Systemkritische Proteste im Iran

Höchststrafe für „Unruhestifter": Gericht verurteilt Demonstrant im Iran zum Tode

Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von einer anhaltenden Protestwelle erschüttert.
© ATTA KENARE

Fast 15.000 Menschen sind Schätzungen zufolge in den vergangenen zwei Monaten im Zuge der landesweiten Proteste vom iranischen Regime festgenommen worden. Ihnen drohen härteste Strafen. Ein Revolutionsgericht verhängt für einen Demonstranten nun die Todesstrafe.

Teheran – Im Iran ist erstmals ein Todesurteil im Zusammenhang mit den seit Wochen anhaltenden Protesten gegen die Führung des Landes verhängt worden. Ein „Unruhestifter" sei am Sonntag wegen Brandstiftung an einer staatlichen Einrichtung sowie Gefährdung der nationalen Sicherheit zum Tode verurteilt worden, erklärten die Justizbehörden einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna zufolge. Der Verurteilte sei unter anderem schuldig befunden worden, ein Regierungsgebäude angezündet, „die öffentliche Ordnung gestört" und die „nationale Sicherheit" bedroht zu haben. Ihm wird demnach auch „Korruption auf Erden" vorgeworfen sowie ein „Feind Gottes" zu sein – einer der schwersten Straftatbestände des iranischen Rechts. Weitere Details zu dem verurteilten Demonstranten wurden nicht genannt.

Ein weiteres Teheraner Gericht verurteilte laut Misan Online zudem fünf Angeklagte zu Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren wegen „Verschwörung zu Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und Störung der öffentlichen Ordnung". Die Verurteilten können noch Berufung einlegen.

Parlament ruderte zuvor bei Höchststrafen für Demonstranten zurück

Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von einer anhaltenden Protestwelle erschüttert. Amini war von der Sittenpolizei festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Zahlreiche Menschen – überwiegend Demonstranten, aber auch Sicherheitskräfte – wurden während der Proteste getötet. Die iranischen Behörden verurteilen die Proteste als „Unruhen".

Zuvor hatte das iranische Parlament am Sonntag Berichte über eine Forderung einer Mehrheit der Abgeordneten nach harten Strafen für die inhaftierten Demonstranten im Iran dementiert. „Das in den Medien erwähnte Schreiben von 227 Abgeordneten war Dokumentenfälschung und die Berichte diesbezüglich werden somit dementiert", gab das Parlament in einer Presseerklärung bekannt.

Einige Abgeordnete hätten lediglich harte Strafen für diejenigen gefordert, die während der Unruhen am Mord und Blutvergießen beteiligt waren, so die Erklärung laut Nachrichtenagentur FARS. Beobachter bewerteten die Behauptung einer angeblichen Fälschung als ein Zurückrudern.

„Krieg gegen Gott" vorgeworfen

Medienberichten zufolge hatten vergangene Woche 227 der insgesamt 290 Parlamentarier in einer Erklärung den Teilnehmern der landesweiten Proteste „Krieg gegen Gott" vorgeworfen und von der Justiz entsprechende Urteile gefordert. Gemäß islamischem Recht könnte die Anklage „Krieg gegen Gott" auch die Todesstrafe zur Folge haben – und genauso wurde das auch im In- und Ausland ausgewertet.

Beobachter im Land halten die Behauptung, dass es sich bei der von staatlichen Medien aufgegriffenen Erklärung um eine Fälschung gehandelt haben soll, für unglaubwürdig. Daher ist ihrer Einschätzung nach das Dementi auch nur der Versuch, die im In- und Ausland aufs schärfste verurteilte Forderung nach de facto Todesstrafen für die Protestierenden wieder zurückzunehmen. Das iranische Parlament wird seit 2020 von Hardlinern dominiert, die seitdem für ihre radikalen – und unbedachten – Entscheidungen bekannt sind.

EU bereitet nächstes Sanktionspaket vor

An diesem Montag wollen die EU-Staaten angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran ein neues Sanktionspaket beschließen. Der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel nahm am Freitag einstimmig entsprechende Pläne an, wie mehrere Diplomaten bestätigten. Am Montag soll der förmliche Beschluss folgen. Konkret sollen von den Strafmaßnahmen 31 Personen und Einrichtungen betroffen sein. (APA/dpa)

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