Toyota Camry im Test: In der Ruhe liegt die hybride Kraft
Eine ausgewachsene 218-PS-Limousine mit Spatzenverbrauch? So etwas gibt es. Mit dem Camry treibt Hybridpionier Toyota 20 Jahre Erfahrung auf die Spitze und schafft die Quadratur des Kreises.
Von Reinhard Fellner
Innsbruck – Wie fast alle Limousinen der oberen Mittelklasse ist der Toyota Camry auf unseren Straßen eine seltene Erscheinung. Weltweit gesehen ist Toyotas Top-Limousine indes ein Bestseller. In den USA (!) ist er beispielsweise seit Jahren der meistverkaufte Pkw (Pick-up-Modelle ausgenommen).
Die Motorisierung des Camry dürfte dafür wohl den Ausschlag geben. Auch wenn es das Blechkleid dieses Toyotas vielleicht nicht zu vermitteln vermag, schlummert unter dessen Haube die 20-jährige Kompetenz des Hybrid-Pioniers. So wurde ein 178-PS-Benziner mit dem stattlichen Hubraum von 2,5 Litern mit einem Elektromotor kombiniert, der sich während der Fahrt auflädt. Macht bei geladenem Akku eine Systemleistung von 218 PS. Diese hybride Kraft wird über eine stufenlose Automatik verwaltet. Der Clou beim Camry: Durch vorhandene Schaltwippen und vordefinierte Gänge genießt man im Stadtverkehr die Vorteile einer fließend schaltenden Automatik und setzt eine forschere Gangart und Steigungen trotzdem ohne Motorgeheule um. Der Hubraum und eine ausgeklügelte Elektronik machen es möglich. So scheint dieses Hybridpaket förmlich in sich zu ruhen. In der Ruhe liegt die Kraft. Und so erzieht der Camry schon ab den ersten Kilometern zu gelassenem, nervenschonenendem und gleitendem Fahren. In der Innenstadt ist man bei gefülltem Akku (rekuperiert/lädt während der Fahrt) im „EV-Modus“ sogar ein paar Kilometer vollelektrisch unterwegs. Den Rest sollte man dem „Eco“- oder „Normal“-Modus überlassen. Sie erzeugen mit Unterstützung der Batterie den typisch „flauschigen“ Fahreindruck.
Ein Anachronismus indes die Sporttaste. Sie passt zum Camry wie schwerer Rotwein zu Austern. Auch wenn nur sie unter Motor-Aufheulen die versprochene Beschleunigung von 8,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h ermöglicht.
Gleitet man, schafft die Limousine verbrauchsmäßig schon fast die Quadratur des Kreises und beschämt viele Kleinwagen: Gerade 5,7 Liter waren es im TT-Test. Ein sanfterer Druck aufs Gaspedal wird sogar mit Werten unter fünf Litern belohnt.
Dem entspannten Wesen des großen Toyota entsprechen da schon eher die exzellente Geräuschdämmung und die üppigen Fauteuils für Fahrer und Beifahrer. Diese sind in der getesteten „VIP“-Version mit weichem Leder überzogen und tragen ein Stück zur Wohlfühlatmosphäre bei. Teil des Sitzpakets sind außerdem Sitz-Heizung und -Belüftung.
Sehr angenehm für Langstreckenfahrer gleichwie Taxilenker, welchen den Camry in Tirol offensichtlich immer öfter in ihre Dienste stellen. Neben einem glattflächigen Kofferraum mit 524 Litern Fassungsvermögen dürfte der gewerbliche Einsatz noch weitere Gründe haben – ist die Zuverlässigkeit der Marke doch legendär und gilt das Hybrid-System seit seinem Einsatz im Prius als nahezu ewig haltbar.
Ganz gleich, wer nun am Steuer sitzt, blickt der Lenker seit der jüngsten Überarbeitung des Camry übrigens auf einen Neun-Zoll-Bildschirm inmitten des Armaturenbretts. Dieser liegt nun optimal im Sichtfeld des Fahrers und harmoniert perfekt mit allen Smartphones der zwei Betriebssysteme. Im Widerspruch zur Modernität steht leider die grafische Darstellung des Navigationssystems, welche bereits etwas angejahrt wirkt. Ansonsten lässt sich der Camry glücklicherweise auch noch nach guter alter Tradition per Drehknöpfen und Tasten bedienen. Da bedeutet mancher Berührungsbildschirm einen klaren Rückschritt.
Ab 45.690 Euro beginnt die Reise im Camry, den absolut vollausgestatteten „VIP“ gibt es ab 53.368 Euro. Wer den Service bei Toyota macht, hat jetzt zehn Jahre Garantie.