Milliardenhilfe für Wien Energie

Wien Energie: Beratungen zu Hilfe gehen weiter, wenig Verständnis in Tirol

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verteidigte am Dienstag das Vorgehen der Wien Energie.
© APA/HANS KLAUS TECHT

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verteidigte das Vorgehen der Wien Energie und kündigte eine Sonderprüfung in der Causa an, während die Verhandlungen um die Finanzhilfen weiter laufen. In Tirol regt sich Widerstand: ÖVP-Obmann Mattle hat mit seiner Kritik nachgelegt, auch die FPÖ fordert Antworten.

Wien – Die geplante Kreditlinie in Höhe von 2 Mrd. Euro für den in finanzielle Turbulenzen geratenen Energieversorger Wien Energie war am Dienstagabend noch nicht finalisiert. "Die Verhandlungen laufen noch", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in der "ZIB2". Er hoffe auf eine Lösung "in den nächsten Stunden". Experten würden derzeit noch Details klären.

Um die Finanzlage der Wien Energie besser einschätzen zu können, verlangt der Finanzminister Einblick in die Geschäftsgebarung des Energieversorgers. "Die Bedingung ist natürlich, dass aufgeklärt wird. Einsichtsrechte spielen auch eine Rolle." Nur dann könne man nachvollziehen, ob es zu Spekulationsverlusten gekommen sei, oder nicht, so Brunner

📽️​ Video | Finanzminister Brunner über die Hilfskredite

Spekulationsvorwürfe wies die Wien Energie am Dienstag in einer Aussendung zurück. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte eine Sonderprüfung der Organe von Wien Energie und Stadtwerken durch den Stadtrechnungshof und externe Gutachter an. "Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt", so Ludwig.

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) erklärte am Dienstagnachmittag, der am Montag zu leistende Betrag von über 1,7 Mrd. Euro sei eine Kaution, "die nicht verloren ist, die kein Aufwand ist". Inzwischen habe sich herausgestellt, dass davon 798 Mio. Euro wieder gutgebucht worden seien. Am Dienstag habe Wien Energie "gar keine zusätzlichen" Garantien gebraucht.

📽️ Video | Wien Energie: Ludwig kündigt Prüfung an

Im Worst-Case-Szenario - also bei einer weiteren Verdopplung des Strompreises diese Woche - würde die Wien Energie nach eigenen Angaben 5 Mrd. Euro an Garantien benötigen, 10 Mrd. Euro im "Worst-Worst-Case". Im besten Fall benötige Wien Energie "gar keine Sicherheitsgarantien" vom Bund, hieß es in einer Aussendung des Energieversorgers.

Keine vergleichbaren Probleme bei anderen Versorgern

Bei anderen österreichischen Energieversorgern dürfte es keine mit der Situation der Wien Energie vergleichbaren Probleme geben. Dafür gibt es laut Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) keine Hinweise. Auch IHS-Direktor Klaus Neusser sieht dafür derzeit keine Anzeichen. Beim Verbund oder Tiwag etwa sei die finanzielle Lage gut, so Neusser im "ORFIII Sommer(nach)Gespräch".

Als Gründe für die finanzielle Notlage wurden seitens der Wien Energie zuletzt die exorbitanten Großhandelspreise für Strom und Gas genannt. Um die Versorgung der Kunden sicherzustellen, führe man Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch und müsse dabei - wie alle Börsenteilnehmer - Sicherheitsleistungen hinterlegen, die man derzeit aber nicht leisten könne.

Der Rechnungshof will indes den Ursachen der Entwicklung und vor allem für den akuten Finanzbedarf auf den Grund gehen. Es sollen "insbesondere die Geschäftstätigkeit im Energiehandel und die Rolle des Eigentümers durchleuchtet werden", hieß es auf Twitter. "Die finanzielle Lage, der Finanzbedarf und die Transparenz im Lichte der Versorgungssicherheit werden zentrale Fragen sein."

Kritik von NEOS, FPÖ, Grünen und ÖVP

Mit harscher Kritik an den Vorgängen und dem Ruf nach Aufklärung reagierten NEOS und die FPÖ. "Das aktuelle Krisenmanagement der Wien Energie ist unzureichend und ihrer Kommunikation fehlt jeglicher Willen zur Transparenz. Da werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet", kritisierte der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS).

Die FPÖ prüft auch eine Anzeige gegen Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs, wie Parteichef Dominik Nepp und Klubobmann Maximilian Krauss erläuterten. Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) erwartet angesichts der finanziellen Schieflage der Wien Energie und der Teuerung eine "Krise epischen Ausmaßes". Er bekräftigte deshalb am Dienstag die FPÖ-Forderung nach einer Sondersitzung des Nationalrates. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ortete eine fatales Management-Versagen, für das die Wiener SPÖ die alleinige Verantwortung trage.

