Kein Mord, aber lange Haft für 35-Jährigen nach Gewalttat
Unter Tränen schilderte der Mordangeklagte, wie seine Freundin bei vielen Stürzen tödliche Verletzungen erlitt. Der Gutachter sprach hingegen von massiver Gewalt.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck – Der Tod kam langsam. Zwei Tage dauerte es, bis eine 28-jährige Innsbruckerin in der Klinik ihren schweren Verletzungen erlag. Wie sich die Supermarktverkäuferin am 23. bzw. 24. November 2021 diese Verletzungen zugezogen hatte, war am Donnerstag Thema einer Schwurgerichtsverhandlung am Landesgericht. Auf der Anklagebank musste der Lebensgefährte (35) der Frau Platz nehmen. Er habe das Opfer zu Tode geprügelt, warf die Staatsanwältin dem Innsbrucker Mord vor. Doch der bestritt jede Gewalt teils unter Schluchzen und Tränen – die 28-Jährige sei wegen gesundheitlicher Probleme bis zu 20 Mal gestürzt. Die Geschworenen glaubten ihm nicht: 13 Jahre Haft.
Er sei am Vormittag des 23. November vom Einkaufen in die gemeinsame Wohnung in der Amraser Straße zurückgekehrt, schilderte der Angeklagte: „In der Küche fand ich meine Freundin regungslos am Boden liegen. Sie hatte eine massive Beule am Hinterkopf.“ Für den gebürtigen Serben angeblich keine Überraschung – die 28-Jährige habe immer wieder Schwächeanfälle erlitten. Außerdem „war sie eine Selbstverletzerin“. Vor allem in letzter Zeit, weil der gemeinsame Babywunsch nicht in Erfüllung ging. In die Klinik wollte die Verkäuferin aber angeblich partout nicht. Nur ins Bett und etwas schlafen. „Ich wollte ihr ins Schlafzimmer helfen, konnte sie aber nicht festhalten“, verwies der 35-Jährige auf die Drogen, unter deren Einfluss er damals stand. So sei seine Freundin drei weitere Male gestürzt. Auch im Schlafzimmer war die 28-Jährige in den nächsten Stunden laut dem Angeklagten mehrmals aus dem Bett gefallen, ihr Kopf schlug hart auf dem Nachtkästchen auf. Sie prallte angeblich auch „mit vollem Karacho gegen einen eisernen Türstock“. Es sei zudem zu Stürzen gekommen, „die ich gar nicht gesehen, sondern nur gehört habe“. Obwohl ihr Zustand immer schlechter wurde, habe sich die Verkäuferin weiter geweigert, in die Klinik zu fahren. „Wenn ich darauf drängte und das Handy in die Hand nahm, verletzte sie sich selbst und schlug mit dem Kopf gegen die Fensterbank.“ Er habe sich auch mehrfach telefonisch und per WhatsApp mit einem Freund beraten. „Der riet zur Klinik“, gab der Angeklagte zu: „Ja, das war mein größter Fehler und meine Schuld, dass ich nicht die Rettung rief“, schluchzte der Innsbrucker: „Sie war das Zentrum meines Lebens.“
Am Morgen des 24. November habe die Freundin ein „komisches Geräusch von sich gegeben und dann nicht mehr geatmet“. Der Angeklagte rief noch einmal seinen Freund und dann doch die Rettung an. Er habe auch Erste Hilfe geleistet. Am nächsten Tag starb die 28-Jährige in der Klinik.
Gerichtsmediziner Walter Rabl zeichnete ein anderes Bild: Er räumte zwar ein, dass die letztendlich tödliche Verletzung – eine Einblutung unter die harte Hirnhaut – tatsächlich von einem Sturz ohne Gewalteinwirkung verursacht worden sein könnte. Aber zahlreiche andere Quetschungen, Prellungen und Einblutungen am ganzen Körper, aufgelistet auf zwei DinA4-Seiten, würden „schwere körperliche Misshandlungen durch massive Schläge und Tritte“ belegen.
Der Verteidiger sah kein Motiv für die Gewalttaten, sein Mandant und die Verstorbene hätten sieben Jahre eine harmonische Beziehung geführt. Eine Rolle fürs Urteil spielte wohl auch eine WhatsApp-Nachricht, die der Angeklagte am 23. November seinem Freund schrieb: „Es war nur einer, aber der voll.“ Er habe damit keinen Schlag, sondern einen Joint gemeint, rechtfertigte sich der 35-Jährige vor Gericht.
Die acht Geschworenen kamen einstimmig zum Schluss, dass der Angeklagte keine Tötungsabsicht verfolgt und damit auch keinen Mord begangen hat. Zugeschlagen hat der 35-Jährige nach Ansicht der Geschworenen aber dennoch. Für die absichtliche schwere Körperverletzung verhängte Richterin Nadja Obwieser 13 Jahre Haft (nicht rechtskräftig).