Reisanbau gefährdet bedrohte Tierarten in Tansania
Experten setzen auf modernere Methoden zur Bewässerung und Safari-Tourismus. Mit den Einnahmen lassen sich Maßnahmen zum Naturschutz finanzieren.
Dodoma –Gerade hat die Regenzeit geendet. Eigentlich sollte Tansanias Fluss Großer Ruaha bis an die Ufer gefüllt sein. Doch statt reißender Ströme ist das Flussbett eine staubige Einöde, die Wildhüter Hamza Visram vergeblich mit seinem Fernglas scannt. Wo einst Hunderte Wasserbüffel grasten, ist kaum ein Tier zu sehen. Tiefe Löcher bezeugen die Verzweiflung einer Elefantenherde, die mit ihren Rüsseln nach dem kühlen Nass grub.
Der Große Ruaha, der durch den Ruaha-Nationalpark im Zentrum Tansanias fließt, gilt als „ökologisches Rückgrat“ des ostafrikanischen Landes und Lebensader der Region. Hunderttausende Wildtiere sind von seinem Wasser abhängig, darunter bedrohte Arten. Ruaha ist beispielsweise eines von nur drei Naturschutzgebieten, in dem mehr als 500 vom Aussterben bedrohte Afrikanische Wildhunde leben.
Einst floss der Große Ruaha das ganze Jahr über – heute sind es nur noch drei bis vier Monate pro Jahr, erzählt Tanapa-Ökologin Hellen Mchaki. Nicht genug für die Wildtiere. „Ohne ausreichendes Wasser werden sie sterben“, warnt Mchaki. In einigen Teilen des Parks mussten Parkbehörden Wasser mit Tanklastern anliefern, um Wasserlöcher zu füllen.
Der Fluss trocknet langsam aus, weil Reisbauern an den fünf Quellen des Großen Ruahas über mehr als 115.000 Hektar ihre Plantagen angelegt haben. Der Anbau von Reis – ein Grundnahrungsmittel und Exportprodukt in der früheren deutschen Kolonie mit ihren rund 60 Millionen Einwohnern – benötigt große Mengen Wasser.
Die Regierung versucht seit 2017, diese Entwicklung aufzuhalten, bislang vergeblich. January Makamba, damals Staatsminister im Umweltbüro des Vizepräsidenten, prangerte die Reisbauern in Interviews mit lokalen Medien als „Umweltsünder“ an und machte sie für den Tod vieler Wildtiere verantwortlich. Die Ableitung von Wasser aus Naturschutzgebieten sei illegal und müsse umgehend gestoppt werden.
Problematisch sei vor allem, dass Reisbauern Bewässerungsmethoden nutzten, die vermutlich im frühen 19. Jahrhundert von deutschen Missionaren eingeführt wurden, sagt Wassermanagement-Experte Reuben Kadigi von der Sokoine Universität in Tansania. Dazu komme Verschmutzung durch Chemie wie Dünger und Pestizide.
Unterstützt von der Weltbank arbeitet Tanapa mit Reisbauern zusammen, um die Bewässerungsinfrastruktur zu verbessern und Alternativen zu wasserintensiven Anbaumethoden zu suchen. „Wir versuchen etwa Wege zu finden, um das genutzte Wasser zurück in den Fluss zu leiten“, erklärt Mchaki.
Experten setzen auch auf Ökotourismus. Safari-Tourismus ist eine der wichtigsten Einkommensquellen Tansanias. Nach Angaben des Welttourismus- und Reiserats (WTTC) hat Tourismus in Tansania 2019 – also vor der Corona-Pandemie – umgerechnet 6,5 Milliarden Euro eingebracht, oder 10,6 Prozent der Gesamtwirtschaft.
Mit dem Geld kann man auch Naturschutzmaßnahmen finanzieren. Tourismuseinnahmen tragen laut WTTC in vielen afrikanischen Ländern maßgeblich zur Wiederherstellung und Erweiterung von Naturschutzgebieten und dem Schutz von Wildtieren bei. Die Umkehrrechnung ist einfach: Weniger Wildtiere bedeuten weniger Tourismus-Einnahmen – und damit auch weniger Naturschutz.
Trotz der Maßnahmen ist keine schnelle Lösung in Sicht. Noch tummeln sich in Ruaha große Herden. Doch Wildhüter Visram hat einen erschreckenden Trend bemerkt – vor allem bei Arten, die stark von Wasser abhängen: „Früher haben wir Herden mit 200 bis 300 Büffeln gesehen, jetzt sind es nur noch um die 35.“ Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.