„Human Madness“: Großes Orchesterwerk zum Dauerthema Flucht
Livemusik, Poesie, Tanz und Video: Der neue Zyklus von Harry Triendl aus Telfs will „aufrütteln“ – Doppelpremiere ist am Wochenende.
Von Michael Domanig
Telfs, Innsbruck – Wenn man dieser Tage die Zeitung aufschlägt, wird sofort klar: Brisanter und aktueller könnten die Fragen, die der Telfer Musiker und Multimediakünstler Harry Triendl in seinem neuen, bereits sechsten Zyklus aufgreift, gar nicht sein: Das große, multimediale Bühnen- und Orchesterstück unter dem Motto „Human Madness“ dreht sich nämlich um das Reizthema Flucht. Premiere ist am Samstag um 20 Uhr im ORF Studio 3 in Innsbruck sowie am Sonntag um 19 Uhr im Rathaussaal Telfs.
Eigentlich wollte Triendl im neuen Epos von „menschlichem Wahnsinn“ im Allgemeinen erzählen, vom ausbeuterischen Umgang miteinander und gegenüber dem Planeten. Doch vielerorts, wo es Menschen ohnedies schon schwer hätten, kämen noch politische Repression und Krieg hinzu, meint Triendl – und damit eben der Gedanke an Flucht. Dass diese zum zentralen Thema wurde, war dann der Recherche geschuldet, die Triendl u. a. in Tiroler Flüchtlingsheime führte.
Wobei er „recht naiv“ an die Sache herangegangen sei, wie Triendl einräumt. Er habe rasch gemerkt, dass viele Geflüchtete „ihre Erfahrungen lieber vergessen wollen, statt davon zu erzählen“. Inhaltlich baut das Stück daher eher auf schon vorhandenen Flucht-Geschichten auf – aber auch auf den Berichten eines afghanischen Flüchtlings gegenüber dem Tiroler Poeten Paul Fülöp. Dessen Geschichte ist auch im ausführlichen Programmheft nachzulesen (bereits jetzt zu finden unter www.kunst4life.net).
Über drei Jahre hat die Arbeit am vielschichtigen Werk gedauert, das in fünf Kapiteln exemplarisch vom tragischen Schicksal eines Flüchtlings erzählt: Wie und wo ist er aufgewachsen? Was hat ihn letztlich angetrieben oder gezwungen, den riskanten Weg in eine ungewisse Zukunft anzutreten?
Auf der Bühne agieren insgesamt 27 LivemusikerInnen von drei zeitgenössischen Ensembles, nämlich von TENM – Tiroler Ensemble für Neue Musik, dem Orchester der Akademie St. Blasius und dem „kunst4life“-Ensemble. Zu hören sind Uraufführungen von Triendl sowie Klex Wolf, Hannes Kerschbaumer, Hannes Sprenger, Josef Haller und Kathi Wagner. Für die begleitenden Videosequenzen haben die bekannte Tänzerin Marie Stockhausen und 13 Flüchtlinge, großteils aus dem Flüchtlingsheim Telfs, verschiedene Aspekte des Themas bildlich umgesetzt. Dazu kommen Realaufnahmen von Seenot-Rettungen der Organisation Sea-Watch sowie zwei Gesangsstücke, u. a. von einem kurdischen Sänger. Thomas Lackner führt als Erzähler durch den Zyklus.
Ziel sei es, das Publikum aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen, schließt Triendl, „vor allem darüber, wie es einem selbst in der Situation eines Geflüchteten gehen würde“. Er wolle „70 Minuten lang in eine andere Sichtweise entführen“. Auch seine persönliche Sicht aufs Thema Flucht habe sich stark verändert: „Die Auseinandersetzung mit einzelnen Personen und Geschichten ist ganz etwas anderes, als darüber in den Medien zu lesen.“
Der Kartenvorverkauf für Telfs erfolgt über Ö-Ticket (wobei Triendl erfreut berichten kann, dass Flüchtlinge kostenlosen Zutritt haben), für das Konzert im ORF kann man sich Tickets per Anmeldung unter Tel. 0512/5343-26220 sichern.