Erst shoppen, dann Schulden

Klicken, kaufen, Katerstimmung: Die Krux mit dem „Instant Shopping"

Viele Menschen können den Verlockungen im Netz nicht widerstehen und bestellen ständig neue Produkte.
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Influencer und soziale Medien beeinflussen das Einkaufsverhalten mehr denn je. Für Kaufsüchtige ist das besonders riskant. Bestellt wird schnell, bezahlt meist auf Pump. Doch auf den Rausch folgt die Ernüchterung.

Innsbruck – Früher bestellte man bei Quelle und Universalversand, später bei Onlinehändlern wie Amazon oder Zalando, mittlerweile sind vor allem soziale Medien zu lukrativen Verkaufsplattformen geworden. Instant Shopping, also der Kauf ohne konkrete Produktsuche, boomt.

Die hübsche Influencerin präsentiert auf Instagram ihr „Outfit des Tages“ oder ihre „mega“ Hautpflege und verlinkt die Ware. Mit einem Klick wird der Interessent sofort auf die Seite des Onlineshops geleitet, wo er zuschlagen kann. In wenigen Tagen steht das Packerl vor der Tür.

„Die Marketingstrategie ist clever. Die Hemmschwelle, Geld auszugeben, ist durch das Online-Shopping gesunken“, weiß Armin Dag, Psychologe und Psychotherapeut bei der Suchthilfe Tirol.

Etwa 11 Prozent sind hierzulande kaufsüchtig

Vor allem Menschen mit riskantem Kaufverhalten sind empfänglich für die permanente Produktwerbung, die vielen Versprechungen und unzähligen Rabattcodes. „Es wird ein Hype erzeugt und der Käufer hat das Gefühl, etwas zu versäumen, wenn er das Produkt nicht besitzt“, sagt Dag. Betroffene fallen sofort in den „Haben wollen“- und „Sein wollen wie“-Modus.

Laut einem Bericht der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2017 sind etwa elf Prozent der Österreicher kaufsüchtig. Sie werden ganz nervös, wenn sie nicht shoppen können, scrollen stundenlang durch Online-Seiten, der Kaufgedanke verfolgt sie bis in den Schlaf. Dabei geht es weniger um das Produkt selbst. Das eigentlich Befriedigende ist der Kaufakt. Oftmals werden sinnlose Dinge in doppelter und dreifacher Ausführung bestellt und daheim unbenutzt gehortet.

Wir stellen fest, dass sich die Situation seit Corona zugespitzt hat.
Thomas Pachl (Schuldnerberatung Tirol)

Das Kaufen ist für Shopaholics zu einer Ersatzbefriedigung, zu einer Droge geworden. Langeweile oder eine allgemeine Unzufriedenheit sollen durch Materielles kompensiert werden.

Doch auf den Shopping-Rausch folgt oft eine Katerstimmung. Vor allem wenn der finanzielle Rahmen gesprengt wird. „Viele Konsumenten geben an, sich finanziell zu übernehmen, weil heutzutage alles auf Pump angeboten wird“, weiß Thomas Pachl, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Tirol. „Wir stellen fest, dass sich die Situation seit Corona zugespitzt hat. Die Online-Bestellungen werden mehr, das zeigen die vielen Pakete, die täglich zugestellt werden.“ Das bevorstehende Weihnachtsfest und Rabattschlachten am „Black Friday“ oder „Cyber Monday“ machen die Lage nicht besser.

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Mehr Möglichkeiten für Ratenzahlung

Zudem seien die Möglichkeiten, auf Raten zu zahlen, gestiegen. So bietet etwa der Zahlungsdienstleister Klarna nicht nur eine Zahlung in 30 Tagen an, sondern auch die Option, ein eigenes Online-Konto zu eröffnen, das überzogen werden kann. Immer mehr Anbieter springen auf den Zug auf. „Die Advanzia Bank offeriert zudem eine freie Mastercard mit Überziehungsrahmen. Die Kreditkarte ist kostenlos, wenn man das erste Mal etwas gekauft hat, wird der Rahmen vergrößert“, nennt Pachl ein weiteres Beispiel.

Obwohl die Zahlungsmoral in Österreich sehr hoch ist, kann dieses „über seine Verhältnisse leben“ gerade für Menschen mit wenig Einkommen riskant werden. Für Alleinerziehende, Pensionisten oder junge Erwachsene, die nicht so viel verdienen, sind bereits ein paar tausend Euro Schulden schwer zu stemmen.

Die Schuldnerberatung versucht, Betroffene zu unterstützen, und führt Ausgleichsverhandlungen mit den Gläubigern, um Zinsen und Kosten zu stoppen. Die Verschuldung in den Griff zu bekommen, verschafft Sicherheit. Begleitend kann eine Therapie helfen. Sich bewusst zu machen, welche Wünsche wirklich hinter den exzessiven Einkäufen stecken, ist laut Therapeut Dag ein wichtiger Schritt, um sich vom Kaufzwang zu befreien.

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