Stück in Staatsoper

Gut genagelt ist doch nur halb gewonnen: Wagners „Meistersinger“ in Wien

So bunt treiben es die neuen „Meistersinger von Nürnberg“ in der Wiener Staatsoper.
© Wiener Staatsoper/Pöhn

Wiener Staatsoper: Wagners „Meistersinger“ in solider Neuproduktion mit Michael Volle als alles überstrahlendem Hans Sachs.

Wien – „Mein Freund, das grad’ ist Dichters Werk, dass er sein Träumen deut’ und merk’.“ So singt Hans Sachs in seiner Schusterstube, wenn er das Lied von Walther von Stolzing notiert. Der Ritter, der in die stolze Bürgerstadt Nürnberg schneit, verliebt sich in die Goldschmied-Tochter Eva. Der ist dann auch „als wär’ ich gar wie im Traum“, wenn sie an Stolzing denkt, der ohnehin ständig träumt.

Auch Keith Warner lässt in seiner Regie der „Meistersinger von Nürnberg“ viel träumen. Sein Sachs, dem Michael Volle überragende stimmliche wie darstellerische Größe verleiht, ist da in einem Vexierspielchen immer wieder sein Textbuch dichtender Wagner in Gestalt des Dichterkollegen Sachs. Der schon einmal innehält, um zu überlegen, wohin die Reise gehen soll. Etwa wenn in der Prügelfuge das tobende Personal kurz einfriert, um dann auseinanderzustieben, und der Nachtwächter als mittelalterlicher Tod mit der Sense ausholt, bevor ihn der Schlussakkord stoppt.

Diesem Sachs steht auch der im Wahnmonolog erwähnte Kobold, als grünes, Nietzsche ähnelndes Männchen, als Muse zur Seite, springt aus dem Schreibtisch. Am Ende, wenn Sachs die deutschen Meister gegen den welschen Tand anruft, lässt Warner wohl wieder Wagner statt Sachs sprechen, bis die Festwiesengäste, der prächtige Staatsopernchor, mit Büchern in der Hand hinzutreten. Wobei die Buchtitel kaum lesbar sind, so wie auch anderes unklar bleibt.

Warner lässt sich aus Wagners Text zu Assoziationen und Illustrationen inspirieren, setzt Gedankenstriche über die Kunst und die Vergänglichkeit in seiner brav an die Rampe gestellten, routinierten Inszenierung, die kein Traum ist, aber solide wie ein Paar gut genagelte Schuhe.

Die Butzenscheibenpracht der seit 1975 gehegten Otto-Schenk-Inszenierung hat dagegen ausgeträumt. Ersatz ist ein unattraktives Sparbühnenbild von Boris Kudlicˇka mit wackeligen Türmen, oder einer Schusterstuben-Möblage, die von einer Schar Bühnenarbeiter weggetragen werden muss, um für die Festwiese Platz zu machen. Dazu kommen hässliche Projektionen und heutige Kostüme von Kaspar Glarner, die mit lächerlichen „mittelalterlichen“ Details aufgeputzt werden.

Nur Georg Zeppenfeld kann als nobler Pogner dem Sachs von Volle das Wasser reichen. Wolfgang Kochs Beckmesser ist eindimensional als Ungustl festgelegt, der Zwischentöne vermissen lässt. David Butt Philip gibt den Stolzing sympathisch lyrisch, nur in Maßen strahlend. Hanna-Elisabeth Müller singt ein allzu gerades Evchen, Michael Laurenz ist der spielfreudige David, Christina Bock eine trockene Magdalene, der Rest brav aus dem Ensemble besetzt.

Philippe Jordan, dem nicht mehr verlängerten Musikdirektor, strömte demonstrativ Zuspruch entgegen. Er hat mit dem meist prächtig ausspielenden Orchester hart an Details gearbeitet. Gegen Ende gelingen auch einige packende Spannungsbögen. Das sicherte ihm, Orchester und Sängern Zuspruch, während die Regie auch Protest einstecken musste.