Negativrekord im Ötztal: Hintereisferner so stark wie nie geschmolzen
Laut Daten der Universität Innsbruck hat der Ötztaler Hintereisferner heuer so viel Masse verloren wie noch nie. In zehn bis 20 Jahren wird nur noch die Hälfte des Gletschers übrig sein, so Wissenschafter Rainer Prinz. Es handle sich um eindeutige Signale des menschengemachten Klimawandels.
Innsbruck – „Vom Hintereisferner wird in zehn bis 20 Jahren nur noch die Hälfte übrig sein“: Die Worte des Tiroler Gletscherforschers Rainer Prinz sind alarmierend. Schon seit mehr als 100 Jahren wird der eisige Gigant im hinteren Ötztal genau beobachtet, seit 1952 gibt es durchgehende Aufzeichnungen zu seiner Massenbilanz. Aber noch nie in dieser Zeit ist der Gletscher in einem Sommer so enorm geschrumpft wie heuer.
Laut Daten der Universität Innsbruck hat ein besonders ungünstiger Mix aus einem schneearmen Winter und einem heißen Sommer den Gletscher fünf Prozent seines Gesamtvolumens gekostet – ein Schmelzrekord. „Das entspricht knapp 20 Millionen Kubikmeter Wasser, etwa so viel wie die Stadt Innsbruck in 20 Monaten an Trinkwasser verbraucht“, so Prinz.
Bereits zu Beginn des Sommers sei absehbar gewesen, dass der Hintereisferner auf eine negative Massenbilanz zusteuere. „In den Wintermonaten sammelten sich im Mittel nur zwei Meter Schnee an, normalerweise sind es mindestens drei. Im Juni, Juli und August wurden zudem in diesem Gebiet die zweithöchsten je gemessenen Temperaturen verzeichnet“, sagt der Wissenschafter vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften. Die verheerende Kombination führte dazu, dass in diesem Jahr der bisherige Negativrekord aus dem Jahr 2003 bereits am 25. August übertroffen wurde – um wie viel genau, hängt laut Uni Innsbruck davon ab, wie viel Eis bis zum Beginn des nächsten Winterhalbjahres im Herbst noch schmelzen wird.
Eindeutige Signale des menschengemachten Klimawandels
Der Zukunft sehen die Forscher jedenfalls mit großer Sorge entgegen, denn die Entwicklungen „liegen außerhalb normaler Schwankungsbreiten“. Auch wenn künftig nicht jeder Sommer wie der heurige verlaufen werde, habe man es mit eindeutigen Signalen des menschengemachten Klimawandels zu tun. „Die Folgen unserer Treibhausgasemissionen treffen uns bereits heute voll“, sagt Prinz.
An der Uni arbeitet derzeit ein Team unter Lilian Schuster und Fabien Maussion an der Weiterentwicklung des Open Global Glacier Model OGGM, ein offen zugängliches Modell zur Simulation für Gletscherentwicklung. Dabei zeigte sich, dass ein jährlicher Volumenverlust von fünf Prozent immer häufiger werde. Konkret heißt das laut Prinz, dass vom Ötztaler Hintereisferner in zehn bis 20 Jahren nur noch die Hälfte übrig sein wird. (TT.com/reh)
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