Innenpolitik

Regierung fixierte Strompreisbremse von Dezember bis Mitte 2024

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP, l.) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne, Mitte) mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).
© GEORG HOCHMUTH

Bis Mitte des übernächsten Jahres soll der Strompreis bis zu einem Verbrauch von 2900 Kilowattstunden gedeckelt werden. Im Vorfeld der offiziellen Bekanntgabe am Mittwoch gab es bereits Kritik an der Maßnahme.

Wien – Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Strompreisbremse beschlossen. Diese deckelt den Tarif überraschend sogar bis Mitte 2024. Erstmals soll die Erleichterung auf der Stromrechnung für Dezember ablesbar sein. Konkret wird der Preis bis zu einem Verbrauch von 2.900 Kilowattstunden gesponsert. Bis dahin sind nur 10 Cent pro Kilowattstunde zu bezahlen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte im Pressefoyer nach der Regierungssitzung, dass von den Rundfunkgebühren (GIS) Befreite noch eine zusätzliche Unterstützung erhalten sollen. Laut Gewessler werden sie bis zu 200 Euro zusätzlich einsparen. Denn es wird für diese Gruppe, die rund 200.000 Personen umfasst, einen Abschlag von 75 Prozent der Netzkosten geben.

Haushalte mit mehr als drei Personen können per Antrag weitere Erleichterungen bekommen. Hier wird das Modell erst ausgearbeitet.

📽️​ Video | Reiter (IHS) zur Strompreisbremse

Kosten von drei bis vier Milliarden Euro

Nehammer sprach insgesamt von einer schnellen, einfachen und niederschwelligen Lösung, passiere die Deckelung doch automatisch. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte, dass man mit den Zuschüssen für die Menschen den Grundbedarf an Strom absichern wolle.

Billig ist das Sponsoring nicht. Laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) werden die Kosten drei bis vier Milliarden betragen.

Felbermayr: Sparanreiz fällt bei vielen weg

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kritisierte die Regelung am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal". Da so bei rund der Hälfte der Kunden der gesamte Stromverbrauch subventioniert werde, falle der Sparanreiz weg.

Felbermayr, auf dessen Initiative an einem Deckel-Modell gearbeitet wurde, sieht am gewählten Modell als "Kardinalfehler", dass die Haushaltsgröße nicht automatisch berücksichtigt wurde. Dies bevorzugt kleinere Haushalte. Aber man habe eben eine unbürokratische Lösung gesucht, bei der kein Antrag gestellt werden müsse.

Auf einen weiteren kritischen Faktor macht das Wifo in einer Aussendung aufmerksam. Die Kompensation eines den Fixpreis übersteigenden Marktpreises soll bei 40 Cent pro kWh gedeckelt sein, das heißt die maximale Kompensation der Energieversorgungsunternehmen beträgt 30 Cent pro kWh. Darüber liegende Preissteigerungen müssten die Energieversorgungsunternehmen selbst decken. Dieser Ankerpreis könne dazu führen, dass (mittelfristig) alle Energieversorgungsunternehmen einen Einheitstarif zu 40 Cent anbieten werden, um die Differenz zwischen dem Ankerpreis und ihrem Schattentarif (kalkulatorischer Strompreis) abzuschöpfen.

So funktioniert die Strompreisbremse

Pro Haushalts-Zählpunkt werden maximal 2900 kWh als Grundbedarf gefördert, dies sind rund 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs der österreichischen HaushaltskundInnen. Als Schwellenwert werden 10 Cent pro Kilowattstunde angenommen, das entspricht etwa dem Vorkrisen-Niveau. Der obere Schwellenwert liegt bei 40 Cent pro Kilowattstunde.

▶️ Das bedeutet: VerbraucherInnen, die 25 Cent Arbeitspreis pro Kilowattstunde vom Energieversorgungsunternehmen in Rechnung gestellt bekommen, erhalten für die festgelegten 2900 kWh jeweils 15 Cent pro Kilowattstunde vom Staat abgezogen. Wer 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen muss, erhält 30 Cent vom Staat. Bei 45 Cent sind es ebenfalls 30 Cent. Diese Obergrenze soll verhindern, dass Energieversorgungsunternehmen angesichts dieser Unterstützungsleistung die Preise anheben.

▶️ Nach dem Beschluss im Ministerrat am Mittwoch soll die Stromkostenbremse schnellstmöglich im Parlament, voraussichtlich im Oktober, beschlossen werden.

Agenda Austria kritisiert: Zu viel Förderungen

Viel harscher fällt die Kritik des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria aus. 90 Prozent der Haushalte bekämen heuer knapp 1.000 Euro vom Staat zugeschossen, um die Teuerung abzufedern. Die Gelder seien noch gar nicht zur Gänze geflossen, aber schon jetzt werde die nächste Maßnahme beschlossen. Hinzu kämen Doppel- und Mehrfachförderungen zwischen Bund und Ländern. Während noch die Überförderung während der Corona-Pandemie kritisiert werde, mache die Regierung denselben Fehler wieder.

In den Details fällt die Kritik ähnlich aus wie die Felbermayrs. Einerseits verweist Agenda Austria auf den fehlenden Sparanreiz, andererseits darauf, dass gerade größere Haushalte häufiger finanzielle Schwierigkeiten aufwiesen und nun verhältnismäßig geringer entlastet würden.

E-Control spricht von Kompromiss

Auch der ehemalige E-Control-Chef Walter Boltz bezeichnete die Lösung im Ö1-"Mittagsjournal" als "Kompromiss" – nämlich zwischen Treffsicherheit und möglichst einfacher administrativer Abwicklung. Die Kunden selbst, so hob er hervor, müssten sich über letztere wenig Gedanken machen. Dass Versorger nun Preise erhöhen würden, um sich ein "Körberlgeld" zu verdienen, glaubt er nicht. Dies sei nicht sehr wahrscheinlich, da dies für Kunden, die über der Grenze liegen würden, eine massive Erhöhung bedeuten würde. Der Bezieherkreis sei für die Unternehmen aber von Bedeutung: "Man verärgert dann die besten Kunden."

Die Deckelung mit 40 Cent pro kWh Obergrenze ist für Boltz verständlich. Der Finanzminister brauche budgetäre Planbarkeit. Wenn es zu massiven Preiserhöhungen komme, werde man dann wohl noch einmal über diese Grenze diskutieren, vermutete er. (APA)

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