Innsbruck

Cranach im Ferdinandeum: Das Gnadenbild auf der Kuhglocke

In Tirol kam und kommt an Cranachs Gnadenbild niemand vorbei. Bis 27. November ist das Kultbild im Ferdinandeum zu sehen. Bis 2. Oktober laufen die Sonderschauen „Bacchanalia“ und „James Holland“.
© TLM/Plattner

Lucas Cranachs Gnadenbild ist im Ferdinandeum angekommen. Insgesamt drei neue Sammlungspräsentationen sind dort seit gestern dem Publikum zugänglich.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – Ein ganzes Jahr ist es auf Tour. Lucas Cranachs berühmtes Gnadenbild Mariahilf ist schon seit Anfang 2022 nicht mehr an seinem angestammten Platz inmitten des Silberaltars im Dom zu St. Jakob. Erst nach der Domsanierung kehrt es wieder zurück. Zunächst wurde das Bild im Rahmen einer künstlerischen Intervention nur „displaced“ – vom zentralen Altar in den Philipp-Neri-Seitenaltar. Dann übersiedelte die Mariendarstellung ins Innsbrucker Stadtmuseum. In der kleinen,k aber feinen Präsentation „Oh, Maria hilf!“ wurde die Geschichte des Bildes, das von Dresden nach Innsbruck kam, aufgerollt. Inzwischen ist die Madonna in den Tiroler Landesmuseen (TLM), genauer im Ferdinandeum angekommen. In einer Sonderpräsentation wird nun nicht die Historie, aber die Wirkung des Bildes ins Zentrum gerückt. Ebenso wie seine Funktion. Seit gestern ist die spezielle Schau im Landesmuseum zugänglich. Ebenso wie zwei weitere Sammlungspräsentationen.

Zum Verweilen – und zwar direkt vor dem Bild – wird man im zweiten Obergeschoß geladen. Auf edles Violett gebettet kann Cranachs Kultbild dort zur Gänze unter die Lupe genommen werden. „Auf Augenhöhe“, so heißt es auch im Titel der Sonderpräsentation, will man dieser Maria, die eigentlich als privates Tafelbild geschaffen wurde, nun wieder begegnen. Dazu passt auch die neue Rahmung, die historischen Vorbildern nachempfunden wurde.

Noch vor den BesucherInnen hat das Museum in den letzten Wochen genau hingeschaut. Eine kunsttechnologische Untersuchung mit Stereomikroskop, Röntgengerät sowie mittels Infrarotreflektografie ergab: „Cranachs Maria ist in bestem Zustand“, resümmiert TLM-Sammlungsleiter Peter Scholz, der die Sonderschau für das Museum betreut. Für eine Arbeit, die nach 1537 entstand, nicht unbedingt üblich. Gleichzeitig habe man sich von der hohen Qualität der technischen Ausführung überzeugen können, erklärt Scholz.

Auch deshalb mutierte die Darstellung (seit 1650 ist sie im Innsbrucker Dom zu sehen) zum Kultbild – vor allem diesen Aspekt macht die Schau anschaulich. Die Madonna mit Kind wurde nicht nur etliche Male im religiösen Kontext kopiert, auch im Alltag taucht die Darstellung ständig auf. Votivbilder, Anhänger, ja sogar eine Kuhglocke wurden mit ihrem Abbild versehen. In gleich mehreren Vitrinen werden unterschiedlichste Exponate versammelt.

Mindestens eine der Nachbildungen, vielleicht auch das Original dürfte der englische Maler James Holland (1799–1870) bei seinem Halt in Innsbruck gesehen haben. Schlussendlich blieb von der Stippvisite des Romantikers aber nur eine Stadtansicht mitsamt Nordkette. Ein Aquarell, das das Ferdinandeum vor Kurzem in London ersteigert hat, ebenso ein Bild von Carl Schuch (1846–1903) mit ähnlicher Perspektive. Diese einander gegenüberzustellen, war die Aufgabe von TLM-Sammlungsleiter Ralf Bormann. Auch weil sich in diesem Gegenüber zwei grundsätzlich unterschiedliche Landschaftsauffassungen zeigen lassen – obwohl die Bilder quasi zeitgleich realisiert wurden –, verklärt Holland doch die Nordkette, indem er unterschiedliche Ansichten verschmelzen lässt, während Schuch nüchtern-klar dokumentiert. Genauer ist nur heutige Fotografie, die hier auch (sogar zu viel) Platz findet.

Von Gegensätzen lebt jedenfalls auch die dritte Sonderschau „Bacchanalia. Der Rausch der Linie“ – zeitlich verortet in der Renaissance. Im Zentrum: eine teilweise zerstörte Grafik von Kupferstecher Marcantonio Raimondi. Erst eine Reproduktion der Vorlage zeigt, dass ausgerechnet die pikanten Szenen des ausschweifenden Festes bei Weingott Dionysos (römisch Bacchus) im Tiroler Blatt fehlen. Hat hier jemand bewusst zensiert? Oder für die Szenen sich selbst entwendet? Aufklären lässt sich diese Angelegenheit wohl nicht mehr. Dafür werden hier Lücken ins Zeitgenössische schlüssig geschlossen: Mit einem Schüttbild von Hermann Nitsch denkt Bormann das ausschweifende, dionysische Moment bis in die Gegenwart weiter – schön, wie Kunstgeschichte über die Epochen hinweg erzählt wird.

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