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Zugunglück in Garmisch: Fünftes Todesopfer in Trümmern gefunden

Zahlreiche Einsatz- und Rettungskräfte standen im Einsatz.
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Nach dem Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen laufen die Bergungsarbeiten weiter auf Hochtouren. Doch das Hochheben der umgestürzten Waggons gestaltet sich schwierig. Es wird befürchtet, dass sich darunter noch die Leichen von Passagieren befinden könnten.

Garmisch-Partenkirchen – Tote, Vermisste, Dutzende Verletzte: Am Tag nach dem schweren Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen ist die Zahl der Todesopfer auf fünf gestiegen. Eine männliche Leiche wurde am Samstag aus den Trümmern geborgen, wie die Polizei mitteilte. Medienberichte, wonach es sich dabei um einen Schüler handeln sollte, bestätigte die Polizei auf Anfrage nicht. Bei den anderen vier Toten handelte es sich nach Polizeiangaben um erwachsene Frauen.

Nachdem einer der zerstörten Waggons angehoben werden konnte, gingen die Einsatzkräfte nicht davon aus, noch weitere Todesopfer zu finden. Auszuschließen sei das aber nicht, sagte ein Polizeisprecher. Etwa sieben Menschen galten noch als vermisst. Möglich sei aber, dass sie unter den mehr als 40 Verletzten waren - darunter den Angaben zufolge auch mehrere Schwerverletzte.

Die Einsatzkräfte kämpften mit den Tücken einer komplizierten Bergung. Versuche, die Waggons beispielsweise mit Hebekissen anzuheben, waren zunächst gescheitert. Die Waggons seien "verdreht und verwunden", sagte ein Polizeisprecher. "Das macht die Bergung so schwierig. Man muss Schritt für Schritt vorgehen."

📽️​ Video | Bergung nach Zugunglück abgeschlossen

Söder: "Unfassbares Ereignis"

"Es ist ein unfassbares Ereignis", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einem Besuch am Unglücksort. "Wir hoffen sehr, dass es keine weiteren Todesfälle gibt." Ein solches Unglück sei immer ein Schock und ein "Stich ins Herz". Es sei ein Zug gewesen, der für viele Schüler da war. "Man muss sich das jetzt so vorstellen: Es ist kurz vor den Ferien, im Zug ausgelassene Stimmung, in einer der schönsten Regionen, die Bayern ja hat - und dann passiert sowas und verändert möglicherweise ein Leben komplett."

Zur Unfallursache gab es auch am Samstag zunächst keine neuen Erkenntnisse. Der Lokführer wurde nach Polizeiangaben zwar vernommen. Was er sagte, teilte die Polizei allerdings nicht mit. Sicher sei bisher nur, dass ein Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug ausgeschlossen werden könne. "Wir ermitteln in alle Richtungen", sagte ein Sprecher. "Die genaue Unfallursache steht noch nicht fest. An Ort und Stelle waren alle Experten der Meinung, dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste", sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Seinen Angaben zufolge sollten im Laufe des Tages weitere Experten anreisen, um mögliche Gründe auszuloten. "Es geht jetzt darum, die Unfallursache genau und rasch zu klären." Auch Söder betonte: "Da sind die zuständigen Behörden dran." Die Strecke war nach Angaben eines Bahnsprechers mit elektronischen Stellwerken und moderner Sicherungstechnik ausgerüstet.

Mit schwerem Gerät werden die Waggons geborgen.
© Angelika Warmuth

Zug mit Schulkindern besetzt

Die Bergungsarbeiten gestalteten sich schwierig. Zwei Versuche, die Waggons anzuheben, scheiterten. Dabei seien auch Hebekissen zum Einsatz gekommen. Die Waggons seien "verdreht und verwunden", sagte der Polizeisprecher. "Das macht die Bergung so schwierig." Helfen sollte ein schwerer Bergekran, der bis zu 120 Tonnen heben kann und am Vormittag an der Unfallstelle erwartet wurde. "Man muss Schritt für Schritt vorgehen", sagte der Sprecher.

