Schlagabtausch um Strompreisdeckel: Brunner fordert europäische Lösung
Mehrere prominente VP-Landeshauptleute können sich mittlerweile Preisdeckelungen bei Energie – vor allem beim Strom – vorstellen. Finanzminister Brunner pocht aber auf ein europaweit koordiniertes Vorgehen. Die Opposition fordert rasche Taten.
Wien ‒ Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat im Kampf gegen die hohen Energiepreise eine europäische Lösung gefordert. Er habe "natürlich Verständnis" für den Ruf nach Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise, sagte Brunner angesprochen auf entsprechende Forderungen aus seiner eigenen und anderen Parteien. Solche Preisdeckel würden aber nur auf europäischer Ebene Sinn machen, betonte der Finanzminister am Dienstag vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel.
Nationale Alleingänge würden den Preis auch in den Nachbarstaaten drücken und dafür müsste der österreichische Steuerzahler aufkommen, erklärte Brunner. "Das heißt, auf europäischer Ebene kann man durchaus darüber sprechen", ergänzte der Finanzminister und argumentierte damit ähnlich wie zuletzt der Chef der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch. Gleichzeitig forderte er mehr Tempo beim gemeinsamen Gaseinkauf: "Hier muss die EU-Kommission vom Reden endlich ins Tun kommen."
Brunner: Gefahr einer Rezession ist da
Den Vorstoß von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, Strom europaweit zu subventionieren, bezeichnete Brunner als einen "interessanten Vorschlag". Man tausche sich "regelmäßig" mit österreichischen und europäischen Experten aus und prüfe die Pläne. "Wir nehmen diese Vorschläge alle sehr, sehr ernst", sagte der Politiker.
Die Gefahr einer Rezession sei immer gegeben, wenn das Gas ausfällt, so Brunner. Die Experten seien sich über die Auswirkungen nicht ganz einig – das "hängt ganz stark von der Entwicklung des Kriegs, aber auch von den Gaslieferungen insbesondere aus Russland ab", sagte der Ressortchef.
Mikl-Leitner und Parteikollegen fordern Preisdeckel
Nach der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatten am Montag auch der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler und sein oberösterreichischer Amts- und Parteikollege, Thomas Stelzer, eine Energiepreis-Deckelung gefordert. Die FPÖ kritisierte indes das "Schattenboxen" in den türkisen Reihen.
Niederösterreichs Landeschefin verlangte am Wochenende einen Preisdeckel und kritisierte fehlende Taten gegen die Teuerung und damit indirekt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich zuletzt im Nationalrat gegen einen Preisdeckel ausgesprochen hatte. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich am Sonntag ablehnend.
📽️ Video | ÖVP-Debatte über Preisdeckelung
Aufgeschlossen zeigte sich hingegen Drexler. Auch in der Corona-Pandemie habe die Regierung zu Maßnahmen gegriffen, die sich zuvor niemand habe vorstellen können, meinte er am Montag gegenüber der Tageszeitung "Österreich". Die massiven Interventionen seien aber notwendig gewesen, argumentierte er: "So könnte auch ein Preisdeckel notwendig werden."
Ähnliche Töne kamen auch aus Oberösterreich: "Mit Experten sollte über einen Preisdeckel nachgedacht werden", erklärte Stelzer. Für ihn sei klar, dass es weitere Unterstützungen und Hilfen brauche.
Und auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meinte, dass es keine "Denkverbote" geben dürfe. Gefordert ist laut Sachslehner aber auch die zuständige Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Das Bild, das diese bei den Vorbereitungen zu den Gasvorbereitungen für den Herbst mache, sei jedoch "kein gutes", konstatierte die ÖVP-Politikerin. Die Ministerin müsse entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten.
Platter und Mattle: "Eingriffe in Markt gut überlegen"
Aus dem Büro von Tirols LH Günther Platter (ÖVP) hieß es, der Landeschef schließe sich den Aussagen von Neo-ÖVP-Landesparteichef Anton Mattle an. Dieser hatte sich am Sonntag offen hinsichtlich eines Preisdeckels gezeigt, gleichzeitig aber auch betont, dass es sich dabei um "Eingriffe in den Markt" handle, die "jedenfalls gut überlegt und gut vorbereitet" sein müssten.
