Amokfahrt in Berlin: Fahrer muss bis zum Prozess in Psychiatrie
Im Herzen Berlins erfasste ein offenbar psychisch beeinträchtigter Autofahrer eine Schülergruppe. Eine Lehrerin starb, 29 Menschen wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Unterbringung des Fahrers in einer psychiatrischen Anstalt.
Berlin – Nach der Amokfahrt in Berlin ist die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass eine psychische Erkrankung dazu geführt hat, dass der 29-Jährige über Gehwege des Ku'damms und der Tauentzienstraße in Menschengruppen gerast ist. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor und will, dass er bis zum Prozess in einem psychiatrischen Krankenhaus bleibt.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des 29-Jährigen seien indes Medikamente gefunden worden. Der Beschuldigte habe seine Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. Am Abend erließ das Amtsgericht Tiergarten den von der Staatsanwaltschaft beantragten Unterbringungsbefehl.
Die Lehrerin der zehnten Klasse einer Schule im hessischen Bad Arolsen starb bei Fahrt. Unter den Verletzten befanden sich nach Polizeiangaben auch 14 Schülerinnen und Schüler, sieben von ihnen und ein Lehrer wurden demnach schwer verletzt. Laut Büchner befand sich am Donnerstag keiner der Schüler mehr in Lebensgefahr, während der Lehrer weiter gegen den Tod kämpfte. Laut Polizei wurden zudem 14 Passanten verletzt.
Der Fahrer des Autos – ein 29-jähriger Deutsch-Armenier, der in Berlin lebt – befand sich am Donnerstag nicht mehr im Krankenhaus, sondern im Polizeigewahrsam. Das sagte ein Polizeisprecher.
Eine Mordkommission des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) ermittelte am Donnerstag weiter zum genauen Ablauf der Tat. Unter Umständen soll sie wegen der vielen Opfer, Zeugen und sonstigen Hintergründe personell aufgestockt werden. Am Tatort am Ku'damm und der Tauentzienstraße arbeitete erneut die Spurensicherung der Kriminalpolizei. Auch das sichergestellte Auto sollte noch einmal „intensiv durchsucht" werden, so der Sprecher. Die Polizei bat Zeugen, sich zu melden und auch mögliche Videos und Fotos der Tat an eine Internetseite der Polizei zu schicken.
Die Polizei sah weiterhin keinen politisch-extremistischen Hintergrund der Tat. „Hinweise auf eine politische Motivation haben wir derzeit nicht." Die im Auto gefundenen Plakate mit Äußerungen zur Türkei stünden „inhaltlich nicht im Zusammenhang mit der Tat". Unklar war auch, wem sie gehören. Besitzerin des Autos ist die Schwester des Fahrers.
Bereits am Mittwoch wurde unter anderem auch die Wohnung des 29-Jährigen in Charlottenburg von der Polizei durchsucht. Der Mann soll der Polizei wegen mehrerer Delikte bekannt gewesen sein, jedoch nicht in Zusammenhang mit Extremismus. Die Schwester des Verdächtigen sagte einem Bild-Reporter: „Er hat schwerwiegende Probleme." Nachbarn äußerten sich der Zeitung zufolge erstaunt, „dass er zu so einer Tat fähig ist."
Während die deutsche Bundes- und Landesregierung von einer Amoktat ausgeht - nach Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (beide SPD) dahingehend - nutzte die Polizei den Begriff zunächst bewusst nicht. Ein Polizeisprecher sagte am Donnerstag dazu: „Es gibt Tendenzen in diese Richtung, wir legen uns da aber noch nicht fest. Ermittelt wird weiterhin in alle Richtungen." Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte sich am Mittwochabend ähnlich geäußert.
Giffey sagte in einem Interview mit dem RBB-Radio, durch die Ermittlungen der Polizei sei klar geworden, „dass es sich um die Amoktat eines psychisch schwer beeinträchtigten Menschen handelt." Sie berichtete weiters: „Das hat sich gestern Abend verdichtet." Mit Hilfe eines Dolmetschers werde versucht, mehr „aus den teilweise wirren Äußerungen, die er tätigt, herauszufinden". Ob die Plakate mit Bezug zur Türkei, die in dem Tatfahrzeug des Deutsch-Armeniers lagen, eine Rolle gespielt hätten, werde noch ermittelt. Sie sprach von einem „dunklen Tag in der Berliner Stadtgeschichte". (APA/dpa/TT.com)