Zur Unfallursache gab es auch am Samstag zunächst keine neuen Erkenntnisse. Der Zugführer wurde nach Polizeiangaben zwar vernommen. Was er gesagt hat, teilte die Polizei allerdings nicht mit.

Der Zug war auch mit Schulkindern besetzt – am letzten Schultag vor den Pfingstferien. "Es ist kurz vor den Ferien, im Zug ausgelassene Stimmung, in einer der schönsten Regionen, die Bayern ja hat – und dann passiert sowas und verändert möglicherweise ein Leben komplett", schildert Söder. Er spricht von einem Schock und einem "Stich ins Herz". "Es ist ein unfassbares Ereignis." Es ist eines der schwersten Bahnunglücke der letzten Jahre.

Die Ursache des Unglücks ist weiter unklar. Auszuschließen ist laut Polizei bisher nur eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug. "Die genaue Unfallursache steht noch nicht fest. Vor Ort waren alle Experten der Meinung, dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste", sagt Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Samstag.

Auch am Samstag kreist immer wieder ein Hubschrauber über dem Unfallort. Mit Kettensägen hatten die Helfer bereits am Vorabend zahlreiche Bäume zwischen Gleis und der daneben laufenden Bundesstraße gefällt, um besser arbeiten zu können. Leitplanken wurden weggeschnitten. Zwei Mal versuchten die Kräfte in der Nacht vergeblich, einen komplett umgestürzten Waggon zu heben.

Die Bergung der zerstörten Waggons ist schwieriger als gedacht.
© Dominik BARTL / AFP

Mögliche weitere Todesopfer befürchtet

Darunter so fürchten die Helfer, könnten noch Tote liegen. Erst wenn das geklärt ist und mögliche weitere Opfer geborgen sind, kann der Abtransport der havarierten Waggons beginnen, wie THW-Einsatzleiter Bernhard Schrallhammer sagt. Er ist wie viele seiner Kollegen seit 20 Stunden auf Beinen.

Bis zu 650 Helfer waren laut Innenministerin Nancy Faeser im Einsatz, sie hatte sich schon am Freitagabend selbst ein Bild von der Lage gemacht. Erwartet wurden am Samstag noch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahnchef Richard Lutz.

Die Arbeiten werden noch dauern, die Rede war von ein oder eher Wochen. Wohl eine Woche werde einseitig auch die Bundesstraße neben den Gleisen gesperrt bleiben, sagt Emig. Bernreiter hatte am Vortag bereits gemahnt, Garmisch-Partenkirchen weiträumig zu umfahren – und mit dem Zug wird eine Anreise schwierig – "und dass die Werdenfelsbahn die nächsten Tage über Pfingsten nicht befahrbar sein wird, das kann man schon definitiv sagen".

Schlechte Nachrichten just vor den Ferien auch für die Garmischer, die sich gerade auf den G7-Gipfel Ende Juni auf Schloss Elmau vorbereiten – und auch dann weniger Touristen, zugleich aber erhebliche Einschränkungen auf sich zukommen sehen. Herrmann sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Man muss ohnehin sehen, inwieweit mit Blick auf den G7-Gipfel Baumaßnahmen durchgeführt werden können". Während des Gipfels Ende Juni im nahen Schloss Elmau würde die Strecke Garmisch-Mittenwald gesperrt.

Auch Rettungskräfte aus Tirol im Einsatz

© APA/ADAC Luftrettung

Im Einsatz befanden sich übrigens auch Rettungskräfte aus Tirol – und zwar vier Notarzthubschrauber und drei Rettungswägen. Die Bayern hätten sich gemeldet und um zusätzliche Ressourcen aus Tirol gebeten, sagte der zuständige Schichtleiter bei der Leitstelle Tirol. Die Leitstelle rief daraufhin eine Großalarmierung für die Rettungsdienste in den Bezirken Innsbruck Stadt, Innsbruck Land und Reutte aus. Diese wurden aber inzwischen wieder aufgehoben.

