Tiroler Filmemacher Daniel Shehata: Gauner, Geschäfte und Gefühle
Der Tiroler Filmemacher Daniel Shehata (37) hat in London einen Gangster-Film rund um Uhren gedreht. „The Nautilus Mutiny“ sahnt bei Jurys ab, bald sollen die Kassen klingeln.
Von Matthias Christler
Innsbruck – Tick, tack, tick, tack, die Zeit ist reif für einen Tiroler Regisseur, der einen auf Quentin Tarantino („Pulp Fiction“) und Guy Ritchie („Rock N Rolla“) macht. Nebenbei noch Genehmigungen für Drehorte bekommt, wo Christopher Nolan („Inception“) eine Abfuhr erhielt. Eine Übertreibung? Vielleicht. Aber wenn man Daniel Shehata zusieht, wie er sich in einem Innsbrucker Caféhaus in den Stuhl zurücklehnt, die Augen leicht zusammenkneift und von seinem Projekt erzählt, könnte man meinen, der Pate sitzt vor einem. Während bei Don Vito Corleone eine rote Rose im schwarzen Sakko steckt, ist es beim 37-jährigen Tiroler ein Tuch.
Peng, Peng. Fehlt nur noch die Waffe. „Ein Gangster? Nein“, das wolle er nicht sein, auch nicht, um sich im beinharten Filmgeschäft nach oben zu arbeiten. „Ich bin hoffentlich der Typ Gentleman“, sagt er, und das Wort „Gentleman“ spricht er im schönsten British English aus. „Danach strebe ich, jemand zu sein, der andere gut behandelt. Sobald du irgendwie den Anschein erweckst, schmierig zu sein, haben die Leute nicht mehr Bock, mit dir zu arbeiten.“
Ähnlich tickt die Hauptfigur im Independent-Film „The Nautilus Mutiny“. Ein Klein-Ganove (gespielt von Nicholas Pople), der für einen kriminellen Uhrenhändler in London arbeitet, fühlt sich zu etwas Größerem berufen und möchte aussteigen – einen Job muss er noch erledigen. Shehata, der das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, lässt den Helden an der Lesestörung Dyslexie leiden. Zu leicht will er es ihm nicht machen.
🎬 Trailer | „The Nautilus Mutiny“
Das Grundgerüst der Geschichte kennt man; den hadernden Helden mit Makel genauso. Doch was der Tiroler Filmemacher daraus macht, ist 44 Minuten lang – gedreht an fünf Drehtagen mit einem Budget von 50.000 Euro – optisch ein Knaller. Peng, peng! So ein Kompliment trifft Shehata mitten ins Herz. Er reicht die Ehre an Oliver Cox weiter, der für die Kameraaufnahmen verantwortlich war. Als Shehatas Gesprächspartner im Café kurz einwirft, dass ihn manche Einstellungen und Wendungen an Filme wie jene von Tarantino erinnern, braucht Shehata ein paar Sekunden, tick, tack, um sich zu fangen. „Dass ich als Tiroler Bua so einen Film in London gemacht habe, ist ein Wahnsinn.“
Besonders, wenn man weiß, wie weit der Weg war. Er wuchs in Steinach und Wörgl auf, ging in Innsbruck an die HTL für Elektrotechnik, studierte an der Uni Anglistik und Amerikanistik, übersiedelte in die Schweiz, schrieb zuerst Gebrauchsanweisungen und arbeitete sich bis zum Projektleiter in verschiedenen Unternehmen hoch. Doch all das erfüllte ihn nicht. Er wollte aussteigen, er fühlte sich zu etwas anderem berufen. „Ich sah irgendwann keinen Grund mehr, aus dem Bett aufzustehen. Ich war am Rande einer Depression.“ Dann erinnerte er sich daran, als er 2012 für sein Studium einen Kurzfilm im Innsbrucker Hotel Europa gedreht hatte. Und an den Moment, als er seinen Studienkollegen den Film zeigte und er mit seinem Werk 30 Menschen unterhielt. „Das war einer der besten Augenblicke meines Lebens. Da war ich wie vom Blitz getroffen.“ Und der Funke ist nie verflogen.
Auch in der Schweiz, wo er mit seiner kanadischen Frau lebt, glühte dieser weiter. Und der Funke führte ihn immer wieder nach London. Vor ein paar Jahren schrieb er sich dort an der Raindance Film School ein. An „The Nautilus Mutiny“, im Grunde ein Studentenprojekt, hat er drei Jahre lang gearbeitet. Bislang wurde er nur den Jurys kleinerer Festivals vorgeführt. Wenn man sich das Filmplakat ansieht, das vollgepackt ist mit Auszeichnungen, inzwischen elf Winner-Awards und weitere Nominierungen, wird klar, dass er schon den einen oder anderen Fan hat.
Volltreffer. Denn darauf hat Shehata spekuliert. „Als wir den Film gemacht haben und ich Szenen noch mal und noch mal gedreht habe, ging es darum, dass es besser ausschaut als bei anderen. Ich wollte, dass der Film Preise gewinnt, dass er von Produzenten gepickt wird, die daraus eine Serie oder einen neuen Film machen.“ Der Vater eines sechs Wochen alten Sohnes denkt in großen Dimensionen.
Dazu passt die Nolan-Anekdote. Er und sein Produzent Bobby D’Buze saßen im Hard Rock Hotel in London und überlegten, wo sie eine Szene drehen könnten, die in einer glamourösen Toilette spielt. Also fragten sie im Hotel an. „Das ist eine amerikanische Kette, das bedeutet viel Papierkrieg. Und die Chefin vor Ort erzählte uns gleich, dass Nolan, ja der Christopher Nolan, vor ein paar Monaten dort im Stiegenhaus drehen wollte. Der legte denen aber keine Risikoanalyse vor. Wir schon. Die haben zu uns ,Ja‘ gesagt und ,Nein‘ zu Nolan.“
Das erzählt er nicht, um anzugeben, sondern um zu zeigen, wie er Projekte angeht: mit Professionalität. Und mit Leidenschaft. Im harten Film-Geschäft geht es im Grunde um Gefühle. „Der Moment, wenn man am Set ,Action‘ sagt, der Moment ist heilig. Da fühlt man die Spannung in der Luft, die man mit dem Messer schneiden könnte.“
Tick, tack, seit zwei Stunden sprudelt es nur so aus Shehata heraus. Er spricht über den Film. Über andere, die ihn inspirierten (von Tim Burtons „Batman“ bis hin zu „London Boulevard“ von William Monahan). Und darüber, wie sich das Kino in technischer Hinsicht neu erfinden muss. Er wäre aber im Moment schon dankbar, wenn ein paar Menschen in einem Tiroler Kino erleben könnten, was er erschaffen hat.
Und danach will er mehr. Wie sein Hauptdarsteller hat Shehata eine Vision von sich, wie er sein will. Die unterscheidet sich noch von der, wie ihn andere sehen, die ihn einbremsen wollen. Ein Produzent habe ihm gesagt, er solle sich in den Film nicht so reinsteigern. Der erste sei immer „shit“. „Und da habe ich mir gedacht: ,Du wirst schon sehen.‘“ Und bald soll diesen Film jeder sehen. Die Zeit läuft. Tick, tack.