Krieg in Ukraine

Russische Munitionsdepots bei Cherson durch ukrainische Angriffe zerstört

Dieses Foto vom 29. August zeigt die Zerstörung nach einem russischen Bombenangriff auf die Stadt Mykolaiv. Ukrainische Truppen wollen die Großstadt Cherson zurückerobern.
© DIMITAR DILKOFF

Präsident Selenskyj: Holen uns besetzte Gebiete zurück. Drei Zivilisten wurden bei russischen Angriffen in Charkiw getötet. In der Nähe des AKW Saporischschja kam es nach Beschuss zu einem Stromausfall.

Kiew, Moskau, Cherson – Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben vier russische Munitionsdepots in der Region Cherson zerstört. Auch würden Brücken über den Dnipro unter Beschuss genommen, teilte das Südkommando der ukrainischen Streitkräfte mit. Unterdessen ist es nach erneutem Artilleriebeschuss beim südukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja in der nahe gelegenen Stadt Enerhodar zu einem Stromausfall gekommen.

Sowohl die von Russland eingesetzten Besatzungsbehörden als auch der aus der Stadt geflohene Bürgermeister Dmytro Orlow bestätigten den Vorfall am Dienstag auf Telegram. Dem Besatzungsvertreter Wladimir Rogow zufolge soll es sieben Einschläge im Bereich des Kraftwerk-Trainingszentrums gegeben haben. Ein Reaktor soll dennoch weiter 150 Megawatt für den Eigenbedarf der Kühlsysteme liefern.

Notabschaltung im letzten noch betriebenen Block

Am Montag hatte der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom zuerst mitgeteilt, dass es beim sechsten und letzten noch betriebenen Block eine Notabschaltung gegeben habe. Später jedoch übermittelte Kiew an die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) die Information, der Strombedarf des Kraftwerks werde nach einer erzwungenen Trennung vom ukrainischen Netz weiter von einem im Betrieb befindlichen Reaktor gedeckt.

Russlands Verteidigungsministerium warf der Ukraine am Dienstag vor, Saporischschja innerhalb der vergangenen 24 Stunden 15 Mal mit Artillerie beschossen zu haben. Im Gegenzug macht Kiew die russischen Truppen, die das AKW bereits seit Anfang März besetzen, immer wieder für Angriffe auf das Gelände verantwortlich. Die Angaben beider Seiten lassen sich in der Regel nicht unabhängig überprüfen.

Sorge vor Atomkatastrophe

Der gehäufte Artilleriebeschuss erhöhte zuletzt international die Sorge vor einer Atomkatastrophe rund um das mit sechs Reaktoren und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt größte Kernkraftwerk Europas. Für Dienstag wurde die Veröffentlichung eines Berichts einer Mission der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA unter Leitung von Chef Rafael Grossi zum Kraftwerk erwartet. Zuletzt waren zwei IAEA-Experten in Enerhodar.

Nachdem zunächst wenig über den Verlauf der vorige Woche eingeleiteten ukrainischen Gegenoffensive im Süden der Ukraine bekanntgeworden war, meldeten die Behörden zuletzt Fortschritte im Norden der Region Cherson. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte dem Sender ABC News, die Ukraine gehe Schritt für Schritt gegen die Besetzung ihres Territoriums vor. Der Konflikt könne jetzt nicht eingefroren werden, die Ukraine hole sich ihre Gebiete zurück. "Es ist nur eine Frage der Zeit."

In den mehr als sechs Monaten Angriffskrieg in der Ukraine soll die russische Armee ukrainischen Angaben zufolge bereits mehr als 50.000 Soldaten verloren haben. Nach 195 Tagen Invasion seien 50.150 russische Soldaten getötet worden, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstag per Facebook mit. Ebenso will die ukrainische Armee bereits 2.077 Panzer, 4.484 gepanzerte Fahrzeuge, 236 Flugzeuge und 207 Hubschrauber abgeschossen haben.

Es gibt keine unabhängigen Bestätigungen der Angaben. Das britische Verteidigungsministerium geht von lediglich etwa 25.000 getöteten russischen Soldaten aus. Russland selbst hat seit langem keine Angaben mehr zu eigenen Gefallenen gemacht. Die prorussischen Separatisten in Donezk hatten am vergangenen Freitag ihre Verluste seit dem Start der Invasion auf etwas mehr als 2900 Tote beziffert. Demgegenüber stehen nach den seltenen Kiewer Angaben über eigene Verluste etwa 9000 getötete und 7000 vermisste ukrainische Soldaten.

Russland mit Mangel an Aufklärungsdrohnen

Ein Mangel an Aufklärungsdrohnen erschwert nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten zunehmend die Einsätze der russischen Truppen in der Ukraine. Das geht am Dienstag aus dem täglichen Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor. "Angesichts von Verlusten auf dem Schlachtfeld ist es wahrscheinlich, dass Russland Schwierigkeiten hat, seine Bestände an unbemannten Luftfahrzeugen aufrechtzuerhalten", hieß es in der Mitteilung auf Twitter. Das werde verschärft durch die mittels internationaler Sanktionen hervorgerufene Verknappung an Ersatzteilen.

"Die begrenzte Verfügbarkeit von Aufklärungsdrohnen dürfte das taktische Lagebewusstsein der Kommandeure vermindern und Einsätze zunehmend behindern", so die Einschätzung der Briten.

Russland habe in den vergangenen Jahren zunehmend auf Drohnen gesetzt, besonders um Ziele für die Artillerie auszumachen. Diese seien jedoch anfällig für Abschüsse und elektronische Störsignale. In den vergangenen Tagen sei die Zahl der Drohneneinsätze westlich des Dnipro-Flusses zurückgegangen. Auch mehrere Abschüsse seien gemeldet worden. (APA/Reuters/dpa)

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