Aktuelle Stunde im Landtag

Tiroler Parteien wollen Zugang zu Abtreibungen erleichtern

Abtreibungsgegner entrollten in den Zuschauerrängen Plakate. Die Polizei komplimentierte die Aktivisten aus dem Plenarsaal.
© Miller

Dass ein Wahlarzt für Abtreibungen zu wenig ist, leuchtet allen Parteien im Landtag ein. Das Angebot soll ausgebaut werden. Kostenlos ist strittig.

Innsbruck – Kaum hatte die Aktuelle Stunde gestern im Tiroler Landtag in Innsbruck begonnen, hielten Abtreibungsgegner Plakate in die Höhe, um ihren Protest kundzutun. Binnen weniger Minuten führte die Polizei die Aktivisten aus dem Saal. Zuvor hatten alle LandespolitikerInnen und auch die Redaktion der Tiroler Tageszeitung ein anonymes Schreiben mit selbstgestrickten Babysöckchen und mahnenden Worten von Abtreibungsgegnern erhalten. Wer genau hinter den Aktionen steht, blieb gestern im Dunkeln.

SPÖ-Frauenlandesrätin Eva Pawlata hatte die Diskussion „mehr unbeabsichtigt als beabsichtigt“, wie sie gestern meinte, angestoßen und kostenlose und flächendeckende Abtreibungen in Aussicht gestellt. Der Aufschrei der katholischen Kirche, aber auch innerhalb der ÖVP war groß. Nun scheinen sich alle Parteien, insbesondere ÖVP und SPÖ, einem Konsens anzunähern, nämlich dass in dieser Legislaturperiode das Angebot, Abtreibungen vornehmen zu können, in Tirol erweitert werden soll. Kostenlos dürfte es nicht werden. Daran scheiden sich nämlich die Geister.

Abtreibungen müssen örtlich und finanziell niederschwellig möglich sein. Wir denken an eine Staffelung.
Eva Pawlata (SPÖ-Frauenlandesrätin)

Sie betrachte die Debatte immer aus Sicht der Frauen, die die Wahl haben sollten, also „Pro-Choice“, meinte Pawlata. Dieser Ansatz stehe im Gegensatz zur teils radikalen „Pro-Life“-Haltung. Derzeit steht 170.000 Frauen im gebärfähigen Alter in Tirol ein Wahlarzt für Abbrüche zur Verfügung. Zwischen 700 und 800 Euro sind zu bezahlen. Schätzungsweise gibt es in Tirol 700 Abbrüche im Jahr.

Aufs Tapet gebracht hatten das Thema für die Aktuelle Stunde die Grünen. Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan erinnerte an eine Podiumsdiskussion vor der Wahl. Damals hätten sich die Vertreterinnen der Parteien, inklusive der ÖVP, für kostenlose, niederschwellige und flächendeckende Abtreibungsmöglichkeiten eingesetzt. Nach der Wahl sei davon nicht viel übrig geblieben, kritisierte Arslan. „Damit gehen wir in Richtung Stillstand und bewegen uns weg von der Selbstbestimmung von Frauen.“ Alle Parteien sollten sich für eine „zeitnahe Umsetzung der Angebote“ einsetzen.

Die Grünen hätten neun Jahre Zeit für eine Umsetzung gehabt, meinte daraufhin SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl. Nach zwei Monaten Opposition würden sich die Grünen nun als Verfechter der Frauenrechte gerieren. Die „SPÖ hat eine klare Linie und mit der ÖVP einen gemeinsamen Kurs“. Die damit verbundenen Lösungen werde man in der Koalition „noch in dieser Legislaturperiode umsetzen“.

Das Angebot muss kostenlos sein. Alle Parteien sollten sich für eine zeitnahe Umsetzung einsetzen.
Zeliha Arslan (Abgeordnete, die Grünen)

ÖVP-Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele will keinen kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. In der Koalition ist eine Staffelung angedacht. Das Angebot müsse aber niederschwellig und etwaig „an einer Klinik“ abrufbar sein. Hagele spricht sich für Beratungen aus, die „ergebnisoffen und ohne Druck auf die Frauen“ vonstattengehen sollten. Es sei ein hochsensibles Thema. Die Landesrätin regte eine Studie an, um herauszufinden, warum Frauen abtreiben lassen.

„Neutrale Beratungsstellen“ fordert FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler. „Auch eine Adoption kann eine Möglichkeit sein.“ Die Freiheitlichen können, so wie auch die ÖVP, nichts mit einer Kostenbefreiung anfangen. Kostenlos dürfe ein Schwangerschaftsabbruch „auf gar keinen Fall sein“, meinte Kofler.

Es braucht eine ergebnisoffene und ohne Druck auf die Frauen vonstatten­gehende Beratung.
Cornelia Hagele (ÖVP-Gesundheitslandesrätin)

NEOS-Abgeordnete Birgit Obermüller brachte den rechtlichen Aspekt in die Debatte ein. Ein Abbruch stehe noch immer unter Strafe und werde mit bis zu einem Jahr Haft geahndet. „Wir fordern seit 2019, dass der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird.“

Markus Sint, der Klubobmann der Liste Fritz, sprach von einer „Unterversorgung“, die man sonst in keinem Bereich des Gesundheitswesens gelten lassen würde. Er sprach sich dafür aus, Abtreibungen in öffentlichen Spitälern zu ermöglichen.