Krieg in Ukraine

Exekutionen und sexuelle Gewalt an Kindern: UNO wirft Russland Verbrechen vor

Russland marschierte in der Ukraine ein, seitdem wurden erwiesenermaßen auch schwerste Kriegsverbrechen begangen.
© IMAGO/David Ryder

Eine unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen bestätigte, dass in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen wurden. Der Vorsitzende nannte russische Luftangriffe auf Wohngebiete, Erschießungen, Massengräber bis hin zu gefolterten und vergewaltigten Kindern.

Genf, Kiew – Im russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine hat es nach Einschätzung einer UNO-Untersuchungskommission Kriegsverbrechen gegeben. "Die Kommission hat festgestellt, dass Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen worden sind", sagte der Vorsitzende der UNO-Kommission, der Norweger Erik Møse, am Freitag im UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Konkret nannte er etwa russische Luftangriffe auf bewohnte Gebiete, die große Anzahl an Erschießungen und Massengräbern.

Die Kommission habe 27 Städte und Siedlungen besucht und dort mit 150 Opfern und Zeugen gesprochen. Fälle von Exekutionen würden in 16 Städten und Siedlungen untersucht, doch gebe es zu weiteren Orten "vertrauenswürdige Berichte", so Møse. In einer anschließenden Pressekonferenz kündigte er an, auch die jüngst in der befreiten Stadt Isjum entdeckten Gräber untersuchen zu wollen. Bisher hatte sich die Kommission auf Vorfälle bis Ende März in den Gebieten Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy konzentriert, aus denen die russischen Besatzer Anfang April vertrieben worden waren.

Kinder von Russen vergewaltigt, gefoltert und eingesperrt

Der frühere Chef des UNO-Kriegsverbrechertribunals für Ruanda berichtete im UNO-Gremium auch von Fällen, in denen Kindern "vergewaltigt, gefoltert und illegal festgehalten" wurden. Auch sexuelle Übergriffe auf Frauen habe gegeben. "Wir haben dokumentiert, dass russische Soldaten solche Verbrechen begangen haben", präzisierte Kommissionsmitglied Jasminka Džumhur anschließend vor Journalisten. Umgekehrt habe es lediglich zwei Fälle gegeben, in denen russische Soldaten von ukrainischen Armeeangehörigen misshandelt worden seien.

"Wir können nicht sagen, dass es hier eine Gleichwertigkeit gibt", sagte Džumhur auf die konkrete Frage der APA, ob sich die Kriegsverbrechens-Feststellung auf beide Konfliktparteien bezieht. Die Verletzungen durch die russische Seite seien solcherart gewesen, "dass wir festgestellt haben, dass es sich um Kriegsverbrechen gehandelt hat". Auch das dritte Kommissionsmitglied, der kolumbianische UNO-Experte Pablo de Greiff, sprach von "bedeutend größeren Zahlen und Vorfällen auf der Seite der Russischen Föderation, die den Charakter von Kriegsverbrechen haben".

Kreml-Armee unterscheidet nicht zwischen Soldaten und Zivilisten

Møse hatte in seinem etwa zehnminütigen mündlichen Bericht vor dem höchsten Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen ausgeführt, dass sich die Kommission auf besonders schwerwiegende und aufschlussreiche Vorfälle konzentriert habe. Als Beispiele für Kriegsverbrechen führte er Charkiw an, wo russische Angriffe "ganze Landstriche verwüstet haben". Beim Beschuss sei "nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterschieden" worden, außerdem sei Streumunition eingesetzt worden.

Møse beklagte, dass Russland - anders als die Ukraine - bisher nicht mit der Kommission kooperiere. Sie werde sich aber weiter um einen Dialog mit Moskau bemühen. Die Kommission sei unabhängig und unparteiisch und gehe allen Hinweisen für Menschenrechtsverletzungen nach. Ausreichend Hinweise für das Vorliegen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit habe man aber noch nicht sammeln können, sagte der Norweger vor Journalisten. "Dafür braucht es mehr Beweise und Analysen. Als Kommission sagen wir nämlich nur das, wovon wir überzeugt sind", betonte er. Die Kommission werde auch alles tun, um Täter zu identifizieren und zu benennen. Auch diesbezüglich könne bisher noch keine Aussage getroffen werden.

Aggressor Russland von anderen Staaten verurteilt

Nach der Präsentation fand im Menschenrechtsrat eine Debatte statt, in der sich mehrere Dutzend Staaten zu Wort meldeten. Fast alle begrüßten den Bericht und verurteilten Russland, das dem Treffen trotz einer expliziten Einladung fernblieb. Für den Aggressorstaat ergriffen lediglich die Vertreter von Venezuela, Syrien und Belarus Partei. Die österreichische UNO-Botschafterin Désirée Schweitzer zeigte sich "entsetzt über die zahlreichen Berichte von Kriegsverbrechen" und rief dazu auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

In Österreich reagierten ÖVP-Europaabgeordneter Otmar Karas und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf den Bericht. Karas wertete die Feststellung von Kriegsverbrechen als "Beweis, wie wichtig entschlossene EU-Sanktionen sind. Wer jetzt deren Ende fordert, unterstützt Putins Propaganda", twitterte er. Ähnlich äußerte sich Meinl-Reisinger. "Putin ist ein Kriegsverbrecher und gehört zur Verantwortung gezogen", forderte sie.

Die Kommission wurde vom UNO-Menschenrechtsrat ins Leben gerufen, um Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln und Täter zu identifizieren. Sie will eigenem Bekunden zufolge in der ganzen Ukraine tätig sein, hat sich einem entsprechenden Auftrag des Menschenrechtsrates zufolge aber zunächst auf die angeführten vier Regionen und den Zeitraum bis Ende März konzentriert. Das Mandat der Kommission, deren drei Mitglieder ehrenamtlich tätig sind, ist auf ein Jahr befristet. Im März soll es einen Endbericht geben, für Oktober ist ein Zwischenbericht für die UNO-Vollversammlung geplant. Der Kommission stehen 24 Mitarbeiter zur Verfügung, darunter 18 Ermittler, die ihrer Tätigkeit von der Wiener UNO-City aus nachgehen. (APA)

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