Von den Tiroler Einsatzkräften seien nach bisherigen Informationen zwei Verletzte in Krankenhäuser gebracht worden – nämlich von Ehrwald im Außerfern nach München und nach Garmisch-Partenkirchen.

© APA/Garmisch-Partenkirchner Tagblatt/Josef Hornsteiner

Bestürzung und Trauer auch in Tirol

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sich erschüttert und tief betroffen zum Zugunglück geäußert. „Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und wünschen allen Verletzten rasche Genesung", schrieb der CSU-Chef am Freitag bei Twitter. Gerade die Schüler hätten sich auf die Pfingstferien gefreut. „Großen Respekt und Dank allen Rettungskräften für die schnelle Hilfe", betonte Söder.

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Tiefe Bestürzung herrscht auch in Tirol über den Unfall im bayerischen Burgrain nahe der Tiroler Grenze. „Wir sind mit den Gedanken bei den Angehörigen der Todesopfer und bei den Verletzten“, so Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Er dankte in einer Aussendung allen Einsatzkräften: „Es ringt mir großen Respekt ab, wie gut auch die grenzüberschreitende Rettungskette funktioniert hat.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder war am Samstag an der Unglücksstelle in Garmisch.
© Angelika Warmuth

Platter hat am Nachmittag zudem mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann Kontakt aufgenommen und ihm weitere Unterstützung angeboten, sollte Bayern diese benötigen.

Kurzzeitig wurden von den bayerischen Behörden auch zusätzliche Bettenkapazitäten in der Innsbrucker Klinik angefragt. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden diese aktuell aber nicht gebraucht. „Wir werden aber zur Stelle sein und unterstützen, wenn Bayern unsere Hilfe und Unterstützung benötigt“, so Platter. (TT.com, APA, dpa)

Tödliche Bahnunfälle in Deutschland

Schwere Unfälle mit Toten wie jetzt bei Garmisch-Partenkirchen sind hierzulande vergleichsweise selten. Eine Auswahl:

  • Februar 2022: Zwei S-Bahnen stoßen in Schäftlarn bei München auf eingleisiger Strecke frontal zusammen. Ein Fahrgast kommt ums Leben, 18 Menschen werden verletzt.
  • Mai 2018: Bei Aichach in Bayern fährt eine Regionalbahn ungebremst in einen stehenden Güterzug. Zwei Menschen werden getötet, 14 verletzt. Ursache: menschliches Versagen.
  • Februar 2016: In Bad Aibling (Bayern) sterben zwölf Menschen, als zwei Nahverkehrszüge auf eingleisiger Strecke ineinanderkrachen. Es gibt Dutzende Verletzte. Ein Fahrdienstleiter muss in Haft.
  • April 2012: Eine Regionalbahn stößt bei Offenbach (Hessen) mit einem Baukran-Zug zusammen. Drei Menschen werden getötet, 13 verletzt.
  • Januar 2011: Zehn Menschen sterben, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstößt. Ein Lokführer hatte zwei Haltesignale überfahren.
  • September 2003: Beim Zusammenprall zweier Regionalbahnen in Thüringen stirbt eine Frau. 28 Menschen werden bei dem Unglück auf eingleisiger Strecke zwischen Bad Berka und Weimar verletzt.
  • Juni 2003: Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge zusammen, sechs Menschen sterben. Ein Fahrdienstleiter wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
  • Februar 2000: In einer Baustelle des Bahnhofs Brühl bei Köln entgleist der Nachtexpress von Amsterdam nach Basel an einer Weiche. Bilanz: Neun Tote, 149 Verletzte.
  • Juni 1998: Nach dem Bruch eines Radreifens entgleist in Eschede (Niedersachsen) bei Tempo 200 ein ICE und zerschellt an einer Straßenbrücke. 101 Menschen sterben.