Forscher: Traditionelle Almwirtschaft durch mehrere Faktoren unter Druck
Veränderungen der Vegetation, Wasserknappheit, Beutegreifer und Co. machen den Bergbauern in Österreich immer stärker zu schaffen. Laut Markus Schermer vom Forschungszentrum für Berglandwirtschaft an der Uni Innsbruck dürfte sich die Lage weiter zuspitzen.
Wien/Innsbruck – Der Klimawandel und Beutegreifer wie der Wolf sind nur einige Probleme, die traditionellen Bergbauern in Österreich zu schaffen machen. Das ist das Fazit von Markus Schermer, dem stellvertretenden Leiter am Forschungszentrum für Berglandwirtschaft der Universität Innsbruck. Veränderungen in der Vegetation der Alpen durch den Klimawandel seien schon jetzt spürbar, in Zukunft könne sich auch die finanzielle Lage der Landwirte weiter zuspitzen.
Schon heute könne man laut Schermer in den Bergregionen vermehrte Steinschläge sowie eine Verlängerung der Vegetationszeit beobachten. "Das bedeutet zwar eine längere Zeit, in der die Kühe auf die Weide können. Positiv ist das aber nur dann, wenn auch die Niederschläge entsprechend sind." Momentan sieht es nicht danach aus: Immer extremere Witterungsschwankungen führten zu stärkeren Trockenphasen, die wiederum Ernteerträge schmälern könnten, so Schermer anlässlich der dieser Tage in Innsbruck stattfindenden "International Mountain Conference" (bis 15. September). Durch Wasserknappheit könne es in Zukunft auch zu Herausforderungen in der Verteilung der Wassernutzung kommen. Es gelte dann abzuwägen, wie viel Wasser noch für die Landwirtschaft verwendet werden könne.
Wald dringt in höhere Lagen vor
Die Klimaerwärmung schreite in Bergregionen rascher fort als im Tal. Von der Trockenlage betroffen waren traditionell schon inneralpine Gebiete in Tirol und Südtirol, aber auch in anderen Gegenden könnten Probleme durch Trockenheit zunehmen. Bei Veränderungen in der Alpwirtschaft spiele jedoch nicht nur der Klimawandel eine Rolle, vielmehr würden verschiedene Faktoren ineinandergreifen. Einerseits dringe durch den Klimawandel der Wald in höhere Lagen vor und verdränge landwirtschaftliche Nutzflächen. Andererseits könne die zunehmende Bewaldung aufgrund fehlender Arbeitskräfte nicht effizient gestoppt werden.
Um Landwirtschaft in Gebirgsregionen zu erhalten, brauche es laut Schermer auch in Zukunft verstärkt Förderung durch öffentliche Gelder. Zwar sehe man derzeit auch positive Entwicklungen durch den Klimawandel, zum Beispiel dass in Tirol jetzt auch Wein angebaut werden könne. Österreichische Bergbauern könnten seiner Einschätzung nach in Zukunft jedoch generell gezwungen sein, auf trockenresistentere Pflanzenarten umzusteigen.
"Im Worst-Case-Szenario geben Bauern die Landwirtschaft zunehmend auf. Dann wird der Wald die landwirtschaftlichen Gebiete übernehmen und die regionale Versorgung mit Nahrung kann nicht mehr sichergestellt werden", so Schermer. Den Wert der Bergregionen sieht er jedoch nicht nur in der Lebensmittelproduktion. "Klar kann man sagen, man braucht diese Regionen nicht, wenn man alle Lebensmittel billiger importieren will." Dann müsse man sich aber auch fragen, was das für andere Bereiche, wie etwa für den Tourismus bedeuten würde.
Für problematisch hält Schermer auch die gesellschaftliche Kritik an Wiederkäuern wegen ihres Methanausstoßes: "Gerade Nicht-Wiederkäuer, wie Hühner und Schweine, werden häufig viel intensiver gehalten als Kühe." Außerdem sei das Dauergrünland nur über den Magen eines Wiederkäuers verwertbar. "Die traditionelle Landwirtschaft ist am besten an die Berge angepasst", betont Schermer.
Schermer arbeitet derzeit mit einer norwegischen Forschungsgruppe an einem Projekt, das sich mit den Auswirkungen von Bioökonomie auf die traditionelle regionale Lebensmittelproduktion auseinandersetzt. Er moderiert am Donnerstag bei der "International Mountain Conference" den Beitrag "Mountain food regimes, global challenges and local answers". (TT.com, APA)
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