G7 bekennen sich erstmals zu Kohle-Ausstieg – aber ohne Datum
Die Erde erhitzt sich schneller als erhofft. Die G7-Staaten wollen gegenhalten. Sie versprechen: Trotz der Sorgen um die Energiesicherheit durch Russlands Krieg soll der Klimaschutz nicht unter den Tisch fallen.
Berlin – Die größten Industriestaaten der Welt haben sich erstmals zu einem Abschied von der klimaschädlichen Kohlekraft bekannt. Die Energie- und Klimaminister der G7 versprachen am Freitag im Abschluss-Dokument ihres Berliner Treffens konkrete Schritte für ein Aus der Kohle-Verstromung. Zudem müsse der gesamte Energiesektor bis 2035 überwiegend CO2-frei sein, was auch Gas- oder Ölkraftwerke verbietet. Bis 2030 soll demnach der Verkehr weitgehend ohne fossile Kraftstoffe auskommen.
Trotz des Kriegs in der Ukraine und der aktuellen Notlage bei der Gas- und Ölversorgung halte man an den Klimazielen fest und erhöhe die Anstrengungen dafür weiter, erklärten die Minister bei ihrer Konferenz. Sie erkannten auch an, dass sie den besonders gefährdeten Länder wegen der Schäden durch den Klimawandel stärker helfen müssen. Für die Anpassung wollen sie bis 2025 die Unterstützung mit weiteren Staaten verdoppeln.
Der deutsche Klimaminister Robert Habeck hatte vor dem Treffen gesagt, er hoffe auf eine Vorreiter-Rolle der G7 beim Kohle-Abschied. Wenn man sich hier einigen könne, werde der Impuls an die G7-Konferenz der Staats- und Regierungschefs im Juni und dann an den erweiterten Kreis der G20 weitergegeben. Die Staaten betonten damit ihre Verpflichtung zum zentralen Weltklimaziel, die Erd-Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Enddatum 2030 gestrichen
Das klare Bekenntnis zum Ende der klimaschädlichen Kohlekraft ist zwar erstmals in einem G7-Dokument aufgeschrieben. Das Enddatum 2030 wurde aus einem Entwurf aber wieder gestrichen. Nach Angaben aus G7-Kreisen ist das vor allem auf den Widerstand der USA und Japans zurückzuführen.
Für die Grünen in der Ampel-Koalition in Deutschland dürfte das Bekenntnis der G7 trotz des Fehlens des Datums Rückenwind sein. Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass "idealerweise" der Kohleausstieg 2030 statt wie bisher bis spätestens 2038 kommen soll. Zudem hat Habeck in einem Gesetzespaket vorgeschlagen, dass der Stromsektor bis 2035 ohne Emissionen auskommen soll. Dies stößt aber auf Widerstand der FDP, die es im parlamentarischen Verfahren noch ändern könnte.
Der Verweis im Entwurf zum Abschlussdokument für ein Aus für "klimaschädliche" Kohlekraftwerke bedeutet allerdings, dass Anlagen mit einer Abscheidung des CO2 weiter laufen dürften. Diese CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) treiben verschiedene Länder voran, in Deutschland ist eine unterirdische Speicherung des CO2 aber faktisch verboten.
Im Kommunique knüpften die G7-Minister zudem an Beschlüssen aus dem vergangenen Jahr an und machten sie konkreter. Die Subventionen für fossile Energieträger wollen die Staaten bis 2025 so weitgehend stoppen und die internationale Finanzierung von Gas-, Öl- oder Kohleprojekten in diesem Jahr auslaufen lassen. Ausnahmen sollen nur in engen Grenzen zugelassen werden, wenn die Vorhaben eine Klimaeffekt haben. Dies könnte beispielsweise die Reparatur von lecken Gas-Anlagen sein.
Weitere Fortschritte
Einige Fortschritte erreichten die Minister zudem bei der besonders schwierigen Aufgabe, die Industrie weltweit möglichst ohne Wettbewerbsverzerrungen auf grüne Energie umzustellen. So einigte man sich auf Regelungen, wie Stahl- oder Zementproduktion als "grüne" definiert werden kann. Zudem betonten sie die Bedeutung eines sogenannten Klimaclubs, dem sich Staaten freiwillig anschließen sollen. Hier sollen dann vergleichbare Regeln beim Klimaschutz der Industrie gelten, so dass diese Länder etwa auf Zölle zum Schutz vor billigen, ohne Klimavorgaben hergestellten Produkten verzichten können.
Die Gründung dieses Clubs soll den Staats- und Regierungschefs der G7 beim Treffen im nächsten Monat vorbehalten bleiben. Zu den G7 gehören neben Deutschland die USA, Japan, Kanada, Großbritannien, Italien und Frankreich. (APA/Reuters)
Die Beschlüsse der G7-Energie-, Klima- und Umweltminister
KOHLE
Erstmals haben sich G7 zum Ende der Verstromung der klimaschädlichen Kohle bekannt. Auf ein Enddatum 2030 konnte man sich zwar vor allem wegen des Widerstands Japans nicht verständigen. Dennoch verpflichteten sich die Länder auf beschleunigte Schritte für ein Aus. Darüber hinaus bekannten sie sich erstmals dazu, bis 2035 den gesamten Stromsektor überwiegend CO2-frei zu machen - was außer Kohlekraftwerken und dann auch den Verzicht auf Gas-Kraftwerke bedeuten würde.
VERKEHR
Der Straßenverkehr soll bis 2030 zum größten Teil ohne fossile Kraftstoffe auskommen. Dafür werde die Zulassung von emissionsfreien Autos in den nächsten Jahren nach oben getrieben.
INDUSTRIE
Die Staaten verständigten sich darauf, Standards zu entwickeln, mit dem man den CO2-Abdruck von Produkten messen und vergleichen kann. Dies gilt als Voraussetzung, um Wettbewerbsgleichheit unter den Ländern herzustellen, wenn Staaten ihre Industrie mit Umwelt-Auflagen zu teurerer Produktion zwingen.
HILFEN FÜR ARME STAATEN
Die G7 bekennen sich dazu, dass sie die ärmeren Staaten wegen der bereits eingetretenen Schäden durch den Klimawandel stärker unterstützen müssen. Gemeinsam mit anderen Ländern wollen sie die Hilfen für die Anpassung an die Erd-Erwärmung bis 2025 verdoppeln.
MEERESSCHUTZ
Die Umweltminister beschlossen einen "Ocean Deal" mit dem man gemeinsam die Meere schützen will. Dies gilt etwa für den Bergbau am Meeresboden oder die Fischerei. Zudem wurde eine Selbstverpflichtung gegen die Plastikverschmutzung beschlossen, noch bevor ein globales Abkommen verabschiedet werde. Dabei geht es darum, unnötiges Plastik zu bannen und die tatsächlichen Kosten der Umweltschäden zu benennen.
ARTENSCHUTZ
Noch in diesem Jahr soll ein neuer globaler Rahmen für den Biodiversitätsschutz beschlossen werden. Die Weltnaturschutzkonferenz müsse deshalb 2022 stattfinden. Das globale Artenaussterben schreite so schnell voran, dass es keine Verzögerung geben dürfe. Die Konferenz sollte bereits in China stattfinden, wurde aber wegen der Coronapandemie mehrfach verschoben.