LH noch Tiwag-Aufsichtsratschef

WWF kritisiert Mattle: "Verfilzung zwischen Tiwag und Politik beenden"

Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung will Mattle den Vorsitz bei der Tiwag geordnet übergeben. WWF und Grünen geht das nicht schnell genug.
© Thomas Boehm / TT

Dass Anton Mattle in seine Funktion als Tiwag-Aufsichtsratschef immer noch nicht zurückgelegt hat, sorgt mehr und mehr für Kritik. Der WWF fordert ein Ende der jahrzehntelangen Verfilzung zwischen Tiwag und Landespolitik.

Innsbruck – Seine Doppel-Funktion als Landeshauptmann und Tiwag-Aufsichtsratschef bringt Anton Mattle nicht nur von den Grünen und den NEOS Kritik ein: Auch der WWF fordert eine strikte Abgrenzung und Entpolitisierung von Landesunternehmen wie der Tiwag. Bereits im Frühling 2021 kritisierte der Österreichische Rechnungshof, dass in fast einem Viertel der direkten Beteiligungen Tirols Mitglieder der Landesregierung oder Abgeordnete zum Landtag als Aufsichtsorgane bestellt sind. „Wir fordern die neue Tiroler Landesregierung auf, die jahrelange Verfilzung zwischen Land und Landesunternehmen schnellstmöglich zu beenden und die Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Vor allem bei der Tiwag gibt es Handlungsbedarf, um eine naturverträgliche Energiewende zu schaffen“, sagt Gewässerschutz-Expertin Bettina Urbanek von der Naturschutzorganisation WWF Österreich. „In Zukunft sollten keine Politikerinnen und Politiker mehr in Aufsichtsräten von Landesunternehmen vertreten sein, sondern nur noch ausgewiesene Fachleute ohne Interessenskonflikte. Deren Bestellung muss objektiviert und transparent ablaufen.“

Gegenüber der Tiroler Tageszeitung hieß es wie berichtet, dass „Mattle das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der Tiroler Wasserkraft AG bei der nächsten Hauptversammlung zur Verfügung stellen und geordnet übergeben wird, um sich auf seine Tätigkeiten als Landeshauptmann, seine Ressortverantwortung und die Aufgabe als Eigentümervertreter zu konzentrieren“.

📽️ Video | Breite Kritik an Mattles Doppelfunktion

Der grüne Klubchef Gebi Mair hatte sich zuletzt ebenfalls verwundert darüber gezeigt, dass Mattle den Tiwag-Aufsichtsratsvorsitz nicht sofort mit seiner Angelobung zum Landeshauptmann im Landtag am 25. Oktober zurückgelegt hat. Aus seiner Sicht ist die Doppel-Rolle unvereinbar. Auch die NEOS fordern von Mattle, dass er den Aufsichtsratsposten sofort zurücklegt. „Wir NEOS haben angenommen, dass es selbstverständlich ist, dass Toni Mattle nach seiner Wahl zum Landeshauptmann, den Posten als Aufsichtsratsvorsitzender bei der TIWAG zur Verfügung stellt“, hält NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer fest. Dass dies nicht automatisch der Fall war, ist ein besonders schlechter Stil. „Dass dies nun die Opposition nun einfordern muss, ist in Wirklichkeit eine bodenlose Frechheit“, kritisiert Oberhofer.

Auch die Nachbesetzung müsse transparent mit Ausschreibung und Hearing ablaufen, fordert Oberhofer. „Wir wollen endlich, dass dieser Posten nicht still und heimlich in einem Kammerl an ÖVP-Funktionäre verteilt wird, sondern dass es transparente Entscheidungen gibt“, schließt Dominik Oberhofer.

OECD für klare Trennung

Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) empfiehlt, dass Regierungsmitglieder nicht Mitglieder des Aufsichtsrats in staatseigenen Unternehmen sein sollten, weil dies grundsätzlich Zweifel an der unbefangenen Ausübung der Tätigkeit aufwerfe. Gerade beim Tiwag-Konzern sieht der Rechnungshof ein großes Spannungsfeld zwischen den Aufgaben der Regierungspolitik und den Interessen des Unternehmens, zum Beispiel bei „Naturschutzrecht, Wasserrecht, Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung – und der Abhängigkeit des Unternehmens von der fristgemäßen Erteilung der erforderlichen Genehmigungen“. Bettina Urbanek: „Die Verfilzung führt zur grotesken Situation, dass Monsterprojekte der Tiwag, wie der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zur Kraftwerksgruppe, von der Landespolitik wider jegliche Vernunft befördert werden.“

Das zeige auch ein Bericht des Landesrechnungshofs über die Tiroler Klimastrategie. Demnach hat sich der nunmehrige Energie-Landesrat Josef Geisler explizit gegen das Energiesparen ausgesprochen, um den Wasserkraftausbau nicht zu gefährden. „Die Folge der Verfilzung zwischen Politik und Tiwag ist, dass das Land Tirol Schlusslicht beim Klimaschutz ist und wie kein anderes Land wertvolle Naturräume zerstört“, kritisiert WWF-Expertin Urbanek. Auch der Rechnungshof warnt: „Wenn Unternehmen für übergeordnete Zwecke der Regierungspolitik eingesetzt werden oder umgekehrt aus ihrer Nähe zur Regierungspolitik Vorteile ziehen, kann dies mit höheren Kosten des Unternehmens bzw. Wettbewerbsverzerrungen sowie Reputationsrisiken einhergehen, mit Nachteilen für den Wirtschaftsstandort und höheren Kosten für die Allgemeinheit.“

Insbesondere für eine naturverträgliche Energiewende ist eine fachlich neutrale Beurteilung notwendig. „Die überfällige Entpolitisierung des Aufsichtsrats der Tiwag ist dafür ein wichtiger Baustein. Nur so können die naturverträglichsten und wirtschaftlichsten Wege zum Ausbau der erneuerbaren Energien zum Zug kommen“, so Urbanek. „Wir brauchen in Tirol dringend konkrete und verbindliche Energiesparziele und -maßnahmen sowie eine Photovoltaik-Offensive. Denn bisher setzt das Land und damit auch die Tiwag weiterhin einseitig auf die bereits extrem ausgebaute Wasserkraft – mit dem Ausbau des Kraftwerks Kaunertal als absolutes Negativbeispiel.“ (TT.com)

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