Klangspuren

Klangspuren-Start: Kristallklare Klänge in einer Sauna ohne heiße Luft

„Reich/Richter“ von Steve Reich und der Film „Moving Picture (946-3)“ von Gerhard Richter und Corinna Belz bei der Klangspuren-Eröffnung.
© Nagl

Das strahlend-souveräne Ensemble „Windkraft“ unter Kaspar de Roo brachte zum Klangspuren-Start Herz und Hirn der Zuhörenden zum Schwingen.

Von Joachim Leitner

Schwaz – Das Hören von Neuer Musik, sagt Christof Dienz, sei eine Erfahrung für alle Sinne. Und die lasse sich am besten mit dem Gang in die Sauna vergleichen: „Es ist intensiv, manchmal anstrengend und es erhöht den Puls. Kurzum: ein gutes Gefühl.“ Dienz, kreativer Kopf der Knoedel, ist ein Teil des neuen Leitungsduos der Klangspuren. Der zweite Teil, die italienische Komponistin Clara Iannotta, fehlte am Donnerstagabend beim Eröffnungskonzert des 29. Tiroler Festivals für zeitgenössische Neue Musik. Sie habe „aus persönlichen Gründen“ absagen müssen, erklärte Dienz in seiner Eröffnungsansprache.

Dienz und Iannotta sind angetreten, um die Klangspuren, die sich in den vergangenen Jahren bisweilen in hochgeistiger Sperrigkeit verloren, neu zu denken. Offener, diverser und sinnlicher soll das Festival werden. Auch das hat Dienz am Donnerstag im Schwazer SZentrum noch einmal unterstrichen.

Wie das gemeint ist, wie es sich – um im von Christof Dienz abgesteckten Feld zu bleiben – in der neuen Klangspuren-Sauna anfühlen könnte, wurde beim ersten Konzert der heurigen Auflage mehr als nur angedeutet. Ziemlich gut nämlich. Denn auch für das von Windkraft – Kapelle für neue Musik unter Kaspar de Roo strahlend souverän Dargebotene gilt, was die durchwegs dankenswert kurzen Festreden vormachten: keine heiße Luft – und trotzdem ausreichend notwendige Reibung, um Spannung und schließlich wohlige Wärme zu gewährleisten.

Der Auftakt war tragisch. In „Melodrama“, das in Schwaz zur Uraufführung kam, orientiert sich die junge Komponistin Soyeon Park nicht zuletzt an der Übertragödie von Romeo und Julia. Dabei entwickelt sich die Liebe zögernd – nur nach und nach finden die Dissonanzen zusammen, gehen für Augenblicke ineinander auf, zarte Harmonien klingen an, versprechen aber mehr, als die emotional fordernde Komposition ihnen zugesteht: kein Schmalz, sondern kühles Studium fragiler Konstellationen – eine lohnende Entdeckung.

Die Tendenz ins Kristalline verbindet „Melodrama“ auch mit dem Hauptstück dieses stimmigen Eröffnungsabends: Steve Reichs „Reich/Richter“. Reich, eine Ikone der US-amerikanischen Minimalmusik, hat den Film „Moving Picture (946-3)“ des in mehrfacher Hinsicht „Über-Malers“ Gerhard Richter und der Regisseurin Corinna Belz nicht etwa vertont, sondern um eine sinnliche Dimension erweitert. Das Ergebnis ist hypnotisch: Auf der Leinwand multiplizieren sich die Farben und Strukturen – und öffnen dadurch immer neue Dimensionen. Die Musik tut es den Bildern nach: treibt einer ganz eigenen Dynamik folgend voran, greift weit in den Raum hinein – und ergriff, das ließ sich zweifelsfrei ausmachen, Herz und Hirn mancher Zuhörenden. Auch nach dem abrupt gesetzten Schluss schwang der Raum schwindelerregend nach. Das soll eine Sauna der Musik erst einmal nachmachen.

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Angela Dähling

Angela Dähling

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