Über 300.000 Soldaten: NATO erhöht Zahl der schnellen Eingreifkräfte
Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine erhöht die NATO die Zahl der Einsatzkräfte, die bei Bedarf schnell aktiviert werden kann. Auch sollen Soldaten zugeteilt werden, um Mitgliedsstaaten im Falle eines russischen Angriffs verteidigen zu können.
Brüssel, Madrid – Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs will die NATO die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte auf mehr als 300.000 erhöhen. Das kündigte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag vor dem Gipfeltreffen der 30 Mitgliedstaaten in Madrid an. Bisher umfasst die NATO-Eingreiftruppe NRF rund 40.000 Soldatinnen und Soldaten. Der geplante Umbau der NRF ist Teil eines neuen Streitkräfte-Modells für das gesamte Bündnisgebiet. Dieses sieht mehr Kräfte in hoher Bereitschaft vor.
Zudem sollen Kräfte auch bestimmten Gebieten zugeordnet werden. Damit könnten etwa deutsche Soldaten fest dafür eingeplant werden, litauische Truppen im Fall eines russischen Angriffs zu unterstützen. Die Truppen sollen in Friedenszeiten in der Regel unter nationalem Kommando stehen, könnten dann aber im Ernstfall vom Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa (SACEUR) angefordert werden. Für die Truppen würden zudem feste Zeiten für die Einsatzbereitschaft vorgegeben. Im Gespräch ist, dass manche Einheiten innerhalb von höchstens 10 Tagen verlegebereit sein müssten, andere in 30 oder 50 Tagen. Details für den Ernstfall sollen in neuen regionalen Verteidigungsplänen festgelegt werden, die im kommenden Jahr fertig sein sollen.
Erster Gipfel seit Beginn des russischen Angriffskriegs
Beim NATO-Gipfel in Madrid werden die Spitzen des westlichen Verteidigungsbündnisses erstmals seit dem Beginn der russischen Aggression gegen das Partnerland Ukraine über eine Reaktion beraten. Zahlreiche NATO-Staaten unterstützen die Ukraine mit Waffenlieferungen und Geld, ein direktes Eingreifen hat die Verteidigungsallianz bisher abgelehnt, um keinen Konflikt mit der Atommacht Russland heraufzubeschwören.
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird in Madrid erwartet, wo er am Mittwoch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen soll. Erdogan versucht sich als Vermittler im Ukraine-Krieg zu profilieren und stößt die NATO-Partner durch seine innenpolitisch motivierte Blockade der Beitrittsansuchen Schwedens und Finnlands vor den Kopf.
Treffen zwischen NATO-Anwärtern und Türkei
Im Streit um eine Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO will sich indes der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und der schwedischen Regierungschefin Magdalena Andersson treffen. Das Gespräch soll in Madrid stattfinden, wo am Mittwoch ein Gipfel der Militärallianz beginnt. Dies teilte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Sonntagabend im Sender "Habertürk" mit. Insider rechnen aber nicht mit einem Durchbruch.
Nach Angaben des finnischen Präsidialamts wird auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei dem Spitzentreffen dabei sein. Schon am Montag seien in Brüssel vorbereitende Gespräche mit Beteiligung der drei Länder auf Ministerebene geplant.
Schweden und Finnland haben Mitte Mai die Aufnahme in die NATO beantragt. Die Türkei blockiert bisher einen Beitritt. Schweden und Finnland weisen den Vorwurf zurück, sie würden kurdische Extremisten unterstützen. (TT.com, APA, Reuters, dpa)