Kritik an Wien kam auch von der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer. "Offensichtlich hat die Stadt schon viel länger Kenntnis dieses Problems, weil es wurde uns mitgeteilt, dass bereits mehrfach, mehrere hundert Millionen, sogar Milliarden zugeschossen wurden, um dieses Problem zu lösen, dementsprechend muss die Stadt schon viel früher Informationen über dieses Problem gehabt haben", sagte sie. "Sie haben es aber verabsäumt, rechtzeitig an uns heranzutreten."

📽️ Video | Experte: Hohes Preisniveau bei Energie bleibt

Wenig Verständnis in Tirol

Wenig Verständnis für eine Finanzhilfe des Bundes zeigte am Montag Tirols ÖVP-Chef und Landtagswahl-Spitzenkandidat Anton Mattle. Die Schieflage des Energieversorgers sei zwar "bedauerlich", sagte er. "Klar muss aber sein, dass nicht jene Bundesländer, deren Energieversorger umsichtig gewirtschaftet haben, für die Schwierigkeiten der Energieversorger im Osten aufkommen müssen", hielt Mattle fest.

Tirol habe immerhin seine "Hausaufgaben gemacht und massiv in den Ausbau der Wasserkraft investiert", argumentierte Mattle, der auch als Aufsichtsratschef des landeseigenen Energieversorgers Tiwag eingesetzt worden war. Tirol habe "Milliarden" für die Energieautonomie in die Hand genommen. Das laufende Bauprogramm der Tiwag belaufe sich auf 1,6 Mrd. Euro und die Wien Energie "braucht nun offensichtlich sechs Milliarden als Sicherheit, um weiter Strom einkaufen zu können", zeigte er sich ablehnend. "Es kann und darf deshalb nicht sein, dass der Westen für Liquiditätsprobleme der Bundeshauptstadt bezahlen soll", verdeutlichte der sich im Wahlkampf befindliche Wirtschaftslandesrat seine Position.

Mattle legt nach, FPÖ gegen Rettung mit Steuergeldern

Mattle hat am Dienstag mit seiner Kritik noch einmal nachgelegt. Er geißelte in einer Aussendung die "Wiener Geheimniskrämerei". Die Situation auf dem europäischen Strommarkt betreffe alle Energieversorger, gerade deshalb sei es für ihn "unverständlich, dass die Wien Energie quasi über Nacht einen Liquiditätsbedarf im Ausmaß mehrerer Milliarden Euro schlagend macht."

Tirols ÖVP-Chef Anton Mattle.
© Rita Falk / Tiroler Tageszeitung

"Ein Umstand, den selbst die Stadt Wien nicht mehr unter den Teppich kehren kann und sich an die Bundesregierung gewandt hat", so Mattle. Fast stündlich würden sich nun die Wiener Forderungen an den Bund verändern, dabei bleibe die Bundeshauptstadt aber eine nachvollziehbare Erklärung, warum es erst soweit kommen konnte, schuldig. "Noch immer ist nicht geklärt, welche Börseninstrumente die Wien Energie angewendet und ob sich der Energieversorger verspekuliert hat", kritisierte der sich im Landtagswahlkampf befindliche Landeshauptmannkandidat. In Tirol habe man "Milliarden in eine nachhaltige Energiezukunft investiert" und werde jetzt "sicherlich nicht leichtfertig zusehen, wie Milliarden in andere, weniger krisenresistente Energieversorger gesteckt werden, ohne den Umfang des Skandals zu kennen". "Alle Fakten müssen auf den Tisch, denn die Wienerinnen und Wiener, aber auch die restlichen Bundesländer erwarten sich volle Aufklärung", so Tirols ÖVP-Obmann.

Unterdessen meldete sich in der Causa auch die Tiroler FPÖ zu Wort. Landesparteiobmann Markus Abwerzger sprach sich dagegen aus, dass "Tiroler Steuergelder für die Rettung der roten Wiener Skandalgesellschaft Wien Energie GmbH" verwendet werden. Abwerzger kündigte eine "Anfragenserie" im Tiroler Landtag an. "Egal wer künftig in der Regierung sitzt, wir wollen Antworten darüber, ob Tiroler Steuergelder, oder gar Tiwag Gelder, in die versuchte Rettung der Wien Energie geflossen sind, denn so kann es nicht sein", so der FPÖ-Chef, der sich über das "Ausmaß der Misswirtschaft in der Bundeshauptstadt" erschüttert zeigte. (TT.com, APA)

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