Die Hand als Waffe zur Selbsterspürung: Maria Lassnig im Ferdinandeum
Eintauchen in den wenig bekannten zeichnerischen Kosmos von Maria Lassnig im Ferdinandeum.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – „Ich zeichne, also denke ich“ ist nur einer der Sätze, der in vielfacher Vergrößerung der Handschrift Maria Lassnigs an eine landesmuseale Wand geschrieben ist. Was auf den Punkt bringt, wie die vor acht Jahren 95-jährig verstorbene Malerin, Grafikerin und Filmemacherin von Weltklasseniveau getickt hat. Deren von kräftigen Farben dominierte Bilder in den wichtigsten Museen der Welt hängen, während ihr zeichnerisches Oeuvre das noch zu entdeckende Areal im Lassnig’schen Universum sei, so Peter Pakesch, Vorstandsvorsitzender der Lassnig-Stiftung, aus deren 6000-blättrigem Bestand rund 80 für die Innsbrucker Schau ausgewählt worden sind.
Die in der Chronologie ihrer Hängung schön die Entwicklung der gebürtigen Kärntnerin nachzeichnen, die bereits zwischen 1940 und 1945 als Studentin an der Wiener Akademie der bildenden Künste das Widerständige in sich entdeckt hat. Bevor sie sich in Paris und New York durch das Kennenlernen von Surrealismus, Informel und abstraktem Expressionismus in ihrem sehr speziellen Farbsehen bestätigt fühlen sollte.
Die ausstellungsarchitektonisch raffiniert durch ein subtiles Farbkonzept mit minimalen Mitteln inszenierte Schau beginnt mit einem Halbakt der 26-jährigen Künstlerin, das fast als Manifest daherkommt. Als mit sämtlichen Traditionen brechender Zwitter aus Gemaltem und Gezeichnetem, Abstraktem und Gegenständlichem, dominiert von einer autonomen Farbigkeit sowie einer mit nur wenigen Bleistiftstrichen skizzierten Hand.
Die zunehmend zu Lassnigs „Waffe“ für ihren Rückzug in sich selbst werden sollte. Angetrieben vom Drang, „Kopf zu sein“, um über „die Unruhe der Welt“ zu triumphieren mit dem Radiergummi „als Erlöser“. Der Kosmos, den sich der „weibliche Picasso“, wie sich Lassnig voller Selbstironie einmal selbst bezeichnet hat, auf diese Weise in sieben Jahrzehnten erzeichnet hat, ist erstaunlich. Geht es da doch nicht um ein Abbilden der Wirklichkeit, sondern deren intuitives Erspüren. Dass sich auf diese Weise die Perspektiven körperlicher Wahrnehmung radikal verschieben, liegt auf der Hand, was bisweilen irritierend daherkommen mag, allerdings Gefilde erschließt, die letztlich literarischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
Die durch animierte Filme sowie Gemälde aus der landesmusealen Sammlung fein ergänzte Schau zeigt auch das Blatt, mit dem Lassnig 1968 als erste Frau den Österreichischen Grafikwettbewerb gewonnen hat. Sitz- und Liegestationen laden die AusstellungsbesucherInnen zum Selbst-Zeichnen ein, vielleicht animiert durch Lassnig’sche Texte, die sich per Medienguide inhalieren lassen.
Ferdinandeum. Museumstraße 15, Innsbruck; bis 2. Oktober, Di–So 10–18 Uhr.