Barenboim und die Wiener Philharmoniker: Eine tragische Grenzerfahrung
Salzburg – Leider bringt es nichts, um die Sache herumzureden: Daniel Barenboim geht es momentan sehr schlecht. So schlecht, dass sein Konzert mit den Wiener Philharmonikern zum echten Problemfall wurde. Man möchte freilich gerade in niemandes Haut stecken. Wir haben einen Künstler, der den Festspielen über sehr viele Jahre eng verbunden ist und für den Auftritte alles sind. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, was in so einem Fall von Veranstalterseite her zu tun ist. Schließlich muss es auch – und ganz wesentlich – um künstlerische Qualität gehen!
Für die Wiener Philharmoniker war der Abend indes kein Ruhmesblatt. Man konnte keinen echten Willen erkennen, aus der schwierigen Sache das Beste zu machen. Wie fahrig und ungenau manche Streicher agierten, wie lustlos manch Holz und Blech musizierte, dies wirkte schlicht unwürdig.
Daniel Barenboim leitet die Aufführung im Sitzen, blättert teilweise sehr mühsam die Noten um, gibt dem Orchester wenige Einsätze, die Sänger vergisst er fast vollständig.
Erster Programmpunkt: der zweite Akt aus Camille Saint-Saëns „Samson et Dalila“. Mit großen orchestralen Bögen und flirrender Harmonik wird eine opulente Liebesszene erzählt. Elina Garanca singt Dalila fantastisch, wobei sie mühelos den Takt vorgibt, dem Brandon Jovanovich eher mühsam zu folgen versucht. Immer wieder blickt er hilfesuchend zum Dirigenten, ohne Erfolg. Es gibt eben tolle Sänger, die Einsätze brauchen, Jovanovich gehört dazu, und das ist keine Schande. Michael Volle als Oberpriester liegt etwa in der Mitte, er kommt einigermaßen zurecht.
Am Ende hat man ein flaues Gefühl und fürchtet sich vor Wagners „Parsifal“ – auch davon gibt es den zweiten Aufzug. Hier muss leider wirklich von einem Desaster gesprochen werden. Immerhin entzückt Garanca als Kundry, die mit verführerisch loderndem Mezzo sämtlichen Widrigkeiten trotzt und für Glücksmomente sorgt. Michael Volles Klingsor gerät immer wieder ins Straucheln, wird scharf und zu laut, artikuliert ungenau. Brandon Jovanovich singt den Parsifal, seine Stimme bricht mehrfach ein, er schwimmt durch seine Partie, man spürt in fast jedem Moment, wie unwohl er sich fühlt.
Am Ende verlassen Teile des Publikums fluchtartig das großen Festspielhaus, manche applaudieren höflich, einige frenetisch.
Es gehen nun aufrichtige Genesungswünsche an Daniel Barenboim, der unter anderem im Oktober an der Berliner Staatsoper einen neuen „Ring des Nibelungen“ dirigieren möchte. (jff)