Energie

Sicherer und billiger: Grazer Firma präsentiert neuartigen Atomreaktor

Die ganze Anlage soll im Prinzip auf drei Lkw Platz haben.
© Klemm/Schandl

Emerald Horizon will einen Reaktor entwickeln, der sicherer und billiger ist als klassische Atomkraftwerke. Mit dabei ist ein Tiroler Anlagenbauer.

Wien, Graz, Hall – Die Grazer Firma Emerald Horizon präsentiert morgen im Parlament „ADES“ (Accelerator Driven Energy Source), einen Flüssigsalzreaktor „made in Aus­tria“. Das Versprechen: eine sichere, umweltschonende und günstige Form der Kernenergie – und dies sozusagen im „Westentaschenformat“.

Ausgangspunkt ist das Element Thorium, das nur schwach radioaktiv ist und quasi überall auf der Erde vorkommt. In größeren Mengen fällt es als Nebenprodukt bei der Förderung seltener Erden an. Bei ADES wird das Metall transmutiert (Veränderung eines chemischen Elementes in ein Anderes) und im weiteren Verlauf kontrolliert zum Zerfall und damit zur Energiefreisetzung gebracht. „Der Reaktor wird von außen kontrolliert und kann sozusagen per Knopfdruck ein- und ausgeschaltet werden“ betont Emerald-Geschäftsführer Florian Wagner.

Kernenergie-Experte Mario Müller und Emerald-Horizon-Vorstandschef Florian Wagner (v. li.).
© Klemm/Schandl

Die Energiefreisetzung selbst geschehe in flüssigem Salz, das bei jedweder Beschädigung der Maschine sofort erstarren würde. Der benötigte „Anstoß“ zur Kernenergiefreisetzung wird in klassischen Konzepten durch Zugabe von Uran bewerkstelligt. Bei Emerald Horizon setzt man stattdessen auf die Basis der Medizintechnik in der Krebsbehandlung. „Statt Uran oder Plutonium verwenden wir Teilchenbeschleuniger, ähnlich wie sie bei MedAustron in Wiener Neustadt in der Krebsbehandlung verwendet werden“, erklärt Mario Müller, Forschungs- und Entwicklungschef bei Emerald Horizon. Es entstehe kein Druck und es gäbe keine Brennstäbe, die gekühlt werden müssen. 500 bis 900 Grad Celsius sollen im Reaktor herrschen. Diese Hitze wird mittels Wärmetauscher in weitere Module geleitet. Darin kann einerseits mittels eines weiteren Flüssigkeitskreislaufs eine Turbine und ein Generator angetrieben werden, um ohne CO2-Emissionen Strom zu erzeugen. Eine andere Möglichkeit ist die Erzeugung von Wasserstoff durch ein thermochemisches Verfahren.

Strom für bis zu 5000 Haushalte

Die in Containergröße entwickelte Hülle mit den Wärmetauschern und anderen ansteckbaren Modulen wurde von der Bernard ­Gruppe in Hall entwickelt. „Dabei geht es um die technische Planung der Anlage, die Beratung im Hinblick auf das Genehmigungs­verfahren sowie eine beratende Tätigkeit in der Konzeptionierung“, heißt es vonseiten der Firma auf ­Anfrage. Die ganze Anlage soll im Prinzip auf drei Lkw Platz haben. Den Energie-Ertrag im laufenden Betrieb beziffert Müller bis zum 1000-Fachen des notwendigen „Inputs“, um den Reaktor am Laufen zu halten. „Künftige Serien-Container sollte 1000 bis 5000 Haushalte versorgen können“, so Müller.

Als potenzielle erste Kunden sieht Emerald konventionelle AKW rund um Österreich, deren Umrüstung durch das Konzept der Grazer möglich sein soll. Die in AKW eingesetzten Brennstäbe würden aktuell nicht zur Gänze verwertet. Lediglich zwei Prozent eines Uran-Brennstabs können laut Müller zur Energiegewinnung genutzt werden, der Rest würde als stark strahlender Atommüll gelagert. In einer weiteren Entwicklungsstufe könnten abgebrannte Brennstäbe verwertet werden, um vorhandenen Atommüll zu reduzieren. Das würde zudem den Abbau der ­radioaktiven Reste auf 300 Jahre verkürzen. Laut Müller könnte der vorhandene Atommüll den Planeten für 3000 Jahre mit Strom versorgen, wenn man ihn für Thorium-Reaktoren einsetzt.

Gretchenfrage Uran 233

Thorium gilt vielen als Wunderstoff für künftige Kernreaktoren. Doch das Material birgt auch Risiken: Es lässt sich daraus auch waffenfähiges Uran 233 (233U) gewinnen, wie Kritiker immer wieder mahnen. Dazu erklärt Physiker Mario Müller, dass bei dem Verfahren von Emerald Horizon kein 233U angereichert würde. „Durch unsere externen Neutronen entsteht kurzfristig aus dem Thorium 232 (Th) der notwendige Zwischenzustand 233U, um die Energie aus dem Kern freisetzen zu können, wobei dies nicht durch Zertrümmerung geschieht, sondern durch eine mittels Resonanz ausgelöste Spaltung (Fission) mit unseren externen Neutronen“, so Müller.

Im stationären Gleichgewicht würden gleiche viele 233U-Atome aus den 232Th-Atomen entstehen (Transmutation) wie durch Energiefreisetzung vergehen. Dadurch würde der komplette Ablauf von außen kontrolliert und gesteuert und nicht den systemimmanenten Kaskadenprozessen überlassen.

Zu diesem Zweck hat die Firma bereits die angrenzenden Länder, die AKW betreiben, als Zielgebiete definiert. Slowenien ist dabei schon Teil des Projektes. Während die Grundlagenforschung in Graz passiert, liegt die Entwicklung des so genannten „Loops“ – wo der eigentliche Zerfall des Thoriums und die Energiefreisetzung passieren – beim Jožef-Stefan-Institut (JSI) in Slowenien. Bis 2031 soll ein fertiges Produkt existieren. „Wir sehen unsere Technologie nicht nur in Kommunen oder an Industriestandorten als autarke, zentrale ­Energieversorgung, sondern zum Beispiel auch als nahezu CO2-neutrale Energiequelle für zum Beispiel die Schifffahrt“, so Wagner. (hu)

Info-Box

  • Sicherheit: Die Kernreaktion bei Uran muss ständig eingedämmt werden, damit es zu keiner Kernschmelze kommt. Thorium ist bereits geschmolzen, bei einem Unfall verfestigt sich das Salz ohne menschliches Zutun und schließt das Thorium ein
  • 300 Jahre: Dauert es maximal, bis verbrauchtes Thorium seinen natürlichen Strahlenlevel erreicht hat. Bei Uran dauert dies mehrere 100.000 Jahre. Außerdem fällt bei Thorium weniger Atommüll an. Endgelagert werden muss der trotzdem, aber unter einfacheren Bedingungen.
  • Ausbeute: In einem herkömmlichen Kernreaktor kann nur ein bis zwei Prozent des Urans energetisch verwertet werden. Bei Thorium liegt die Ausbeute bei weit über 90 Prozent.

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