Der Gaspolster wird dicker: Österreichs Speicher zu 62 Prozent gefüllt
Die Speichermenge entspricht beinahe zwei Dritteln des Jahresverbrauchs in Österreich, allerdings ist nicht die gesamte gespeicherte Menge für die österreichischen Verbraucher bestimmt.
Wien – In den österreichischen Gasspeichern sind mittlerweile 59,2 Terawattstunden (TWh) Erdgas eingelagert – damit sind die Speicher zu rund 62 Prozent voll. Die Speichermenge entspricht beinahe zwei Dritteln des Jahresverbrauchs in Österreich, allerdings ist nicht die gesamte gespeicherte Menge für die österreichischen Verbraucher bestimmt. Vollen Zugriff wird die Republik auf die strategische Gasreserve von 20 TWh haben, wovon 8,5 TWh nicht aus Russland stammen.
"Bis 2027 haben wir die Abhängigkeit von russischem Erdgas beendet", zeigt sich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einer Aussendung sicher, auch wenn dafür ein "nationaler Kraftakt" notwendig sei, "jeder und jede soll sich daran beteiligen". In den vergangenen Monaten habe Österreich seine Abhängigkeit von russischem Gas von 80 auf unter 50 Prozent reduziert, heißt es aus dem Ministerium.
Im Hinblick auf den bevorstehenden Winter hat sich die Lage im Vergleich zum heurigen Frühjahr etwas entspannt, der Gas-Sicherheitspolster ist deutlich dicker geworden. Dazu beigetragen hat auch, dass dem russischen Speichervermarkter GSA bisher ungenutzte Kapazitäten im Gasspeicher Haidach entzogen und die Vermarktung der RAG übertragen wurden – dieser Speicher wird mit der strategischen Reserve befüllt. Haidach soll noch heuer an das österreichische Marktgebiet angeschlossen werden, bisher dient der Speicher nur zur Versorgung von Verbrauchern in Deutschland.
Damit das russische Gas schneller durch teureres Gas aus anderen Ländern ersetzt werden kann, sieht das Gasdiversifizierungsgesetz u.a. vor, dass Teile der Mehrkosten vom Bund übernommen werden. Die OMV hat sich dazu wie berichtet 40 TWh Leitungskapazität besichert, um Gas aus Norwegen, Rotterdam und Italien nach Österreich bringen zu können.
Eigenproduktion von Biogas soll erhöht werden
Der Gasbedarf soll außerdem reduziert werden, indem Anlagen gefördert werden, die auf andere Energieformen statt Gas zurückgreifen können – im Notfall soll sogar das Kraftwerk Mellach wieder mit Kohle betrieben werden. Um auch die Haushalte zum Sparen zu motivieren, ist zu Beginn der Heizsaison eine groß angelegte Werbekampagne geplant.
Die Eigenproduktion von Biogas soll von derzeit zwei bis drei TWh erhöht werden, 10 TWh seien "machbar", meint man im Ministerium. Das EAG (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) als wesentliche Grundlage dafür ist bereits beschlossen, andere Gesetze – das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das Energie-Effizienz-Gesetz, die UVP-Reform, das Grün-Gas-Gesetz und das Klimaschutzgesetz – sind in Begutachtung oder werden noch verhandelt, wobei das lang erwartete Klimaschutzgesetz derzeit auf Eis liegen dürfte, weil sich die Regierungsparteien nicht einigen können und es für die ÖVP "nicht die oberste Priorität" hat.
Falls die Gaslieferungen aus Russland ganz ausbleiben sollten, kann der Staat Energielenkungsmaßnahmen ergreifen, damit bevorzugt Haushalte, die Nahrungsmittelerzeugung, die Stromversorgung und die Spitäler versorgt werden können.
Diversifizierung weg von russischem Gas
"Wir befinden uns in einer Situation, wie wir sie seit Bestehen der E-Control noch nie erlebt und zu bewältigen hatten", sagte E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Man habe etliche Datenerhebungen unter Großabnehmern, Fernwärmeunternehmen, Netzbetreibern und Speicherkunden im In- und Ausland durchgeführt und ausgewertet, acht Verordnungen angepasst und vorbereitet. Einige davon seien bereits in Kraft, andere für mögliche Eskalationsstufen vorsorglich ausgearbeitet.
Ministerin Gewessler lässt sich in Energiefragen vom früheren E-Control-Vorstand Walter Boltz beraten. Er urgiert u.a. den raschen Ausbau der Infrastruktur für den Gasimport aus Deutschland, Italien, Slowenien und Kroatien, "so dass wir bis zu 100 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs bei Bedarf von dort importieren können". Dieser Ausbau müsse so geplant werden, dass man künftig auch Wasserstoff in den Leitungen transportieren kann. Die Diversifizierung weg von russischem Gas müsse auch bei geänderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen weitergeführt werden, so Boltz. "Österreich darf nie mehr von einem einzelnen Lieferanten so massiv abhängig werden." (APA)