Wifo-Chef Felbermayr gegen Strompreisdeckel
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr spricht sich gegen einen Strompreisdeckel aus. Ein solcher würde die Notwendigkeit, Energie einzusparen, konterkarieren, wie er im "Standard" (Montagsausgabe) und in der ZIB2 am Sonntag sagte. "Hohe Preise führen dazu, dass das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt", so der Wirtschaftsforscher. Eingriffe in den Markt kann sich Felbermayr aber sehr wohl vorstellen, etwa durch progressive Stromtarife oder eine europaweite Subvention von Gasstrom.
Felbermayr kann sich beispielsweise vorstellen, "dass die Haushalte alle ein gewisses Ausmaß an Strom als Freistrom bekommen, als eine Gutschrift". Das würde die Preisexplosion abschwächen, ohne dass Sparanreize verloren gehen. "Die Idee wäre, die Stromrechnungen zu deckeln, aber die Preissignale bei den Haushalten ankommen zu lassen", erklärte Felbermayr.
📽️ Video | Wifo-Chef über Energie-Preisdeckel
Helfen gegen die Strompreisexplosion würde auch, Gas für die Stromerzeugung zu subventionieren, wie es in Spanien und Portugal passiert. Dies gehe jedoch nur europaweit, so Felbermayr. "Wenn wir das in Österreich alleine machen würden, dann sinkt zunächst einmal der Strompreis bei uns zwar, aber der würde dann auch die Verbraucher, Industrie und Haushalte, zum Beispiel in Bayern oder in Italien erfreuen. Und am Ende würde der österreichische Steuerzahler diese Subvention leisten für andere."
Felbermayr sprach sich daher für eine gemeinsame Beschaffung aller EU-Staaten aus. Da könne man sich besser zusammenschließen. Mit diesem Kartell könnte man besser am Markt auftreten und die Preise drücken. Felbermayr nannte die OPEC als Beispiel: So was wie die OPEC, aber nicht im Verkauf, sondern beim Einkauf, so der WIFO-Chef. Damit könne man nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen andere Gaslieferanten wie etwa Katar und die USA stärker auftreten.
FPÖ: "Schattenboxen in ÖVP-Blase hilft den Menschen nicht"
Kritik am "Richtungsstreit" in der ÖVP kam von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Während ÖVP-Landeshauptleute einen Preisdeckel für Strom einfordern, wolle das ÖVP-Team in der Bundesregierung nichts davon wissen, so Kickl: "Dieses Schattenboxen in der ÖVP-Blase hilft den Menschen leider nicht."
Preisdeckel könnten als Sofortmaßnahmen nur der erste Schritt sein, folgen müsse ein "Ausstieg aus der Sanktions-Eskalationsspirale", meinte er und brachte eine Volksbefragung zu diesem Thema ins Spiel.
SPÖ: "ÖVP-Streit lähmt das ganze Land"
Und auch die SPÖ kritisierte den "Streit" in der ÖVP. Dieser lähme das ganze Land, meinte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Die Forderungen der SPÖ lägen längst am Tisch und müssten nur umgesetzt werden. Etwa müssten die Preise auf Lebensmittel, Energie und Wohnen gesenkt, die Übergewinne der Energiekonzerne abgeschöpft und alle Instrumente zur Sicherung der Gasversorgung durch Kooperation mit unseren Nachbarn ergriffen werden. Zudem sei eine Erhöhung der Pensionen und des Arbeitslosengeldes nötig.
ÖGB-Katzian: "Energiepreisdeckel ist längt überfällig"
Als "längst überfällig" bezeichnete ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die aktuellen Forderungen in den Energiemarkt einzugreifen. Länder wie Spanien, Portugal, Frankreich oder Norwegen hätten den Ernst der Lage schon vor Monaten erkannt und regulieren die Preise, so Katzian. Zur Finanzierung schwebt ihm eine Sondersteuer auf Übergewinne vor.
Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) forderte am Montag einen befristeten Preisdeckel für Energie, inklusive Sprit. Diese Maßnahme solle "den Menschen das finanzielle Überleben in den kritischen Herbst- und Wintermonaten" sichern und "ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft angesichts der galoppierenden Inflation vermeiden", sagte Doskozil. Er könne sich einen befristeten Spritpreisdeckel bei 1,50 Euro vorstellen. (TT.com, APA)