroffenen sind nur teilweise bekannt. Teils sei unklar, wo sich Betroffene angesteckt haben. Die Mehrheit der betroffenen Männer soll sich in London angesteckt haben. Die erste bekannt gewordene Infektion soll auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgehen.
Die Virus-Erkrankung ruft nach Angaben der UKHSA meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Ansteckend seien nur symptomatisch Erkrankte bei engem Kontakt. Nach UKHSA-Angaben zählen zu den ersten Krankheitsanzeichen: Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost und Erschöpfung. Es könne sich ein Ausschlag entwickeln, der sich oft ausgehend vom Gesicht auf andere Körperteile ausbreite. Der Ausschlag sehe je nach Phase unterschiedlich aus und könne Windpocken (Feuchtblattern) und Syphilis ähneln. Es gibt keine spezifische Therapie und keine Impfung dagegen.
Pocken gelten als ausgerottet
Die Pocken des Menschen gelten seit 1980 nach einer großen Impfkampagne weltweit als ausgerottet. Wie das RKI erläutert, haben weite Teile der Weltbevölkerung mittlerweile allerdings keinen Impfschutz mehr. In Nigeria würden nun seit 2017 vermehrt Affenpocken-Infektionen beim Menschen diagnostiziert – und Fälle in Verbindung mit Reisen dorthin vor allem im Vereinigten Königreich.
Fachleute vermuten, dass der Erreger der Affenpocken in Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. „Infektionen können durch Kontakt mit Sekreten infizierter Tiere übertragen werden", heißt es im RKI-Bericht. Übertragungen von Mensch zu Mensch durch Kontakte mit Körperflüssigkeiten oder Krusten seien mit Infektionsketten von bis zu sechs Menschen beschrieben. „Auch die sexuelle Übertragung von Pockenviren ist möglich", hieß es.
Für eine bessere Bekämpfung künftiger Pandemien werden die G7-Staaten und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Übung eine Pocken-Pandemie simulieren. Es gehe darum „zu erfahren, ob aus Fehlern der Vergangenheit effektive Lehren gezogen wurden", sagte der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag in Berlin zu Beginn der Beratungen der Gesundheitsminister der sieben führenden Industriestaaten. (APA/dpa/AFP)