Hanno Loewy über das Debakel documenta: „Gab kein Klima des Dialogs“
Zum zweiten Mal geht der Ö-Museumspreis ans Jüdische Museum Hohenems. Direktor Hanno Loewy über die Zukunft jüdischer Museen und das Debakel documenta.
Vor Kurzem erhielt das Jüdische Museum Hohenems erneut den Österreichischen Museumspreis. Seit 19 Jahren sind Sie dort Leiter. Gibt es ein Erfolgsrezept?
Hanno Loewy: Nach seiner Eröffnung 1991 hat das Museum sehr schnell den Preis bekommen. Wohl auch deshalb, weil es damals das erste museologisch wirklich auf der Höhe der Zeit argumentierende jüdische Museum im deutschen Sprachraum war. Es hat außerdem sehr früh angefangen, engagiert Vermittlungsarbeit als Teil der Museumsarbeit wahrzunehmen. Und das Haus hatte früh den Anspruch, ein politischer Ort des gesellschaftlichen Diskurses zu sein. Schlussendlich ist es zu einem Labor für die experimentelle Entwicklung von Ausstellungen geworden, die sich grundsätzlich mit Fragen des Zusammenlebens beschäftigen. Und wir verbinden Fragen der Gegenwart mit jüdischer Geschichte und Kultur.
Ein Haus, das in der Region eng verankert ist. Vor Kurzem haben Sie eine Radroute mit 52 Stationen eröffnet.
Loewy: Genau, auch das Thema der Migration und Flucht spielte bei uns seit jeher eine entscheidende Rolle. Ebenso wie die Überzeugung, dass man das Haus auch mal verlassen muss, um gute Museumsarbeit zu leisten. In Ho-henems bietet sich das mit dem urbanen Viertel an, wo die jüdische Geschichte ja an der Architektur ablesbar ist. Die Nähe zur Grenze haben wir seit Jahren thematisiert – eine Grenze, die man ambivalent wahrnehmen kann. Was heute Naherholungsgebiet ist, war 1938 Fluchtgebiet. Diese dramatischen Fluchtgeschichten erzählen wir nun entlang eines Radwegs. Das hat insofern mit der Gegenwart zu tun, weil damals im Zielland der Flucht, also der Schweiz, schon Ressentiments und Behördenschikanen an der Tagesordnung standen – eben ähnlich wie heute. Das Museum muss sich also auch mit Themen beschäftigen, die gesellschaftlich tabuisiert sind.