Offensive in Syrien und Irak

Türkei greift in Syrien weiter an: Hunderte Kämpfer „neutralisiert“

Die nordsyrische Stadt Kobanehat für viele Kurden einen symbolischen Charakter. Kurdische Kämpfer befreiten die Stadt einst mit internationaler Hilfe vom IS. Nun ist die Stadt Ziel türkischer Angriffe.
© DELIL SOULEIMAN

Die Türkei betont, unter den Opfern ihrer Angriffe in Syrien und dem Irak seien keine Zivilisten - Aktivisten widersprechen dem vehement. Im nordsyrischen Kobane leben die Menschen wegen der türkischen Angriffe derzeit in Angst.

Kobane – Das türkische Militär hat bei seiner Offensive gegen kurdische Milizen in Syrien und im Irak nach eigenen Angaben bisher 326 gegnerische Kämpfer „neutralisiert“. In der Regel meint die Regierung in Ankara mit dem Begriff, dass Menschen getötet, verletzt oder gefangen genommen wurden. Nach Angaben syrischer Aktivsten starben bislang 67 Menschen.

Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, der Einsatz werde mit Luftangriffen und landgestützten Geschützen fortgesetzt. Am Freitag beschossen türkische Streitkräfte mehrere Dörfer im Norden Syriens, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Berichte über Opfer lagen zunächst nicht vor.

Bei der Offensive kämen keine Zivilisten oder verbündete Streitkräfte zu Schaden, sagte Akar, der die Angriffe als „Vergeltungsschläge“ bezeichnete. Die türkische Armee ziele nur auf „Terroristen“. „Wo auch immer die Terroristen sind, das ist unser Ziel.“ Die Angaben zu Angriffen und Opferzahlen ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von mindestens 14 getöteten Zivilisten durch die jüngsten Angriffe.

Seit Sonntag geht die Türkei im Nordirak und in Nordsyrien mit Luftangriffen gegen die syrische Kurdenmiliz YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor, die die Türkei als Terrororganisationen bekämpft. Ankara macht sie für einen Anschlag auf der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal vor fast zwei Wochen verantwortlich. Beide Gruppen hatten dies jedoch zurückgewiesen. Die USA sehen die YPG als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz IS (Daesh) in Syrien, deren Zellen im Land noch immer aktiv sind.

Menschen in Kobane leben in Angst

Eines der Ziele der türkischen Angriffe ist die syrische Stadt Kobane, die für viele Kurden einen symbolischen Charakter hat. Kurdische Kämpfer befreiten die Stadt einst mit internationaler Hilfe vom IS.

Die Menschen dort leben derzeit in Unsicherheit und Angst. Ihre acht Kinder hätten sich bei Bombardements schrecklich gefürchtet, berichtete etwa die Anwohnerin Shirin Abdel Kadar der dpa. Die Familie sei aus ihrem Haus geflüchtet und habe sich während der Attacken versteckt.

Ein weiterer Einwohner fürchtet sich vor allem davor, dass die türkischen Streitkräfte in Kobane eindringen und ihn und seine Angehörigen vertreiben könnten. Die Familie habe gerade erst ein Haus in der Stadt gebaut. Er sei enttäuscht von den USA, die als Verbündete seiner Ansicht nach in der aktuellen Situation mehr für die Kurden tun sollten.

Die von der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind angesichts der türkischen Drohungen mit einer Bodenoffensive besorgt. Nur großer Widerstand des Westens könne die Türkei von dem Vorhaben abhalten, sagte SDF-Kommandeur Maslum Abdi der dpa. Eine solche Offensive würde „blutig“ werden, warnte er.

Aus dem Nordirak gab es zunächst keine neuen Berichte über türkische Angriffe. Dort gehen seit Wochen auch die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) mit Raketen und Kamikazedrohnen gegen kurdische Stellungen vor. Teheran wittert in den Kurdenregionen des Nachbarlands Unterstützung für die Massenproteste im Iran. Deren Auslöser war der Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini nach einer Festnahme durch die Sittenpolizei. (dpa)

Verbote auf Istanbuler Touristen-Hotspot Istiklal erlassen

Nach dem Anschlag auf der beliebten Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal sollen dort künftig zahlreiche Verbote gelten. Um auf der Istiklal „Sicherheit, Frieden und Ruhe“ zu gewährleisten, habe der Gouverneur von Istanbul, Ali Yerlikaya, einen „Generalbefehl“ erlassen. Das teilte das Gouverneursamt am Freitag in einem Schreiben mit.

Eine Reihe von Verboten sollen in der 1400 Meter langen, vor allem bei Touristen sehr beliebten Straße den Fußgängerstrom beschleunigen und zur „öffentlichen Ordnung“ beitragen, heißt es. Unter anderem sei das Aufstellen von Tischen, Stühlen, tragbaren Tafeln oder Schildern künftig verboten. Zudem dürften in der Istiklal keine Ausstellungen oder Aufführungen abgehalten werden. Für mobile Händler oder Straßenmusiker seien Aktivitäten auf der Straße untersagt. Das Missachten dieser Regeln wird demnach bestraft.

Bei einem Anschlag auf der Straße vor fast zwei Wochen sind sechs Menschen getötet worden. Die Türkei macht die syrische Kurdenmiliz YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK dafür verantwortlich. Beide haben dies zurückgewiesen.