Deutschland mahnt Großbritannien im Brexit-Streit um Nordirland
Die deutsche Regierung appelliert an die Briten, nach dem Rücktritt von Premierminister Johnson im Streit um Nordirland wieder auf Dialog mit der EU zu setzen und geschlossene Verträge nicht einseitig zu brechen.
Berlin, London – Nach dem Rücktritt des britischen Premierministers Boris Johnson hat die deutsche Regierung London aufgefordert, wieder den Dialog in der Nordirland-Frage mit der EU zu suchen. Auch eine künftige Regierung in Großbritannien müsse sich an völkerrechtliche Verträge halten, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Freitag in Berlin. "Insofern setzen wir darauf, dass die britische Seite nicht an einer Eskalation interessiert sein kann."
Hintergrund ist ein Gesetzentwurf zur faktischen Aushebelung der beim britischen Austritt aus der EU getroffenen Vereinbarungen zu Nordirland, das zum Königreich gehört. Das Unterhaus soll kommende Woche über den Gesetzentwurf abstimmen. Die EU lehnt dies ab und hat mit Sanktionen gedroht. Die Nordirland-Regelung soll eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland und damit neue Konflikte in der früheren Bürgerkriegsregion verhindern. Allerdings ist dadurch eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden.
Der Gesetzentwurf würde einseitig diese Zollvereinbarungen zwischen Großbritannien und Nordirland zu ändern. Die britische Regierung erklärte, die Änderungen seien notwendig, weil die Regelung über Warenaustausch zwischen Großbritannien und Nordirland nicht praktikabel seien. In der EU wird als Hintergrund aber vermutet, dass Nordirland wegen des Handels mit dem EU-Land Irland deutlich höhere Wachstumsraten als der Rest Großbritannien aufweist und dies den englischen Brexit-Befürwortern ein Dorn im Auge ist.
Johnson, der den Brexit befürwortet und nach einem Referendum mit Mehrheit für den EU-Austritt bewerkstelligte, hatte am Donnerstag seinen Rücktritt erklärt, will aber solange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden wird. Dies kann nach Einschätzung von Beobachtern Wochen oder Monate dauern. Nicht weniger als ein Dutzend Kandidaten sollen sich um seine Nachfolge als britischer Premierminister bemühen. (APA, Reuters)